Green Building 3.0 – Der WELL Building Standard steht vor der Tür

Dr. Thomas Beyerle, Catella Research

Was auf den ersten Blick zunächst etwas für die Schublade „lese ich zwischen Weihnachten und Neujahr“ ist, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als weiteres Element der Metamorphose der Immobilienbranche. Nachdem ULI´s „Healthy places“ in den Startlöchern steht in Deutschland und den Blickwinkel auf den „10 principles for a healthy life“ auf die Stadtplanung lenkt, ist der „WELL Building Standard“ eine weitere Entwicklung innerhalb der sog. „grünen Gebäude Revolution“. Man ahnt es schon – auch dort wird es – wieder – in einer Zertifizierungssystematik inkl. Label enden. Doch letztlich war es nur eine Frage der Zeit, bis man von den „3 Säulen der Nachhaltigkeit“ über die objektspezifischen LEED, BREEAM oder DGNB Zertifizierungswelt auf den Nutzer und sein Wohlbefinden sich fort- und weiterentwickelte. Und wieder ein US-amerikanischer Export.

 

Es hat gerade einmal 7 Jahre gedauert, seit sich LEED, BREEAM und DGNB in die Herzen der Investoren zertifiziert haben. Ging unglaublich schnell, traf ein spezifisches Marktsegment – den Neubau – der Bestand bleibt zahlenmäßig eher außen vor – und hat eine ganze Zertifizierungsindustrie in Lohn und Arbeit gebracht. Irgendwo zwischen Sustainability Diskussion, CO2 Reduktion, neuen Standards und zusätzlichen Kostenelementen welche in den CAPEX vorher gar nicht existent waren. Seitdem werden die meisten Neubauten in den Zentren „zertifiziert“ und viele wollen im Bestandssegment eine neue Fassade, mindestens Ökostrom, auf jeden Fall aber Fahrradstellplätze. Die Sensibilisierung in Sachen Umweltbelange innerhalb unserer Branche hat dramatisch zugenommen. Man darf ein positives Fazit ziehen: die einstmals Grüne Revolution, zunächst skeptisch beäugt, ist in der Realität und Ökonomie punktuell in Immobiliendeutschland angekommen – die Evolution geht von Statten.

 

Jetzt also der Nutzer und sein Wohlbefinden – der WELL Building Standard von Delos Building Wellness. Die Zielrichtung ist klar: Gebäude so zu konzipieren und bauen, dass sie der Gesundheit („health“)und dem Wohlbefinden („wellness“) dienen. Viele Faktoren innerhalb der bebauten Umwelt haben Einflüsse auf die Gesundheit und Produktivität. Genau das darf man auch als rationales Argument anführen um eine überzeugende Argumentation „ob es noch eines neuen Zertifizierungssystems bedarf“ anführen. Ob mit Zahlen der Weltgesundheitsbehörde oder der regionalen Krankenkasse untermauert: die Ausfallkosten pro Büroarbeitsplatz durch Krankheit seines Nutzers sind dramatisch, es entstehen nicht nur unternehmens- sondern letztlich volkswirtschaftliche Verluste. Vorsorge deshalb allenthalben.

 

Das vom International WELL Building Institute (IWBI) erstelle Zertifizierungssysteme vereinigt dabei die Elemente „Air, Water, Nourishment, Light, Fitness, Comfort und Mind“ in den Ausprägungen „Applicable“ und „Achievd“. Ergebnis ist ein Scorewert, der sich zwischen 1 und 10 (Top) bewegt. Für die Kategorie 9 und 10 gibt’s Platin, 7-8 Gold, unter 5 sollte man nochmals grundsätzlich nachdenken um die Früchte zu ernten. Der Profi sieht hier unschwer eine starke Analogie zum amerikanischen LEED System. In der Tat, der praktische Schwenk ist gelungen, der WELL Building Standard ergänzt sich zum bisherigen LEED Green Building Rating System bzw. baut darauf auf. Dieser Systemzusammenhang hebt sich denn auch wohltuend ab, von den sonstigen, überzeugend daherkommenden singulären Insellösungen. Zumindest die erste Phase der „Abwarten wie es sich entwickelt mit der Marktgängigkeit“ wird damit vielleicht übersprungen. Mit der „Core and Shell Compliance“, dem „Tenant Improvment Certification“ und der „New Construction and Major Renovation Certifiction“ trifft man denn auch alte Bekannte aus den vergangenen Zertifizierungsprozessen – sofern man sich für LEED begeistern konnte.

 

Der neuralgische Punkt ist gleichwohl die Frage wie es mit der Standardisierung läuft: Das Wohlbefinden des Einzelnen ist letztlich ein sehr persönliches Erlebnisbündel. Diese individuellen Faktoren zusammenzufassen und eine Normierung einzuführen mag aus europäischer Sicht etwas befremdlich wirken – zumal mit Blick aufs Land des Marlboro Cowboys und Super Size Zuckergetränke. Zumindest mit einem hohen Anspruch, die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse der Gesundheitsforschung, siehe hierzu die hauseigene Publikationsreihe „WELLographies“ einfließen zu lassen in die Bauökonomie, wird deutlich, dass es sich um keine allzu starre Zertifizierungsdoktrin handelt. Noch handelt es sich freilich um eine rein us-amerikanische Entwicklung – die Bandbreite der Projekte deckt allerdings von office, residential- mixed-use, healthcare, retail/restarant, education und student hosusing vieles ab. Wir dürfen deshalb gespannt sein, wenn im Frühjahr 2015 die europäische Kommunikationsoffensive losgeht. Die Frage wird ferner sein, ob mit diesem System ein ähnlicher globaler Zertifizierungsstandard etablieren wird wie bei LEED. Genau darin liegt die Risikokomponente. Doch die starke Fokussierung in der Argumentation „was kostet es und was bringt es in US$ angegeben“, lässt hoffen, dass es sich nicht nur als reines Kostenthema inkl. Weltverbesserungszeigefinger entpuppt worunter viele der gängigen Zertifizierungen – rein ökonomisch betrachtet – noch immer leiden.

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