Fachmarkt-Szene: Vom Billig-Auftritt zur neuen Wertigkeit

Matthias Stich, Projektentwicklung, Beratung bei der IPH Handelsimmobilien GmbH

Der starke Flächenzuwachs in den vergangenen Jahren, gerade auch im Bereich Fachmarktflächen, hat bei gleichzeitig stagnierenden Einzelhandelsumsätzen dazu geführt, dass neben Konzepten auch die Standorte unter Druck geraten sind. Auf diese wirtschaftliche Ausgangssituation müssen sowohl die Einzelhandels­unter­neh­men als auch die Immobilienwirtschaft reagieren.

Im Einzelhandel mit Schwerpunkt Fachmarktbereich sind 2 Trends zu beobachten: Zum einen ist ein deutlicher Trading-up-Prozess bei den Fachmarktkonzepten mit Blick auf die Wertigkeit ihres Marktauftrittes festzustellen. Die früher gültige Auffassung, dass in Fachmarktagglomerationen lediglich der Versorgungskauf getätigt wird und die Konzepte daher auch weniger auf Verweildauer und Atmosphäre Wert legen, scheint überholt zu sein.

Vielmehr wird auch im Fachmarktbereich mehr Wert auf eine anspruchsvolle Ausstattung gelegt. Angefangen bei der technischen Ausrüstung der Shop-Flächen mit z.B. Klimaanlagen, reicht diese über wertig wirkende Materialien für Böden, Decken, Beleuchtungsmitteln bis hin zu breiten Gängen und niedrigen Warenträgern. Dieser Trend ist über alle Branchen, von Lebensmitteln über Drogerie, Textilien bis hin zu Schuhen usw. festzustellen.

Im Zuge dieser Aufwertung des Marktauftritts suchen auch Anbieter verstärkt nach Flächen in Fachmarktlagen, die vor noch nicht allzu langer Zeit überwiegend in Innenstadtlagen oder in großen Shopping-Centern zu finden waren. Ein Beispiel hierfür ist der Wohnaccessoires-Anbieter Depot.

Zunehmende Modifikation des Flächenbedarfs

Der zweite große Trend ist die zunehmende Modifikation des Flächenbedarfs vieler Konzepte sowie die anschließende Anpassung an neue Anforderungen. Viele Konzepte straffen ihre Flächen und gehen von ehemals 800 qm oder mehr auf deutlich kleinere Flächen zurück, um so auf kleinerer Fläche mit höheren Flächenleistungen agieren zu können. Als Beispiel sind hier Konzepte zu nennen, die auf kleiner Fläche eine hohe Flächenproduktivität erwirtschaften. Im Textilbereich ist das die Firma Ernsting´s family, die auf relativ kleiner Fläche gute Umsätze erzielt. Diese Flächenanpassung ist auch im Schuhbereich bei einigen größeren Filialketten festzustellen.

Sowohl im Textil- als auch im Schuhbereich ist aber auch die entgegengesetzte Entwicklung in Richtung deutlich größerer Flächenkonzepte, den sogenannten Mega-Stores, zu beobachten. Hier ist die Firma Schuh Mücke aus Süddeutschland zu nennen, die mit einem umfangreichen Angebot gezielt gegen den Online-Handel antritt. Und während in der Vergangenheit großflächige Textilanbieter überwiegend in den Innenstädten zu finden waren, gibt es mittlerweile viele Fachmarktbetreiber, die Flächen von 3 000 bis 5 000 qm und mehr für Schuhe, Textilien oder Sport suchen.

Die Entwicklung neuer Flächen für diese Konzepte ist regelmäßig nur in Sondergebieten möglich, deren Ausweisung aber auf Grund der Innenstadtrelevanz dieser Sortimente häufig an den Vorgaben der Landesentwicklungsprogramme scheitert. Häufig können diese Fachmärkte daher nur an Standorten mit bestehendem Baurecht, z.B. in ehemaligen SB-Warenhäusern realisiert werden. Wobei darauf hingewiesen werden muss, dass nicht automatisch jedes SB-Warenhaus in einen Textilfachmarkt oder ähnliches umgewandelt werden kann, da die Sortimentsschwerpunkte oft festgelegt sind.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Flächenanforderungen an Fachmärkte heute modifiziert werden, entweder, um die Flächenproduktivität zu erhöhen oder aber um die Fläche selbst als Marketinginstrument zu nutzen, das durch die Größe und die Vielfalt des Angebots ein Alleinstellungsmerkmal bietet.

