3 Fragen an … Prof. Dr. Angelika Leppin

Prof. Dr. Angelika Leppin, Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Honorarprofessorin für öffentliches Recht an der Fachhochschule Kiel (Fachbereich Wirtschaft) und Partnerin der Kanzlei Weissleder.Ewer zur geplanten Reform des Bundesbaugesetzes, das mit dem neuen Konzept des so genannten „urbanen Gebiets (MU)“ dichteres Bauen in Ballungsräumen möglich machen soll. Im Zuge dessen muss auch die die „Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm)“ geändert werden. 

 „Es soll deutlich lauter werden als bisher“

 

Frau Prof. Leppin, das Bundesbauministerium will die starre BauNVO aufweichen, um künftig „urbane Gebiete“ möglich zu machen. Warum ist das notwendig?

 Bislang haben die Städte bei der Mischung von Gewerbe und Wohnen aufgrund der starren Regelungen der BauNVO zur Geschossflächenzahl (GFZ), zur Grundflächenzahl (GRZ) und der –abgesehen in Mischgebieten – grundsätzlichen Trennung von Wohnen und Gewerbe in einer gesetzlichen Grauzone agiert. So wurde mit einer Reihe von Ausnahmeregelungen gearbeitet, um das gewollte Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe rechtlich überhaupt darstellen zu können. Weil unsere Städte kontinuierlich wachsen und viele Menschen in innerstädtischen Lagen leben wollen, brauchen die Städte mehr Rechtssicherheit, um neuen Wohnraum zu schaffen. Bislang war es schwierig, neben Sportstätten, Schulen und vor allem neben Gewerbebetrieben Wohnhäuser zu bauen, weil die BauNVO – allenfalls im Mischgebiet ein Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe möglich macht. Diese „Durchmischung“ des Mischgebietes muss aber gleichwertig (50 :50) sein, was nicht immer möglich ist. Zudem grenzt die BauNVO die Ausnutzung der Grundstücke in Bezug auf die GFZ (in der Regel nur 1,2) zu sehr ein. Gleiches gilt für die Begrenzung der Versiegelung in Form der GRZ (0,4 bei Wohngebieten). Diese Begrenzungen passen einfach nicht mehr zur Innenstadtverdichtung, die den Menschen beides bieten will – Wohnen und Arbeiten, kurze Wege zur KiTa, zum Zumbakurs oder etwa zum Restaurant um die Ecke. Dasselbe Problem gibt es übrigens auch, wenn Bürogebäude in Wohnraum umgewandelt werden sollen. Im neuen „urbanen Gebiet“ ist dagegen das Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten und öffentlichen Einrichtungen ausdrücklich erlaubt.

 Wie dicht nebeneinander werden Wohnen und Arbeiten künftig stattfinden?

 Sehr dicht. Kommunen sollen künftig im Rahmen eines B-Plans durch eine Festsetzung als „MU“ eine kleinräumige Durchmischung erreichen können. Die Gebäude dürfen zu einem „erheblichen Anteil“, aber nicht ausschließlich dem Wohnen dienen. Prozentuale Angaben macht das Gesetz bewusst nicht. Zudem kann – ohne besondere städtebauliche Rechtfertigung – festgesetzt werden, dass oberhalb eines bestimmten Geschosses nur Wohnnutzungen zulässig sind. Damit wird das Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe in einem einzigen Gebäude forciert. Zudem dürfen in urbanen Gebieten grundsätzlich bis zu 60 Prozent der Grundstückfläche bebaut werden, in reinen und allgemeinen Wohngebieten sind es bislang nur 40 Prozent. Außerdem dürfen die Häuser hoch gebaut werden: So wird die Geschossflächenzahl (GFZ) auf 3,0 und damit auf Kerngebietsniveau angehoben. Geschäfts- und Bürogebäude und Handwerksbetriebe sind ausdrücklich nicht gewollt. Erlaubt sind auf Seiten der Gewerbebetriebe Einzelhändler – mit Läden nicht über 800 Quadratmeter – Schank- und Speisewirtschaften sowie Hotels und Pensionen. Riesen-Kinos oder Diskotheken soll es auf keinen Fall geben. Interessant sind die Ausnahmebedingungen: Im Erdgeschoss wären Wohnungen zur Straßenseite nur ausnahmsweise erlaubt; eigentlich sollten dort Geschäfte, Arztpraxen oder kleine Läden angesiedelt werden.

 Kritiker bemängeln, dass mit dem neuen Gesetz der Lärmschutz ausgehebelt wurde. Wie problematisch kann das für Anwohner werden?

 Erst einmal ist geplant, dass mit der Einführung des „MU“ eine Änderung der TA-Lärm einhergehen soll. Die TA-Lärm ist übrigens kein Gesetz, sondern eine normenkonkretisierende Verwaltungsvorschrift und nicht Gegenstand der Änderung der BauNVO. Sie soll aber im Zuge dieser Baurechtsänderung mit geändert werden. Nach der geplanten Änderung soll es deutlich lauter werden als bisher. So sind in den Stadtzentren, etwa im Mischgebiet, derzeit tagsüber 60 Dezibel und nachts 45 erlaubt. Diese Obergrenze soll in urbanen Gebieten tagsüber bei 63 Dezibel liegen und nachts bei 48 Dezibel. Vor allem der Wert in der Nacht ist hoch, wenn man bedenkt, dass er über dem normaler Geräusche in einer Wohnung liegt – tagsüber wohlgemerkt. Nachts sollte man davon ausgehen können, dass es grundsätzlich ruhiger wird. Das könnte bei der Vermietung des Wohnraums problematisch werden und ist sicher ein wesentlicher Punkt, der noch vor der Verabschiedung des Gesetzes diskutiert werden sollte.