Fachmarktimmobilien: Im Zeichen der Qualität

Der Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung wächst, die Kunden wollen auch beim Lebensmitteleinkauf mehr Erlebnis und die Städte wollen schöne Einkaufsstätten und mehr Integration. Das bot viel Stoff für den 3. Deutschen Fachmarktimmobilien-Kongress in Wiesbaden.

Griffige Werbeslogans von Media Markt und Saturn wie „Geiz ist geil“ oder „Wir können nur billig“ spiegelten die Stimmung vieler deutscher Konsumenten in den Krisenjahren 2002/03 wider – nach dem schnellen Ende des Internethypes. Sie brachten aber auch den Geist des Einzelhandels im Discounter-Paradies Deutschland auf den Punkt. Und diese Einstellung prägte die Architektur der Fachmärkte, der klassischen Vertriebsmaschine des diskontierenden Einzelhandels. „Eine Kultur des Schnäppchen-Machens überträgt sich immer öfter auf Planungskonzepte und damit auf das äußere Erscheinungsbild“, so Thomas Mattesich, Geschäftsführer ATP Architekten und Ingenieure in München.

Seit 2005, so berichtet Oliver Schmitz, Division Manager GfK Living & Retail, spielt das Thema Qualität im Einzelhandel aber wieder eine größere Rolle. Der Anteil an der Werteskala der Verbraucher ist 2010 auf 46% gestiegen. Dieser Trend ist laut Schmitz auch bei den preisbewussten Fachmarktkunden zu erkennen.

Auch der Discounter Penny, der 2010 in die roten Zahlen gerutscht war, setzt bei der Neupositionierung nicht allein auf den Preis, bislang so ziemlich das einzige Marketinginstrument der Discounter. Konkrete Informationen wollte Dietmar Burtzlaff, Bereichsleiter Expansion/kaufmännisches Immobilienmanagement bei der Penny Markt GmbH, über das neue Konzept noch nicht geben, aber so viel: dass die Sortimente neu gewichtet und neu präsentiert würden. Dabei wird die Obst- und Gemüseabteilung deutlich vergrößert und mehr regionale Produkte sollen ins Sortiment.

Da Penny eine völlig neue Marketingstrategie fahren will und das Betreiber-Modell verändern wird, sollen laut Burtzlaff auch die Standorte – resp. die Immobilien – aufgewertet werden. Darüber wird der Discounter mit seinen Vermietern reden.

Das Interesse der Kunden an mehr Qualität und ihre Bereitschaft, mehr Geld für höherwertige Produkte auszugeben, trägt zur Ertragssteigerung der Lebensmittelhändler bei und eröffnet ihnen damit den finanziellen Spielraum, mehr Geld in die Gestaltung der Verkaufsflächen („point of sale“) zu investieren. Und das wiederum eröffnet den Spielraum für einen höheren Anspruch an die Architektur von Fachmärkten und Fachmarktzentren.

In seinem Vortrag „Placemaking – Eine neue Herausforderung für Fachmärkte“, erinnert Prof. Wolfgang Christ, Vorsitzender des Beirates Urban Index Institut GmbH, Darmstadt, an die anspruchsvolle Philosophie alter Warenhaus-Gründer wie Leonhard Tietz (Kaufhof), der mit seiner Immobilie an der Düsseldorfer Königsallee (Foto: Kaufhof) einen „künstlerischen Wert schaffen“ wollte. Von solchen Meisterwerken sind Fachmärkte und Fachmarktzentren noch weit entfernt. Und hier eröffnet sich unter dem Aspekt der Stadtentwicklung noch großes Revitalisierungspotenzial. So verweist auch Joachim Stumpf, Geschäftsführer der BBE Handelsberatung, auf den bestehenden Revitalisierungsbedarf bei Möbelmärkten,  Fachmärkten, Kauf- und Warenhäusern sowie Geschäftshäusern. „Der Engpass für neue Standorte oder die Revitalisierung von Bestandsstandorten ist das Baurecht“, gibt Uwe Seidel, geschäftsführender Gesellschafter von Dr. Lademann & Partner und Moderator des 1. Veranstaltungstags dabei zu bedenken. Jedes 2. Projekt eines ansonsten tragfähigen Refurbishments scheitere daran, dass das Baurecht an den Standorten eng auf die Ursprungsnutzung zugeschnitten sei.

Wie Christ in seinem Vortrag in Erinnerung rief, wurde vor etwa 1 000 Jahren alle 4 bis 6 Wochen eine neue Stadt gegründet, die zunächst nicht viel mehr war, als ein Standort für Handel – kurz gesagt: ein Markt. Wenn man bedenkt, dass Nahversorgungs- und Fachmarktzentren gerade in den Klein- und Mittelstädten als Marktplatz die neuen Innenstädte bilden, dann verdeutlicht das aus seiner Sicht, welche Ansprüche an die Architektur solcher Ansiedlungen zu stellen sind, die mehr bieten müssen als quadratische Immobilien für den Versorgungskauf. Laut Christ sind jedoch viele Städte und Gemeinden auf den Boom der Fachmärkte noch nicht eingerichtet.

Nachdem in den 1980er-Jahren viele SB-Warenhäuser, Verbrauchermärkte und Heimwerker- sowie Elektrofachmärkte auf die grüne Wiese oder in Randlagen gezogen waren, weil in den Cities für die wachsenden Sortimente kein Platz war, ist Karl von der Lohe, Geschäftsführer Treveria Asset Management GmbH, davon überzeugt, dass die neuen Zentren neben den obligatorischen Ankermietern, dem Lebensmitteleinzelhandel , auch immer mehr die Innenstädte abbilden sollten.