Ein Standort muss für sich genommen funktionieren

Entsprechend muss sich die Immobilienwirtschaft den neuen Herausforderungen stellen. Denn der Verdrängungswettbewerb im Einzelhandel wirkt sich nicht nur auf die Händler aus, sondern zwangsläufig auch auf die Immobilien. Fällt – wie jüngst mit der Firma Schlecker – ein Mieter aus, lässt sich die leer stehende Fläche nur dann wieder vermieten, wenn der Standort für sich genommen funktioniert.

Dabei kann nicht pauschal gesagt werden, wann ein Standort funktioniert und welche Branchenmixqualität ein nachhaltiges Funktionieren gewährleisten kann. Vielmehr müssen jeder Standort und jede Lage individuell untersucht werden und im Anschluss daran an die Nachfrage sowie den Wettbewerb angepasst werden. Wichtig ist es, Alleinstellungsmerkmale zu finden, Angebote zu bündeln und dem potenziellen Kunden ein Vorteilsversprechen zu geben, so dass sich dieser zugunsten des Standorts und gegen Wettbewerber entscheidet.

Gemeinsame Werbung ist bei Agglomerationen wichtig

Das Vorteilsversprechen kann beispielsweise in einer Clusterbildung, der Anzahl unterschiedlicher Anbieter, im Branchenmix, in der Anzahl der Stellplätze oder aber auch in der Erreichbarkeit usw. bestehen. In der Regel erzeugt erst die richtige Kombination unterschiedlicher Aspekte das Alleinstellungsmerkmal, das letzten Endes den wirtschaftlichen Erfolg eines Standorts sichert. Dabei müssen sich Fachmarktagglomerationen – unabhängig von der Art der Anordnung (Centerform oder lose Agglomeration) – im Gegensatz zu den innerstädtischen 1a-Lagen ihre Frequenz in der Regel alleine schaffen. Fehler in der Planung, insbesondere beim Branchenmix, wirken sich daher viel stärker aus als in den 1a-Lagen der Oberzentren.

Auch das Thema Marketing gewinnt im Fachmarktbereich immer mehr an Bedeutung, insbesondere im Hinblick auf gemeinsame Werbung für einen Standort. Allerdings besteht bei organisch gewachsenen Agglomerationen – nicht zuletzt auf Grund der heterogenen Eigentümersituation – häufig die Schwierigkeit, einen gemeinsamen Nenner für gemeinsame Aktionen zu finden. Gemeinsame Maßnahmen sind in einheitlich geplanten Anlagen sowie in kleinen Centern besser zu steuern. Hierfür gilt es aber bereits in der Entwicklungsphase die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen und beispielsweise in den Mietverträgen Klauseln für ein Management und für Werbegemeinschaften vorzusehen.

Wir müssen bei unserer täglichen Arbeit immer häufiger feststellen, dass Center, die unter dem neuen Kunstbegriff „Hybride Malls“ zusammengefasst werden könnten, nur dann ihr Einzugsgebiet optimal erschließen und damit ihr Umsatzpotential heben können, wenn ein gemeinsamer Marktauftritt gewährleistet ist.

Was wird in Zukunft noch funktionieren? Welche Standorte werden sich durchsetzen? Wenn wir einen Blick in die Glaskugel wagen wollen, so gehen wird davon aus, dass insbesondere die Agglomerationen gut funktionieren werden, in denen sich die Eigentümer auf eine gemeinsame Vermarktung – insbesondere im Hinblick auf einen ausgewogenen Branchenmix und gemeinsame Marketingmaßnahmen – einigen können.

Außerdem werden sich kleinere Einheiten, die sich insbesondere auf die Nahversorgung fokussieren, am Markt behaupten können – vorausgesetzt, dass sie am richtigen Standort (Stichwort: Erreichbarkeit) sind, da diese den Grundbedarf der Bevölkerung decken und somit – eine stabile Bevölkerungsstruktur unterstellt – auf ein stabiles Marktpotenzial zurückgreifen können.