Investmentmarkt Europa – Retail Assets als wenig volatile Anlage geschätzt

 

 

Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin „Handelsimmobilien Report“

Nach einem Rekordjahr 2015 entwickelt sich der europäische Markt für Handelsimmobilien bislang eher moderat. Mit einem Transaktionsvolumen von 10,1 Mrd. Euro im ersten und 12,8 Mrd. Euro im zweiten Quartal summiert sich der Halbjahreswert 2016 auf 22,9 Mrd. Euro – nach 33 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum. Das mangelnde Angebot in dieser Anlageklasse, aber auch die Unsicherheit und die Volatilität in den globalen Märkten lassen die Investoren laut CBRE zögerlicher agieren und die Verkäufer darauf warten, dass das Vertrauen der Anleger zurückkehrt.

„Die europaweite Entwicklung ist vor allem auf die Normalisierung in Deutschland und Großbritannien zurückzuführen, die 2015 außergewöhnlich hohe Portfolio-Transaktionen verbuchten“, kommentiert der Immobiliendienstleister JLL, den moderaten Start. Nach 19,9 Mrd. Euro in Großbritannien und 18,5 Mrd. Euro in Deutschland im Gesamtjahr 2015, verliefen die Starts mit Volumina von gut 6 Mrd. Euro auf der Insel und 4,5 Mrd. Euro (CBRE) hierzulande im ersten Halbjahr zurückhaltender als im Vorjahr. Der Schwerpunkt der Aktivitäten entfällt dabei auf regionale Städte außerhalb von London (79%) und den 6 deutschen Metropolen (78%).

Dabei zeigt sich auch, dass das Votum der Briten für den Austritt aus der EU auf dem Markt für Retail Assets bislang kaum Spuren hinterlassen hat und Großbritannien der größte Markt in Europa bleibt, vor Deutschland auf Platz 2. Erst die Entwicklung in der zweiten Jahreshälfte wird Gewissheit über die Folgen des Brexits bringen. In Deutschland erwarten die Experten im weiteren Jahresverlauf eine deutliche Belebung des Investmentmarkts, vor allem im Segment Fachmärkte und Fachmarktimmobilien, so dass Jan Dirk Poppinga, Head of Retail Investment bei CBRE am Jahresende noch ein Transaktionsvolumen im zweistelligen Milliarden-Bereich für möglich hält.

In Europa wurden in den ersten 6 Monaten laut JLL 20,7 Mrd. Euro in europäische Shopping-Center und Fachmarktprodukte investiert, 19% weniger als im Vergleichszeitraum des Rekordjahres 2015. Gemessen am Mittelwert seit 2012 sei das aber immer noch ein Plus von 15%. In europäische Gewerbeimmobilien wurden im ersten Halbjahr 2016 laut Cushman & Wakefield 109 Mrd. Euro investiert.

Außerhalb der Top-Märkte Großbritannien und Deutschland stieg das Transaktionsvolumen mit Shopping-Centern und Fachmarkt-Produkten laut JLL dagegen um 14 %, wobei sich die Aktivitäten auf Österreich, Italien, die Schweiz, Frankreich und vor allem Irland konzentrierten. So erreichte die Insel insbesondere durch den Verkauf des Blanchardstown Shopping Centers für 950 Mio. Euro durch Green Property an die US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft Blackstone im zweiten. Quartal laut CBRE ein Transaktionsvolumen von 1,8 Mrd. Euro. Mit 150 000 qm ist Blanchardstown das größte Einkaufszentrum Irlands. Der Deal war europaweit die größte Transaktion des ersten Halbjahres.

Beachtlich waren auch die 1,9 Mrd. Euro, die allein im zweiten Quartal in die Länder Mittel- und Osteuropas (CEE) investiert wurden. Das war drei Mal so viel wie im zweiten Quartal des Vorjahres. Vor allem die 75%ige Beteiligung des südafrikanischen REITs Redefine Properties Ltd. an Echo Investments in Polen dominierte das Geschäft in der Region. Für die Südafrikaner war das die erste Investition in der CEE-Region. Ihr Ziel: Die regionale Diversifizierung voranzutreiben und von den attraktiven Renditen in den Märkten zu profitieren, wie CBRE in seinem Marktüberblick schreibt. Zudem eröffnet die Beteiligung an einem polnischen Partner mit guter Shopping-Center-Pipeline noch Wachstumsperspektiven. In den ersten 6 Monaten summierte sich das Volumen auf 2,4 Mrd. Euro.

In den skandinavischen Ländern sticht vor allem Finnland hervor: Der Kauf des Forum Shopping Center Komplex in Helsinki durch den finnischen Immobilien-Investor Sponda plc war mit 576 Mio. Euro im ersten Quartal 2016 die größte Transaktion in Europa. Im ersten Halbjahr summierte sich das Transaktionsvolumen in den skandinavischen Ländern auf rund 2,8 Mrd. Euro.

