§ 6b EStg neu geregelt – Letzte Gelegenheiten für Fondszeichner

Ludwig Nickl

Ab November ist Schluss mit Fonds-Übertragungschancen für 6b-Rücklagen. In seiner Sitzung am 09.07.2010 ist der Deutsche Bundesrat einer entsprechenden Empfehlung des Finanzausschusses gefolgt und hat eine Änderung des § 6b EStG beschlossen, die einschneidende Auswirkungen für so genannte § 6b-Fonds entfalten wird.

So dürfte es nur noch bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung am Tag der Verkündung des Jahressteuergesetzes 2010 – voraussichtlich im Spätherbst 2010 – nach bekanntem Muster möglich sein, § 6b-Rücklagen steuergünstig auf entsprechend konzipierte Geschlossene Fonds zu übertragen.

§ 6b EStG bzw. für Freiberufler § 6c EStG eröffnen Steuerpflichtigen die Möglichkeit, Gewinne aus der Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens steuerfrei in eine so genannte § 6b-Rücklage einzustellen und diese Rücklage innerhalb von vier Jahren ebenfalls steuerfrei auf neu angeschaffte oder hergestellte Ersatzwirtschaftsgüter zu übertragen. Durch die Bildung der Rücklage kann der Steuerpflichtige den beim Verkauf erzielten Gewinn neutralisieren und so eine sofortige Steuerzahlung vermeiden. Bei der späteren Übertragung der Rücklage auf ein geeignetes Ersatzwirtschaftsgut werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten dieses Ersatzwirtschaftsguts um den Betrag der aufzulösenden Rücklage gemindert. Diese buchhalterische Verringerung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten hat eine entsprechende Reduzierung der AfA-Bemessungsgrundlage für das Ersatzwirtschaftsgut zur Folge. Die hieraus resultierenden, geringeren laufenden Abschreibungen führen zwar zu höheren Steuerbelastungen während der Nutzungs- und Abschreibungsdauer des Ersatzwirtschaftsguts im Vergleich zum Ansatz der „eigentlichen“ AfA-Bemessungsgrundlage. Der Liquiditäts- und Zinsvorteil aus der Vermeidung der sofortigen Versteuerung des Veräußerungsgewinns wiegt diese sukzessiven Mehrbelastungen jedoch bei weitem auf.

Was jedoch, wenn der Steuerpflichtige in seinem eigenen Betrieb kein geeignetes Ersatzwirtschaftsgut anschafft oder herstellt, auf das er eine § 6b-Rücklage steuergünstig übertragen kann? Abhilfe konnten hier seit vielen Jahren die so genannten § 6b-Fonds einiger spezialisierter Initiatoren Geschlossener Beteiligungsfonds schaffen. Die gewerblich geprägte Fonds-KG erwirbt hierbei – wie ein „normaler“ Geschlossener Immobilienfonds – etwa eine Büro-, Hotel- oder Logistikimmobilie. Im Rahmen seiner Fondsbeteiligung kann der Steuerpflichtige nach bisheriger Rechtslage sodann die in seinem Betrieb gebildete § 6b-Rücklage auf seinen Fondsanteil, präzise ausgedrückt auf die ihm im Rahmen seines Fondsanteils wirtschaftlich zuzurechnenden Fondsobjekte, übertragen. Aufgrund der regelmäßig sehr hohen Fremdfinanzierungsquote auf Ebene der Fondsgesellschaft sind hierbei häufig Übertragungsfaktoren von 400% und mehr bezogen auf die Zeichnungssumme der Fondsbeteiligung möglich. Eine Beteiligungssumme von 100.000 Euro würde dem Steuerpflichtigen somit die Übertragung einer § 6b-Rücklage in Höhe von 400.000 Euro ermöglichen. Die nachhaltigen Liquiditäts- und Zinsvorteile einer solchen Übertragung mag folgendes, stark vereinfachtes Beispiel illustrieren:

