Theo Albrecht – ein Revolutionär des Lebensmittelhandels

Mit Theo Albrecht ist ein Unternehmer gestorben, der – gemeinsam mit seinem älteren Bruder Karl – den Einzelhandel verändert hat, wie kaum ein anderer Einzelhändler. Dabei kann nicht mehr geklärt werden, ob die beiden Brüder, die eine ganze Vertriebslinie erfunden haben, nun ein besonderes Gespür für die ausgeprägte Sparsamkeit der Deutschen hatten, oder ob sie mit ihrem Personal sparenden Konzept in spartanischem Ambiente den deutschen Konsumenten zum Pfennig-Fuchser erzogen haben.

Jedenfalls haben sie den deutschen Lebensmittelmarkt mit ihrer atemberaubenden Expansion vor allen in den 1980er-Jahren gewaltig unter Druck gesetzt und zweifellos auch maßgeblich dazu beigetragen, dass der Lebensmitteleinzelhandel hierzulande insgesamt sehr preisaggressiv ist und mit niedrigen Spannen kalkuliert. Der deutsche Einzelhandel gilt als einer der härtesten der Welt.

Das Konzept der Albrecht-Brüder ist relativ einfach: Sie konzentrierten sich auf ein schnell drehendes, kleines  Sortiment aus Grundnahrungsmitteln sowie auf saisonale Nonfood-Produkte und setzten dabei auf Handels- bzw. Eigenmarken, die preisgünstiger sind als die teuer beworbenen Produkte namhafter Markenhersteller. Hinzu kam, dass sie für ihre Discounter nur kleine Verkaufsflächen mit weniger als 800 qm benötigten und deshalb durch die Novelle von § 11,3 BauNutzungsverordnung, die größere Flächen reglementiert, weiter expandieren und die größeren Super- und Verbrauchermärkte massiv unter Druck setzen konnten.

Unter diesem Druck der Konkurrenz entwickelten die Vollsortimenter im deutschen Lebensmitteleinzelhandel wie Edeka, Rewe oder Tengelmann für ihre Super- und Verbrauchermärkte sowie SB-Warenhäuser entsprechende No-Name-Produkte – oder auch „Die Weißen“ genannt -, die sich auf dem Aldi-Preis-Niveau bewegen. Inzwischen sind diese Discount-Produkte mit dem Namen „ja!“ bei Rewe oder „Gut und Günstig“ bei Edeka zu regelrechten Marken avanciert, mit denen sich die Vollsortimenter gerade in der aktuell von einer niedrigen Inflationsrate geprägten Zeit gut gegen die Discounter behaupten können. So registrierte die GfK in ihrem ConsumerScan, dass die Supermärkte, die in den vergangenen Jahren massiv unter Druck gestanden hatten, wieder an Boden gewinnen konnten.

Verschiebungen innerhalb des Discount-Segments

Gleichzeitig entwickelten die Lebensmitteleinzelhändler weitere Eigenmarken, die preisgünstiger als die Markenprodukte sind, und suchten durch den Aufbau eigener Discount-Schienen ihre Marktposition gegenüber Aldi zu verteidigen. Die Strategie: Um sich gegen das Eigenmarken-Konzept von Aldi abzugrenzen, setzten die Wettbewerber Lidl (Schwarz-Gruppe) Penny (Rewe) und Netto (Edeka) in ihrem Sortiment stärker auf Markenprodukte, die sie unter den üblichen Marktpreisen verkaufen, und werden deshalb auch unter dem Begriff „Marken-Discounter“ zusammengefasst. Sie erreichen zusammen laut GfK einen Marktanteil von  44 bis 45%, sind damit hierzulande aber nur halb so groß wie die Kette von Karl und Theo Albrecht, die ihr Unternehmen im Jahr 1961 in Aldi Nord (Theo) und Aldi Süd (Karl) aufgeteilt hatten. Aldi profitiert hierzulande zweifellos von seinem Status „Das Original“ zu sein und erlangte Kultstatus, auch bei jungen Leuten, obwohl Aldi weitgehend auf die ansonsten begehrten Markenprodukte verzichtet.

Verschiebungen gibt es in der jüngsten Vergangenheit jedoch innerhalb des Discount-Segments. So hat Primus Aldi das Filialnetz zuletzt optimiert und Märkte geschlossen und Kunden an Wettbewerber verloren. Laut GfK ging der Marktanteil von Aldi 2009 um 0,5 Prozent zurück, während die Marken-Discounter, Marktanteile hinzu gewinnen konnten. Die Wettbewerber Lidl, Netto und Penny sehen für sich noch Chancen und setzen weiter auf Expansion.

Mit ihrer Expansion im westeuropäischen Ausland taten sich die verschwiegenen Kaufleute aus Essen (Theo) und Mülheim/Ruhr (Karl) zunächst nicht so leicht. In Großbritannien waren zwei Anläufe nötig, um Fuß zu fassen. Und auch bei den Franzosen, die viel Wert auf gutes Essen und Lebensart legen, fand das Konzept der Deutschen mit dem spartanischen Ambiente und dem Verkauf aus dem Karton zunächst wenig Anklang. Doch Menschen mit geringem Einkommen, die sparen müssen, gibt es auch in Frankreich und überall in Westeuropa.

Mit seinem Ansatz, ein vielfältiges Angebot zu günstigen Preisen zu bieten, findet Aldi dafür umso mehr Anklang im Kaufkraftschwachen Osteuropa, wo die Marke hinlänglich bekannt ist. So sprach der damalige Ministerpräsident von Rumänien, Adrian Nastase, während seiner Deutschlandreise im Jahr 2001 eine ausdrückliche Einladung an die verschwiegene Händlerfamilie aus, auch in seinem Lande zu investieren: „Aldi mit seinem niedrigen Preisniveau wäre sehr wichtig für uns.“

In 18 Ländern sind Aldi Süd und Aldi Nord inzwischen vertreten. Rumänien gehört noch nicht dazu. In Osteuropa hat sich der Discounter bislang nur in den etablierten Märken Polen, Ungarn und Slowenien etabliert. Die Rumänen müssen noch warten.