Immobilienmarkt Italien – Reformen auf dem Weg, aber noch nicht in Kraft

Andreas Wellstein, Immobilien Research DekaBank

In Italien wurden zwar Reformen auf den Weg gebracht, doch in Kraft getreten sind sie bislang nicht. Viele weitergehende Reformen stehen darüber hinaus noch aus. Immerhin erfreut sich Renzi als wahrscheinlich europafreundlichster Politiker Italiens einer ausgesprochen hohen Beliebtheit, die Euroskeptiker Grillo und Berlusconi wurden weit abgehängt. Die Konjunktur kommt dagegen nicht aus der Rezession heraus. Dieses Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt zum dritten Mal in Folge schrumpfen und auch im kommenden Jahr ist nur ein geringes Wachstum zu erwarten.

 

Büromarkt Mailand: Zentrale Lagen robust, Nebenlagen mit hohem Leerstand

 

Der Büroflächenumsatz lag in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich bei gut 200.000 qm. Im ersten Halbjahr 2014 erreichte er 103.000 qm und war damit doppelt so hoch wie im ersten Halbjahr 2013. Die Nachfrage stammte überwiegend von Industrieunternehmen und unternehmensnahen Dienstleistern. Der Anteil von Finanzdienstleistern und auch aus dem TMT-Sektor (Technologie, Medien, Telekommunikation) war weiterhin moderat und blieb deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Jeweils ein gutes Drittel des Flächenumsatzes entfiel auf Semicentro und Peripherie. Flächenkonsolidierung und Kosteneffizienz stand für viele Unternehmen im Vordergrund bei der Anmietung neuer Flächen. Einige Unternehmen nutzten die rückläufigen Mieten in zentralen Lagen, um in günstigere und hochwertigere Flächen zu ziehen.

 

Die Leerstandsquote stieg im ersten Halbjahr 2014 auf 15,8%. Im Centro und Semicentro stehen schätzungsweise zwischen 6 und 10% leer, in den peripheren Lagen teilweise mehr als 15%. Der Leerstand nimmt vor allem in älteren Gebäuden zu, der Anteil von Class A-Flächen am Gesamtleerstand lag zur Jahresmitte nur bei 24%. Das Nettoneubauvolumen (Fertigstellungen abzüglich Abrisse und Umnutzungen) erreichte 2013 einen zyklischen Tiefpunkt nach vier Jahren mit hoher spekulativer Bautätigkeit. Im laufenden Jahr kommen rund 110.000 qm auf den Markt, davon ca. 30% in den beiden neuen Hauptverwaltungen von Alcatel und Nestlé in Vimercate und Milanofiori Nord. Derzeit befinden sich rund 150.000 qm im Bau, davon 30% spekulativ. Zu den größten Bauvorhaben im Stadtgebiet gehören die Überbauung des alten Messegeländes („CityLife“) mit dem Torre Isozaki und dem Torre Hadid, die gegenwärtig als neue Unternehmenszentralen von Allianz und Generali im Gespräch sind. Wir erwarten bis Anfang 2015 einen weiteren Leerstandsanstieg auf über 16%, erst ab 2016 ist mit einem leichten Rückgang zu rechnen.

 

Die Spitzenmiete für Class A-Flächen im Centro hat sich 2013 um 6,2% vermindert und verharrte im ersten Halbjahr 2014 auf dem Niveau von 445 Euro/qm/Jahr. Sie wird im historischen Zentrum sowie im neuen CBD um die Porta Nuova erzielt, allerdings finden in dieser Preisklasse kaum Abschlüsse statt. Im Semicentro, z.B. im Bereich Fiera/Corso Sempione, liegt die Spitzenmiete bei 310 Euro/qm/Jahr. In peripheren Lagen erreichen die Mieten je nach Mikrolage und Gebäudequalität zwischen 140 und 270 Euro/qm/Jahr. Die Differenz zwischen Nominal- und Effektivmieten in den besten Lagen beträgt derzeit etwa 20%. Viele Vermieter sind zu größeren Zugeständnissen bereit, um Leerstand zu vermeiden. Das schwierige wirtschaftliche Umfeld überschattet im kommenden Jahr noch die Mietentwicklung. Wir prognostizieren erst ab 2016 Mietanstiege. Das Mietwachstum zwischen 2016 und 2018 dürfte bei durchschnittlich 2,7% liegen.