Ein Steuerpflichtiger veräußert eine viele Jahre in seinem Betriebsvermögen gehaltene Immobilie. Der Veräußerungserlös von 1.000.000 Euro übersteigt den bilanzierten Buchwert von 400.000 Euro bei weitem. Dies mag etwa der Fall sein, wenn ein Produktionsunternehmen ein Betriebsgelände verkauft, das – früher noch „auf der grünen Wiese“ – heute von dem sich ausdehnenden Stadtgebiet umschlossen wird oder ein Landwirt Grünflächen als Bauerwartungsland losschlägt. Der Gewinn von 600.000 Euro würde bei durchgehender Anwendung der Spitzenprogression eine sofortige Steuerzahlung von rund 300.000 Euro auslösen. Wählt der Steuerpflichtige hingegen einen geeigneten § 6b-Fonds mit einem Übertragungsfaktor von 400% aus, könnte er den gesamten Veräußerungsgewinn (§ 6b Rücklage) mit einer Zeichnungssumme von 150.000 Euro auf die ihm zuzurechnende, anteilige Fondsimmobilie transferieren. Einschließlich des üblichen Agios von 5% wäre die Fondszeichnung mit einem Liquiditätsabfluss in Höhe von 157.500 Euro verbunden, also stolze 142.500 Euro weniger, als im Falle einer sofortigen Versteuerung des Veräußerungsgewinns. In der Folgezeit partizipiert der Steuerpflichtige dann auch noch an den laufenden Ausschüttungen des Fonds und dem abschließenden Liquidationserlös.

Doch mit dieser lieb gewonnenen Praxis ist es schon bald vorbei. Mit der eingangs zitierten Gesetzesänderung wird eine zusätzliche Einschränkung in § 6b EStG aufgenommen, die die steuerneutrale Rücklagen-Übertragung auf einen § 6b-Fonds für alle heute üblichen Konstellationen weitgehend ausschließen wird. Nach der Neuregelung ist die Übertragung einer § 6b-Rücklage auf ein Ersatzwirtschaftsgut nur noch dann zulässig, wenn dieses nicht zur Vermietung oder Verpachtung genutzt wird, es sei denn, auch das veräußerte Wirtschaftsgut wurde während der letzten sechs Jahre seiner Betriebszugehörigkeit durchgehend ebenfalls für Vermietungs- oder Verpachtungszwecke genutzt. An dieser Neuregelung scheitern sämtliche heute am Markt vertretenen § 6b-Fonds, da diese die Fondsimmobilien ja gerade zu den nicht mehr gestatteten Vermietungs- oder Verpachtungszwecken nutzen. In Betracht käme eine Rücklagen-Übertragung somit nur noch dann, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut, das er mit Gewinn verkauft hatte, selbst die letzten sechs Jahre vor der Veräußerung durchgehend vermietet oder verpachtet hatte. Hierbei dürfte es sich allerdings in der Praxis eher um einen selten anzutreffenden Ausnahmefall handeln. Begründet wird die Neuregelung mit dem ursprünglichen Zweck des § 6b EStG, die Reinvestition von Veräußerungsgewinnen in neue, „aktive“ Ersatzwirtschaftsgüter im Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen zu fördern. Nicht förderungswürdig ist dagegen nach der Begründung der Gesetzesnovelle die Rücklagen-Übertragung auf eine Fondsgesellschaft, die den Charakter einer bloß passiven Kapitalanlage trägt. Die Schließung solcher steuerlichen Schlupflöcher sei insbesondere angesichts der aktuellen Situation knapper Haushaltslagen angezeigt.

Steuerpflichtige, die derzeit über noch nicht übertragene § 6b-Rücklagen verfügen, haben nur noch wenig Zeit, sich für die Übertragung auf einen § 6b-Fonds zu entscheiden. Die neue Rechtslage ist auf alle Übertragungen anzuwenden, bei denen das Ersatzwirtschaftsgut nach dem Tag der Gesetzesverkündung angeschafft oder hergestellt wird. Dieser Termin ist für den Spätherbst 2010 zu erwarten. Um noch in den Genuss der aktuell günstigen Regelung zu gelangen, muss sich der Steuerpflichtige also vor dem Tag der Gesetzesverkündung an einem bestehenden § 6b-Fonds beteiligen und der Fondsgesellschaft rechtswirksam beitreten.

(Wir geben Ihnen in den kommenden Ausgaben noch einen Überblick über die aktuellen 6b-Fonds z.B. von Sachsenfonds/ Hannover Leasing/ LHI Leasing oder Fundus.)