Schiffsexperte Niefündt sieht Ende der Krise in Sicht

 In den vergangenen Jahren verbreitete Michael Niefünd negative Nachrichten. Der unabhängige Markt- und Schifffahrtsanalyst untersucht und kommentiert alle halbe Jahre im Marktreport aus dem Fondshaus Hamburg (FHH) die Entwicklungen und Aussichten in der Seeschifffahrt. Nach düsteren Prognosen in den vergangenen Ausgaben blickt er in eine hellere Zukunft – auch wenn die Krise seiner Ansicht nach noch längst nicht komplett überwunden ist.

 „Der Containermarkt ist der Überraschungsgewinner des ersten Halbjahres 2010: Nachdem der Weltcontainerumschlag 2009 um rund neun Prozent gesunken war, wird für das Jahr 2010 insgesamt ein Wachstum von knapp zehn Prozent erwartet. Das entspräche einem Umschlag von rund 500 Millionen Tonnen – und damit fast dem Niveau von 2008.“ So fasst Niefünd die Lage der Containerschiffe zusammen.

Zu den größten Gewinnern zählt er die Panamax-Schiffe mit Platz für 3.500 bis 4.400 Container. Hier stiegen die Charterraten im ersten Halbjahr 2010 – ausgehend vom niedrigsten Niveau seit mehr als fünf Jahren im Dezember 2009 – um durchschnittlich 239 Prozent. Erstmals seit dem Einbruch der Raten freuten sich auch die Eigentümer der Sub-Panamax-Schiffe mit 2.000 bis 2.750 TEU über steigende Einnahmemöglichkeiten. Sie lagen in den ersten sechs Monaten des Jahre um bis zu 138 Prozent der Vorjahreswerte. Nicht ganz so deutlich profitierten kleinere Schiffe von der Raten-Entwicklung. Allerdings waren in dieser Größenklasse die vorangehenden Verluste auch nicht so stark.

 „Die steigenden Raten sind vor allem auf die positive Entwicklung der Weltkonjunktur zurückzuführen, die sich deutlich rascher erholt als erwartet“, begründet Niefünd den positiven Trend. Angetrieben werde das globale Wachstum vor allem von aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie China, Indien und Brasilien. In den asiatischen Häfen geht wieder die Post ab. So legte der Containerumschlag etwa in Singapur um 15,5 Prozent zu. Aber auch die Volumina der Routen zwischen Asien und den USA machten ein Plus von rund 13 Prozent.

 Anteil an der positiven Entwicklung hatte aber nicht nur die wirtschaftliche Erholung, sondern auch das von vielen Reedereien eingesetzte „Extra Slow Steaming“. Die langsam fahrenden Schiffe verknappten das Tonnageangebot und schufen so bis Mai 2010 zusätzliche Beschäftigung für fast 100 Schiffe mit einer Kapazität von insgesamt 554.000 TEU.

 So reduzierte sich die aufliegende Tonnage innerhalb des ersten Halbjahrs um knapp 75 Prozent. Zum Stichtag 21. Juni waren 192 Schiffe ohne Beschäftigung. Ein halbes Jahr zuvor waren es noch 581 Schiffe mit einer Stellplatz-Kapazität von insgesamt rund 1,5 Millionen TEU. Allerdings reichen auch die gestiegenen Raten nichtimmer aus, neben den Betriebskosten auch die Darlehen zu bedienen. Von Ausschüttungen an die Anleger ganz zu schweigen.

 Chinas Stahlhunger bestimmt die Nachfrage nach Erz und Kohle und damit nach Bulkertonnage. Die Schiffe profitierten zudem von Getreide- und Sojaverladungen nach Asien. Der Mangel an Kokskohle ließ die Verladungen der Panamax-Schiffe von der Ostküste der USA nach China auf den höchsten Wert seit 1996 steigen. Seit Mai 2010 gehen die Eisenerz-Importe nach China allerdings zurück, weil die Regierung versucht, Spekulationen am Immobilienmarkt einzudämmen. Das belastet die Stahlpreise. Daher drängt sich die Frage auf, ob die Erholung der Bulkermärkte nur ein Strohfeuer war. Konsequenzen werden außerdem – wie bei den Containerschiffen auch – die kommenden Neubauten haben. Insgesamt steht bei den Bulkern ein Zuwachs von mehr als 1.450 Schiffen mit 121 Millionen Tonnen Tragfähigkeit an. Das entspricht mehr als einem Viertel der bestehenden Flotte.

Erstmals konnte sich der 2009 arg gebeutelte Tankermarkt 2010 wieder erholen. Trotzdem lagen die Raten im ersten Halbjahr noch immer rund 35 Prozent unter dem Schnitt der vergangenen fünf Jahre. Grund dafür ist wohl auch das weiterhin steigende Überangebot: Während nur 72 Schiffe mit 6,4 Millionen Tonnen vom Markt verschwanden, wurden 184 neue Tanker mit einer Kapazität von 21,5 Millionen Tonnen abgeliefert. In der zweiten Jahreshälfte stehen weitere 298 Neubauten mit rund 32,6 Millionen Tonnen zur Auslieferung an.

 Der Ölverbrauch wird grundsätzlich steigen. Davon geht die International Energy Agency (IEA) aus. sie rechnet mit einer Erhöhung der Förderkapazität bis 2015 von täglich 91 Millionen Barrel. Das Nachfragewachstum beziffert die Agentur auf 0,84 bis 1,2 Millionen Barrel täglich. So würde der globale Verbrauch spätestens 2011 das Vorkrisenniveau wieder erreichen.