 

Einzelhandel spürt die Rezession

 

Der Einzelhandelsumsatz in Italien hat sich zwar im bisherigen Jahresverlauf erholt, ist aber rezessionsbedingt immer noch sehr schwach. Im zweiten Quartal 2014 lag der Zuwachs gegenüber dem Vorjahr bei 0,2% und damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 2%. Die hohe Arbeitslosigkeit und nur sehr geringe reale Lohnzuwächse belasten das Konsumentenvertrauen, das im dritten Quartal erneut einbrach. Internationale Einzelhändler expandieren zwar weiterhin in Italien, allerdings deutlich zurückhaltender als vor der Krise. Die einheimischen Ketten haben ihr Filialnetz konsolidiert. Die Nachfrage konzentriert sich auf gut etablierte Shopping-Center und die 1a-Lagen der größeren Städte im Norden und in der Mitte des Landes. Der Online-Handel gewinnt in Italien an Bedeutung, auch wenn der Anteil am gesamten Einzelhandel noch nicht so groß ist wie in den nördlichen Nachbarstaaten. Mailand und Rom gehören neben London und Paris zu den teuersten Einzelhandelsstandorten Europas. Nach sieben Jahren Stabilität sind die Mieten in den Top-Lagen im dritten Quartal 2014 erstmals wieder gestiegen. Ablösezahlungen („Key money“) für Ladenlokale spielen nach wie vor eine große Rolle. Allerdings hat der wirtschaftliche Druck die Flexibilität der Vermieter auch in Top-Lagen erhöht.

 

Logistikmarkt: Nachfrage und Neubauvolumen im zyklischen Tief

 

Die anhaltende Schwäche der italienischen Wirtschaft schlug sich auch an den Logistikmärkten nieder. Im ersten Halbjahr 2014 erreichte der Flächenumsatz landesweit 300.000 qm. Die Nachfrage konzentrierte sich auf den Großraum Mailand. Die Leerstandsquote betrug zur Jahresmitte 2014 landesweit etwa 5%. Im laufenden Jahr dürfte das Neubauvolumen nur ca. 150.000 qm betragen und damit einen zyklischen Tiefpunkt erreichen. Die Spitzenmieten für Logistikobjekte haben sich weiter vermindert. In Mailand betrug der Rückgang bis zur Jahresmitte 4%, in Rom 5,5%. Kostenersparnis und Rationalisierung werden für viele Unternehmen weiterhin Gründe bleiben, in effektivere Flächen umzuziehen. Mittelfristig erwarten wir aufgrund der Zurückhaltung der Projektentwickler weitere Leerstandsrückgänge und überwiegend stabile Mieten im Top-Segment.

 

Aufbruchsstimmung am Investmentmarkt

 

Das Transaktionsvolumen für gewerbliche Immobilien in den ersten drei Quartalen 2014 summierte sich auf rund 2,9 Mrd. Euro und erreichte damit das Niveau des Vergleichszeitraums 2013. Italiens Investmentmarkt folgt mit zeitlicher Verzögerung Irland und Spanien, wo viele ausländische Investoren bereits im vergangenen Jahr den Wiedereinstieg vollzogen haben. In Italien entfielen bis September 71% des gesamten Investmentvolumens auf Ausländer, 2013 waren es bis dahin nur 35%. Das Finanzierungsumfeld hat sich weiter verbessert. Die Spitzenrenditen gaben in allen Marktsegmenten nach. Die Erholung des Investmentmarktes dürfte sich bis zum Jahresende weiter beschleunigen und auch 2015 fortsetzen. Umfragen unter Investoren zeigen ein deutlich gestiegenes Interesse an allen Marktsegmenten. Daher rechnen wir für 2015 überall mit weiteren Renditerückgängen und frühestens 2017 mit leichten Anstiegen. Im Prognosezeitraum bis 2018 bieten Einzelhandelsimmobilien in 1a-Lagen die besten Ertragsperspektiven vor Logistikobjekten, Shopping-Centern und Bürogebäuden in Toplagen.