Gymnicher Gespräche

Zugegeben – die Frage war vielleicht etwas naiv gestellt: Wie kommt die Branche der geschlossenen Fonds aus ihrem Tief heraus? Wüssten die Anbieter einfache Antworten, müsste sie nicht über die aktuell schwierige Situation diskutieren.

 

Gymnicher Gespräche

Gymnicher Gespräche

Länger als drei Stunden suchten die Teilnehmer der jüngsten, von der Fondsbrief-Redaktion geleiteten Gesprächsrunde „Gymnicher Gespräche“ nach Lösungen, erwarten sich in diesem Jahr allerdings noch nicht die Wende zum Guten. Dabei war die Antwort auf die Eingangsfrage eine ganz simple. Am Ende kamen die Initiatoren selbst darauf – alleine die Umsetzung bereitet Schwierigkeiten.

 

Nach Lösungen suchten Anselm Gehling (Dr. Peters), Marcus Kraft (Zentral Boden Immobilien ZBI), Florian Martin (KGAL), Tim Krömker (Deutsche Fondsvermögen DFV), Lars Follmann (Fondshaus Hamburg Immobilien FHHI), Rainer Krütten (WealthCap) und Helmut Schulz-Jodexnis (Jung DMS & Cie.).

Die Branche hängt am Fliegenfänger des Vertriebs – und ist besonders abhängig von den Banken. Das Problem dabei: Die großen Häuser winken bei geschlossenen Fonds inzwischen genervt ab. Offenbar liegen inzwischen zu viele Klagen wegen schlecht laufender Schiffsfonds und anderer Beteiligungen in den Eingangskörbchen der Rechtsabteilungen. Nennenswerten Umsatz melden nur noch die Deutsche Bank und die HypoVereinsbank. Die Commerzbank ziert sich weiterhin, und auch viele ehemals starke Sparkassen und Raiffeisenbanken lassen die Fonds links liegen.

 

Das bekommt zum Beispiel die KGAL deutlich zu spüren. Sie hat bislang den Löwenanteil der Fonds über den Bankenschalter verkauft. „Die Banken performen derzeit sehr, sehr schlecht. Verlieren Sie solche ehemals starken Vertriebspartner, spüren Sie das an allen Ecken und Enden. Die Vorfinanzierungskosten sind nur ein Beispiel dafür“, klagt Florian Martin von der KGAL. Seit Ende 2010 platziert der Initiator einen Englandfonds, und auch der Vertrieb einer Frankreich-Immobilie zieht sich hin. Den aktuellen Flugzeug-Portfoliofonds bringen hauptsächlich freie Vermittler an den Kunden.

 

Liegt die Zukunft der Beteiligungen, wie immer sie nach der Regulierung ab dem 23. Juli konzipiert sein werden, also in den Händen der freien Verkäufer? Ähnlich wie früher also, als die Banken in Zeiten Steuer sparender Verlustzuweisungsmodelle nur eine Nebenrolle spielten? So einfach ist es natürlich nicht, denn auch die Freien haben bei ihren Kunden mit Schiffen, Dubai-Immobilien und Medienfonds viel Kapital verbraten. Und nicht wenige können nachts nicht mehr schlafen, weil Anlegeranwälte Forderungen im hohen sechsstelligen Bereich stellen.

 

Der Anleger dagegen sei am wenigsten verantwortlich für die derzeitige Misere am Markt. Er möchte höhere Renditen erzielen und wartet durchaus auf entsprechende Vorschläge. Die auf Seniorenheime spezialisierte DFV-Mutter Immac hat ihre Kunden befragt, weil sie wissen wollte, ob Anleger neuen Ideen und Assets gegenüber aufgeschlossen sind. „Das Ergebnis hat uns schwer überrascht“, sagt Tim Krömker. „Die Kunden haben ein großes Interesse an neuen Produkten, die Hemmungen liegen eher beim Vertrieb.“ Daraus schließt Krömker, dass vor allen den alten Hasen – den Produktverkäufern – bei der Kundenansprache und –beratung geholfen werden muss.