Moderate Mietsteigerung in europäischen Städten

Während der Vermietungsmarkt in Deutschland mehr oder weniger auf hohem Niveau stagniert – Mietsteigerungen gab es zuletzt nur in 8 der von Comfort untersuchten 146 Städten -, wuchs der CBRE EMEA Prime High Street Rent Index im zweiten Quartal noch mit durchschnittlich 1,8%, allerdings etwas langsamer als im ersten Quartal mit 2,1%. Getrieben wird die Entwicklung in Westeuropa aus Sicht der Autoren von dem Wunsch vieler Einzelhändler, sich vor allem in den Top-Einzelhandelslagen anzusiedeln. Und hier ist das Flächenangebot knapp. Die Abschwächung der Wachstumsrate begründen sie mit der zunehmenden Unsicherheit im Markt.

Trotz Brexit-Votum mit all seinen Unwägbarkeiten sind laut CBRE im 2. Quartal die Mieten in den Top-Lagen des Londoner Westends gestiegen. Bedingt durch die wachsende Nachfrage nationaler und internationaler Einzelhändler nach Verkaufsflächen in den Top-Lagen von Madrid und Barcelona sind hier die Mieten um 5% resp. 3% gestiegen. Nachdem sich die spanische Wirtschaft zunehmend von der Krise erholt, zeigt sich auch der Einzelhandel sehr aktiv.

Das insgesamt aber abnehmende Interesse des Einzelhandels an neuen Flächen in Europa spiegelt sich laut CBRE darin wider, dass der EMEA Prime Shopping Centre Rent Index im zweiten Quartal nur noch um 0,36% gewachsen ist.

Gleichwohl bleibt das Interesse insbesondere der institutionellen Eigenkapitalgeber an Retail Assets unvermindert groß. In Verbindung mit dem knappen Angebot in dieser Anlageklasse lässt sich das an den weiter nachgebenden Spitzenrenditen bei Geschäftshäusern in den Top-Lagen der europäischen Metropolen ablesen, die laut CBRE-Marktbericht im zweiten Quartal erneut um 4 Basispunkte von 4,17% auf durchschnittlich 4,13% nachgegeben haben. Im dritten Quartal 2015 hatte der Wert noch bei 4,35% gelegen. Bei Top-Shopping-Centern durchbrachen die Spitzenrendite europaweit zudem die 5-Prozent-Marke und sanken im Zeitraum von April bis Juni um weitere 5 Basispunkte auf 4,96%, wobei die Werte je nach Land stark voneinander abweichen dürften. Im dritten Quartal 2015 hatten die Renditen noch bei durchschnittlich 5,13% gelegen.

Dass sich der Schwerpunkt der Shopping-Center-Neuentwicklungen auf Osteuropa konzentriert, wobei allein Russland für 28% der Center-Fläche im Bau steht, liegt angesichts der niedrigen Ausstattung mit Verkaufsfläche in der Region auf der Hand. Insgesamt ist die Shopping-Center-Pipeline laut CBRE zuletzt aber deutlich kleiner geworden und der Schwerpunkt liegt heute vor allem auf der Erweiterung und Revitalisierung von Bestandsobjekten. Am deutlichsten zeigt sich das auf dem britischen Markt, wo Revitalisierungen und Erweiterungen in den nächsten Jahren nach Feststellung der Experten etwa 50% der Fertigstellungen ausmachen werden.

Trotz wachsender Unsicherheit in der globalen Wirtschaft sind die Autoren überzeugt, dass dies dem Verbrauchervertrauen in Europa keinen Dämpfer versetzen wird und die Ausgaben im Einzelhandel steigen. Gleichzeitig würden sich die Investoren wieder stärker auf Core-Objekte fokussieren, so dass sich der Rendite-Abstand zwischen Prime-Immobilien und Objekten in B- und C-Städten vergrößert. Top-Retail Assets würden Risiko-aversen Investoren aber einen signifikanten Mehrwert bieten.

„Investments in europäische Einzelhandelsimmobilien stehen weiterhin hoch im Kurs bei institutionellen Investoren“, bestätigt auch Sandra Ludwig, Head of Retail Investment bei JLL Germany: Der Einzelhandel in Europa werde als stabile und wenig volatile Anlage angesehen und gelte daher auch als „sicherer Hafen“.

Allerdings gilt es die bestehenden regionalen Unterschiede zu berücksichtigen. Hohes Mietsteigerungspotenzial sehen die CBRE-Experten noch in den risikoreichen Märkten von Russland und Ungarn. Für die Top-Einkaufsstraßen der angesagten westeuropäischen Metropolen sehen sie auch noch Mietsteigerungen, allerdings bei eher niedrigen Spitzenrenditen.