Fonds-Check: Hannover-Leasing teilt sich Polizei-Zentrale mit Staatsfonds aus Fernost

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aus „Der Fondsbrief“ Nr. 195 vom 06.09.2013

Deutsche Fondsinitiatoren reagieren differenziert auf die neuen Regeln des Kapitalanlagegesetzbuchs. Während manche den Gang rausgenommen haben und erst einmal abwarten, gibt Hannover Leasing Vollgas.

 

Das Pullacher Emissionshaus hat groß eingekauft: Mehrere Immobilien in den Niederlanden, das an die Landesregierung NRW vermietete Stadthaus in Düsseldorf und ein gewaltiges Bürogebäude in Brüssel. Mit mehr als 300 Millionen Euro war die Investition zu groß für einen geschlossenen Fonds. Co-Investor ist ein institutioneller Anleger aus Asien.

 

Objekt: Rund 80.000 Quadratmeter Mietfläche, dazu drei Ebenen in einem Parkhaus mit knapp 700 Stellplätzen – das sind die Eckpunkte der Büroimmobilie „Belair“ in der Innenstadt von Brüssel. Die Fläche teilt sich auf in 65.000 Quadratmeter Büros, 14.000 Quadratmeter für Archiv und Lager und ein paar Hundert Quadratmeter Einzelhandel. Verkäufer waren die beiden Projektentwickler Breevast und Immobel. Der Verkaufsfaktor liegt beim 18,55-fachen der Jahreseinnahmen von zunächst rund 16,7 Millionen Euro. Das Gebäude erstreckt sich auf elf Geschossen zwischen den Hochhäusern Finance Tower und Congress Column nahe des historischen Zentrums im Teilmarkt Pentagon an der Rue Royale.

 

Green Building: Bis Dezember dieses Jahres gehen noch die Handwerker im Ende der 50er-Jahre gebauten Belair ein und aus. Das Gebäude wird umfangreich umgebaut, erweitert und modernisiert. Anschließend soll es den Anforderungen einer nachhaltigen Immobilie genügen. Angestrebt ist eine Zertifizierung nach BREEAM-Standard mit dem Prädikat „Very Good“. BREEAM steht für „BRE Environmental Assessment Method“ und meint die weltweit meist verbreitete Zertifizierungsmethode für Gebäude.

 

Markt: Typische Mieter in Brüssel sind staatliche Behörden und Einrichtungen der Europäischen Union. Dennoch sind längst nicht alle Büroflächen belegt. Die Leerstandsquote für die gesamte Stadt liegt bei rund zehn Prozent. Im Pentagon-Viertel stehen knapp sechs Prozent der Büros leer, bei Class-A-Flächen sind es jedoch lediglich zwei Prozent. Die Spitzenmiete dort liegt laut Jones Lang LaSalle im zweiten Quartal 2013 bei rund 235 Euro pro Quadratmeter im Jahr. Im Belair zahlen die Mieter 211 Euro, viel Spielraum bis zur Spitze bleibt nicht mehr.

 

Politische Situation: Europa wächst zusammen – ob erfolgreich oder nicht, sei einmal dahingestellt. Über dem Zentrum der Europäischen Union dagegen hängt seit Jahren das Damoklesschwert der Teilung. Die flämischen Separatisten gewinnen in Belgien kontinuierlich an Macht, in Antwerpen holten sie bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr knapp 38 Prozent der Stimmen. Sie fordern einen eigenen Staat: Flandern. Das muss Investoren nicht allzu sehr beunruhigen. Denn im Falle eines Zerfalls Belgiens, müssten die Flamen den Löwenanteil der Staatsschuld tragen. Und die liegt bei rund 100 Prozent der Wirtschaftsleistung Belgiens. Sollte es dennoch zu einer Spaltung kommen, dürfte Brüssel als Hauptstadt eines autonomen Flandern weiterhin Europas Zentrum bleiben.

 

Mieter: Hauptmieter mit knapp 99 Prozent der Flächen ist das staatliche Liegenschaftsamt Régie des Batiment. Es verwaltet das von staatlichen Einrichtungen genutzte eigene und angemietete Immobilienvermögen. Nutzer der Fläche ist 18 Jahre lang die belgische Staatspolizei – ein Mieter also ganz nach dem Geschmack typischer Immobilienfondszeichner. Die Miete ist an den belgischen Gesundheitsindex angepasst, vergleichbar mit dem Preissteigerungsindex hierzulande. Nach neun Jahren wird die Miete zwischen den beteiligten Parteien neu verhandelt. Hannover schätzt das Risiko als gering ein, dass der Mieter dann weniger zahlen will und begründet seinen Optimismus mit einer geringen Neubautätigkeit, berücksichtigt in seiner Prognose aber dennoch reduzierte Einnahmen von fünf Prozent.