 

Denn für die Vermittler hat bereits eine neue Zeitrechnung begonnen. „Sie müssen sich daran gewöhnen, jede Beratung zu dokumentieren. Auch wenn kein Abschluss dabei herauskommt“, sagt Helmut Schulz-Jodexnis. Eine Haftungsfalle lauere außerdem in den Risikoklassen. Wer seinen Kunden falsch einordnet, geht erhebliche Risiken ein.

 

Dabei sei der politische Wille doch ohne Zweifel,
wie Rainer Krütten meint: „Der geschlossene Fonds ist gewünscht, sowohl für institutionelle Investoren als auch für private Anleger.“ Trotzdem wollten
die Verbraucherschütze den Kunden vorschreiben, was sie mit ihrem Geld zu tun und zu lassen haben. „Was soll das? Es verbietet doch auch niemand,
eine vermietete Eigentumswohnung als Kapital-anlage zu kaufen.“

Die Regulierung an sich sieht die Branche positiv. Allerdings: Im Detail lauere das Chaos. „Die BaFin ist ahnungslos. Keiner weiß, welche Prospekte künftig akzeptiert werden. Manche Prüfungen ziehen sich bis zu 90 Tage hin“, berichtet Anselm Gehling von Dr. Peters. Dennoch ist er optimistisch, dass die Branche überlebt, allerdings deutlich verändert: „Die Beteiligungsmodelle sehen künftig anders aus, da bin ich mir sicher. Die Ausschüttungen werden nicht mehr die Rolle spielen wie bisher. Entscheidend ist das Gesamtkonzept aus Tilgung und Liquiditätsreserve. Das ist die Lehre, die wir aus den Schiffsfonds gezogen haben.“

 

Ohne Zweifel sind die Schiffsfonds mit ihren drohenden und vollzogenen Pleiten eine Baustelle. „Wer Ärger mit seinem Kunden hat, weil die Schiffe nicht laufen, wird ihm kaum Anteile an einem Immobilienfonds verkaufen können“, so Vertriebsprofi Schulz-Jodexnis. Dem widerspricht jedoch DFV-Vorstand Krömker und bleibt damit seiner Argumentation treu: „Warum soll ein Berater nicht zum Kunden gehen, obwohl er ihm früher eine Kapitalanlage verkauft hat, die nicht so läuft wie geplant? Ich glaube nicht, dass jeder Kunde verbrannt ist, der schlechte Erfahrungen gemacht hat.“

 

Entscheidend sind aber nicht nur persönliche Erfahrungen, sondern auch die öffentliche Wahrnehmung. In diesen Punkten herrscht Konsens: Keine andere Branche steht in den Medien derart schlecht da. Keine andere Branche gerät derart in Generalhaftung. Aktuelles Beispiel ist der Fall S&K. Gemeint ist das Frankfurter Unternehmen, bei dem 1.200 Beamte Unterlagen sicherten. Die Verantwortlichen sitzen hinter Gittern, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Betrugs. Wer Geschäfte mit den Blendern machte, schaufelte sein eigenes Grab. DCM, FIHM und United Investors sind Pleite. „Viel mehr darf nicht passieren, sonst verabschieden sich noch mehr Banken aus dem Vertrieb“, so WealthCap-Geschäftsführer Krütten. Er fordert, den Begriff „Geschlossene Fonds“ zu den Akten zu legen, weil er zu negativ besetzt sei. „Das halte ich für unabdingbar.“

 

Bei Lars Follmann rennt Krütten damit offene Türen ein. Follmann ist Geschäftsführer beim Fondshaus Hamburg Immobilien (FHHI) und gleichzeitig Manager bei Hochtief Solutions, dem Joint Venture Partner des neuen Emissionshauses. Ein Mann also, der von außen auf die Branche schaut – und sich manchmal wundert. „Ich erwarte eine viel engere Betreuung laufender Assets, so wie es auch die Amerikaner machen. Die Immobilien müssen außerdem deutlich stärker optimiert werden als bislang.“

 