Fachmarktzentren bilden oft die neue Innenstadt

So zieht es nach seiner Erfahrung zunehmend auch typische Innenstadt-Konzepte wie Hennes & Mauritz in Fachmarkt-Lagen. Ideal sei auch die Beimischung eines Schuhgeschäfts. Auch Elektrofachmärkte könnten Ankerfunktion übernehmen, ein Discounter und ein Drogeriemarkt sind sehr wichtig sowie andere Fachmärkte wie Tiernahrung etc. Immer wichtiger wird auch eine gute Gastronomie für die Aufenthaltsqualität.

Mit Blick auf die Tatsache, dass der Anteil älterer Kunden bereits ein Drittel der Fachmarktkundschaft (im Nonfood-Bereich) ausmacht, ist es laut GfK-Manager Schmitz notwendig, deren Bedürfnisse – etwa nach Ruhezonen und Sitzgelegenheiten – zu berücksichtigen. Das stellt höhere Ansprüche an den Verkaufsraum. Aus Sicht von Florian Lauerbach, Geschäftsführer des Fondsspezialisten für Handelsimmobilien, ILG Fonds GmbH, will der Kunde beim Einkauf generell mehr Erlebnis. Das  ist  bei großflächigen Märkten und Agglomerationen besser realisierbar als bei Einzelmärkten.

Die aufgezeigten Trends bringen die Hybriden Malls ins Spiel, die typische Fachmarktangebote mit dem Sortiment des klassischen Shopping-Centers und Gastronomie kombinieren und dabei auch Wert auf eine anspruchsvolle Architektur legen, wie Thomas Kuhlmann, Vorstand der Hahn-Immobilien-Beteiligungs AG, betont. Die wiederum steigere die Attraktivität dieser Anlageklasse.

Überhaupt sind Agglomerationen nach seiner Erkenntnis bei Investoren heute sehr beliebt. Allerdings bieten aus Kuhlmanns Sicht auch Stand-alone-Märkte (Einzelmärkte) gute Renditen, wenn es sich um einen guten Standort handelt. Und wie auch Lars Heese, Geschäftsführer der Hahn Fonds Investment GmbH, betont, können beide Gattungen erfolgreich sein, wenn die Standorte gut sind.

Raum für die Entstehung Hybrider Malls bieten derzeit die leer stehenden Hertie-Warenhäuser mit ihren guten Innenstadt-Lagen. Mit Blick auf die Renaissance der großen Städte als Wohnstandorte bietet sich dem Lebensmitteleinzelhandel und den typischen Fachmärkten damit die Chance, in die  integrierten Lagen zurück zu kehren. Die Hahn-Gruppe hat an der Fußgängerzone in Erkrath ihre 1. Hybride Mall entwickelt und ist offen für weitere Projekte.

Auf dem Investmentmarkt für Fachmärkte und Fachmarktzentren treten laut von der Lohe vor allem internationale Investoren und große Family Offices auf. Für den Australier Miles Stephenson, CEO der Garigal Asset Management GmbH, ist der deutsche Immobilienmarkt interessant, weil es hier keine Übertreibungen wie in anderen europäischen Ländern gab und gibt. Das „Risk-Return-Verhältnis“ sei sehr günstig. Hahn-Vorstand Kuhlmann verweist zudem darauf, dass Versicherungen und Pensionskassen, die bislang vornehmlich in Büros investiert sind und damit ein Klumpen-Risiko haben, für sich in punkto Handelsimmobilien noch Nachholbedarf sehen. Brigitte van der Jagt-Buitink, Geschäftsführerin der Charter Haus Real Estate, sieht für ihr Unternehmen hierzulande noch gute Chancen für schwierige Redevelopment-Projekte. Die Städte wird’s freuen.

Laut Hubert Sevening, Leiter Einzelhandelsinvestment bei Jones Lang LaSalle in Frankfurt, liegen die Renditen für Fachmarkzentren mit 6% über anderen Anlageklassen. So verweist Kuhlmann darauf, dass der Abstand zu Shopping-Centern (etwa 5%) und Büros (gleichfalls 5%) immerhin bei einem Prozentpunkt liegt. In Mittelzentren, wo Fachmärkte und Fachmarktzentren oft die Versorgungsfunktion für die umliegenden Gemeinden übernehmen, kann der Abstand laut Kuhlmann sogar bei 1,5 bis 2 Prozentpunkten liegen.

Obwohl das Interesse der Investoren an Fachmarkt-Produkten steigt, sieht  ILG-Geschäftsführer Lauerbach noch keine Übertreibungen wie vor einigen Jahren, als das 15- und 16-Fache der Jahresmiete gezahlt wurde, Preise die aus Sicht von Experten für dieses Produkt zu hoch sind.

Mit der Frage, welche Synergie-Effekte entstehen, wenn kommunale Nutzungen in Handelsentwicklungen integriert werden, beschäftigte sich Harald Ortner, Geschäftsführer HBB (Hanseatische Betreuungs- und Beteiligungsgesellschaft). Immer mehr Kommunen wollen heute auch Wohnungen, Kinos oder Hotels in die Handelsimmobilien integriert haben. „Deshalb muss man sich als Investor fragen: Was ist machbar?“ Bei der Kombination von kommunalen Einrichtungen wie Bibliotheken und Shopping-Centern mit gemeinsamem Eingang spielen aus Ortners Sicht etwa die unterschiedlichen Öffnungszeiten eine wichtige Rolle. In Remscheid forderte die Stadt bei der Entwicklung eines Fachmarkzentrums, dass das Objekt durch eine Rasenrampe eine Verbindung zwischen Innenstadt und Südstadt herstellt. Das Zusammenwachsen von Stadt und Handel stellt also ganz neue Anforderungen.