 

Rechnung: Der Fonds beteiligt sich zur Hälfte an der Immobilie. Die andere Hälfte hat ein asiatischer Staatsfonds übernommen. Solch eine Lösung ist nicht ideal, vor allem wenn nur ein Partner das Objekt später wieder verkaufen möchte. Will beispielsweise Hannover Leasing seine Anteile nach zehn Jahren gegen den Willen des asiatischen Investors veräußern, steht diesem ein Nettoerlös von 110 Prozent des ursprünglichen Kapitaleinsatze zu. Geht die Prognose auf, ist das kein Problem. Anders sieht es aus, sollten Mieten und Preise sinken. Der Anteil des Fonds kommt auf ein Gesamtvolumen von 155 Millionen Euro. Anleger bringen Eigenkapital in Höhe von 79 Millionen Euro plus fünf Prozent Agio auf. Das Fremdkapital über 72 Millionen Euro auf Fondsebene stellt die Aareal Bank zur Verfügung. Die Hypothek läuft zehn Jahre ab Auszahlung, längstens bis Mitte 2024. Die Zinsen betragen inklusive Bankenmarge knapp 3,8 Prozent. Die Tilgung ist mit einem Prozent mager, aber natürlich den Ausschüttungen an die Anleger geschuldet.

 

Kalkulation: Anleger sollen ab 2014 jährliche Ausschüttungen von fünf Prozent erhalten. Bei der Schlusszahlung rechnet Hannover Leasing mit 105 Prozent, so dass Zeichner bei diesem Szenario auf ein Plus von 50 Prozent vor Steuern kommen würden. Haben sie ihren kompletten Einsatz ohne Agio zurück, kassiert der Initiator 20 Prozent eventueller Mehrerlöse.

 

Exit: Beim Verkauf geht Hannover Leasing davon aus, dass ein Käufer das 17,75-fache der dann geltenden Jahresmiete zahlt. Anleger hoffen also darauf, dass sich Eigentümer und Mieter bei den Verhandlungen nach neun Jahren auf ein auskömmliches Niveau einigen werden.

Kosten: Die fondstypischen Kosten summieren sich auf 16,5 Prozent des Eigenkapitals inklusive Agio. Bezogen auf das Gesamtvolumen sind das rund 8,5 Prozent. Dagegen ist nichts einzuwenden.

 

Steuern: Verkauft der Fonds die Immobilie nach zehn Jahren oder später, fallen keine Steuern an. Das regelt das Doppelbesteuerungsabkommen mit Belgien.

 

Anbieter: Seit 32 Jahren legt Hannover Leasing geschlossene Fonds auf. Daran haben sich knapp 64.000 Anleger mit mehr als neuen Milliarden Euro beteiligt. Hauptgesellschafter sind die Hessische Landesbank und die Sparkassen-Beteiligungs GmbH Hessen Thüringen.

 

Meiner Meinung nach… Ein neuwertiges Gebäude im gefragten Immobilienmarkt Brüssel. Dazu ein langfristiger Vertrag mit einem Mieter, der über jeden Zweifel erhaben sein sollte – allen politischen Krisen zum Trotz. Logisch, dass die Immobilie, modernisiert und als Green Building zertifiziert, nicht zum Sonderpreis zu bekommen ist. Eine Objektrendite von 5,4 Prozent ist für solch ein Gebäude derzeit üblich. Nachdenken sollten Anleger über die Besonderheit im Vertrag: Nach neun Jahren kann der Nutzer die Miete neu verhandeln. Das Ergebnis wird maßgeblichen Einfluss haben auf den Verkaufserlös und damit auf die Rentabilität.

 

 



Über den Autor

Markus Gotzi

Chefredakteur „Der Fondsbrief“
Tel.: +49 (0) 221 – 97 58 97 75
E-Mail: redaktion@markusgotzi.de

Er ist Träger des Deutschen Journalistenpreises und des Deutschen Preises für Immobilienjournalismus. Viele Jahre lang verfasste der Diplom-Journalist Artikel zu allen Themen rund um die Immobilie und andere Sachwerte in der Financial Times Deutschland. Zudem war Markus Gotzi vier Jahre als Redakteur für das Wirtschaftsmagazin Capital tätig.

Aktuell publiziert er unter anderem in überregionalen Blättern wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und in Branchenmagazinen wie dem Immobilien-Manager. Zudem ist Markus Gotzi Chefredakteur des Fachmediums »Der Fondsbrief«, dem bundesweit auflagenstärksten Newsletter mit Schwerpunkt geschlossene Beteiligungsmodelle und Sachwertinvestitionen.