Uneinig war sich die Runde in der Diskussion darüber, in wie weit die Anleger in Entscheidungsprozesse einbezogen werden wollen oder nicht. ZBI-Vorstand Marcus Kraft glaubt, damit den Nerv der Zeichner zu treffen und hält die Fahne des vom Investoren bestimmten Konzeptes hoch: „Bei  unseren Gesellschafterversammlungen kommen 400 von 2.000 Anlegern, um ihre Stimme abzugeben. Mitspracherecht ist ihnen offenbar sehr wichtig.“

 

Damit vertritt Kraft eine exklusive Meinung, die anderen Initiatoren widersprechen heftig. „Der typische Kunde ist kein unternehmerischer Investor. Er gibt mir als Experte für Sachwerte den Auftrag, sein Kapital zu managen, will aber danach in Ruhe gelassen werden“, sagt KGAL-Vertriebsleiter Martin stellvertretend für die übrigen Diskussionsteilnehmer.

 

Fehlt aber immer noch die Antwort auf die Frage, warum das derzeit so selten geschieht. Warum die Anleger ihr Kapital kaum noch in geschlossene Beteiligungsmodelle investieren. Und vor allem: Wie sich das ändern lässt. Den Haken an der Sache hat die Branche offenbar erkannt. „Der geschlossene Fonds ist nicht sexy“, meint Dr. Peters-Chef Anselm Gehling. Anleger ließen sich bei ihrer Investitionsentscheidung zu sehr von Emotionen leiten. „Der Vertrieb lechzt nach einer Story“, so Krütten. Und die müsse so schlicht wie möglich sein. Dabei hören die potenziellen Kunden nicht auf Argumente, sondern eher auf ihren Bauch. Schulz-Jodexnis berichtet von Anlegern, die stolz erzählen, sie haben ein Vermögen ausgegeben, um einen Fünf-Karäter zu kaufen. Bei glitzernden Steinen hat natürlich keine Immobilie der Welt, kein Flieger und auch keine Windkraftanlage den Hauch einer Chance.

 

Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Das zeigt sich auch bei Investitionsentscheidungen. Wobei er bei Misserfolgen gerne einen anderen Schuldigen sucht. Küchenpsychologie? Vielleicht, aber auch eine Tatsache, die durch die unzähligen Klagen unzufriedener Anleger belegt ist. Offenbar sind sich tatsächlich die wenigsten darüber im Klaren, dass sie sich an Modellen mit unternehmerischen Risiken beteiligen. „Keine andere Branche wird von Haftungsrisiken derart gebeutelt wie unsere“, meint Gehling. „Keine andere Branche gibt derart konkrete Versprechen ab wie unsere“, sagt Krütten und meint damit die Prognosen über zehn, zwölf Jahre mit Nachkommastellen.

 

Hilfreich ist solch eine Scheingenauigkeit allerdings nicht, darin waren sich alle Gesprächsteilnehmer einig. Aber was nutzt denn nun der Branche? Wie kommt sie aus dem Tief heraus? Am Ende war die Antwort ganz simpel. Florian Martin lieferte sie, und hier gab es auch keinen Einspruch. Wie überlebt der geschlossene Fonds? Eine gute Performance hilft!



Über den Autor

Markus Gotzi

Chefredakteur „Der Fondsbrief“
Tel.: +49 (0) 221 – 97 58 97 75
E-Mail: redaktion@markusgotzi.de

Er ist Träger des Deutschen Journalistenpreises und des Deutschen Preises für Immobilienjournalismus. Viele Jahre lang verfasste der Diplom-Journalist Artikel zu allen Themen rund um die Immobilie und andere Sachwerte in der Financial Times Deutschland. Zudem war Markus Gotzi vier Jahre als Redakteur für das Wirtschaftsmagazin Capital tätig.

Aktuell publiziert er unter anderem in überregionalen Blättern wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und in Branchenmagazinen wie dem Immobilien-Manager. Zudem ist Markus Gotzi Chefredakteur des Fachmediums »Der Fondsbrief«, dem bundesweit auflagenstärksten Newsletter mit Schwerpunkt geschlossene Beteiligungsmodelle und Sachwertinvestitionen.