Der gebremste Ausstieg aus dem Mietwohnungsmarkt

Nachfolgender Beitrag ist in ähnlicher Form bereits in der Zeitschrift „Das Grundeigentum“ Ausgabe 22/2013 erschienen.

 Prof. Dr. Ramón Sotelo

Dass die Einführung einer Mietpreisbremse auch für die Neuvermietung zur Beschlusslage der Koalitionsverhandlung zwischen CDU/CSU und SPD geworden ist, hat einige Marktteilnehmer und Lobbyisten doch verwundert: Hätte nicht die Kanzlerin ihre Position aus Wahlkampfzeiten wie bei der PKW-Maut revidieren, zumindest relativieren können? Manche unpolitisch Denkenden hoffen noch, dass sich die ordnungspolitische Vernunft im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens durchsetzt, zumal selbst die generell nicht besonders vermieterfreundlichen Medien fast unisono feststellen, dass die geplante Mietbremse nichts bringt: Auch wenn die Wohnung künftig 7 statt 11 €/qm kostet, bekommt sie doch das doppelt verdienende Paar und nicht die alleinerziehende Mutter…

Tatsächlich ist die geplante Mietbremse nicht nur nicht geeignet die vermeintliche Wohnungsknappheit zu vermindern, sondern wird vielmehr die Verfügbarkeit von Mietwohnungen weiter verringern. Und das übrigens völlig unabhängig vom Zusammenbruch des Neubaumarktes für Mietwohnungen. Ökonomisch liegt das daran, dass besagte Doppelverdiener bei einer geringeren Miete mehr Fläche nachfragen werden. Dies hat zur Folge, dass insgesamt weniger Fläche für die vermeintlich „sozial Schwachen“ verbleibt. Und weil die gedämpften Neuvermietungsmieten dann auch den Mietspiegel weiter dämpfen, ziehen auch die Bestandsmieter nicht mehr ihren teilweise zu großen Wohnungen aus.

An dieser Stelle erkennt man auch, dass zumindest in Berlin gar keine Wohnungsknappheit besteht: Man betrachte einfach das gesamte Angebot, also die Summe der Wohnfläche im Verhältnis zur Einwohnerzahl und insbesondere im Verhältnis zu den verfügbaren Einkommen. Nur weil die Bestandsmieten durch falsch erstellte bzw. manipulierte Mietspiegel nicht die ökonomische Knappheit wiedergeben, passen sich die Bestandsmieter in ihrer Nachfrage nicht an die leicht steigende Gesamtnachfrage an, so dass sich die wenigen verfügbaren Wohnungen übermäßig verteuern. Die gesamte Preisregulierung bietet keinerlei Lösungen, sondern ist selbst das Problem.

Insbesondere der Deutsche Mieterbund hat schlichtweg übersehen, dass Mieten ökonomisch letztlich gar nicht von den Anbietern, also den Vermietern, sondern von den Nachfragern, also den Mietern in ihrem Gesamtinteresse bestimmt werden; Vermieter nehmen stets was sie können, in guten wie in schlechten Zeiten. Jede Mietbegrenzung begrenzt zunächst einmal die Mieter im Wettbewerb zueinander, wenngleich die Vermieter insoweit betroffen sind, dass sie weniger erhalten, als sie bei ordnungspolitisch korrekt organisiertem Wettbewerb der Mieter untereinander erhalten würden.

Immobilieneigentümer werden auf das faktische Einfrieren der Mieten im Zuge der Mietpreisbremse reagieren und Wohnung zunächst in gesuchten Lagen nicht mehr vermieten, sondern verkaufen. Damit werden wir bald wie in Paris, London, Rom, Madrid oder Budapest in der Innenstadt nur leben können, wenn man Wohnungseigentum erwirbt. Vermietet wird dann allenfalls noch in urbanen Randbereichen, den Banlieues.

Spätestens an dieser Stelle sollte man den politischen Weitblick der Kanzlerin erkennen: Der Hauptkonkurrent, der Union, die SPD kommt aus dem 19. Jahrhundert und wurde als Arbeiterpartei gegründet. Die klassische Arbeiterschaft gibt es nicht mehr, wohl aber eine Mieterschaft. Indem Merkel der SPD die Mietbremse zubilligte, hat sie zunächst der SPD im Wahlkampf den Wind aus den Segeln genommen und versucht die FDP zu retten. Indem Merkel die Mietbremse auch noch gesetzlich verabschiedet, verschwindet in der Tendenz auch noch ein Großteil der Mieterschaft und damit ein alternativer Adressat für den Klassenkampf der SPD. Und der vermeintlich lobbyistische Sieger der Koalitionsverhandlung, der Deutsche Mieterbund, scheint jene Figur zu geben, zu der bereits Dostojewski ein ganzes Buch geschrieben hat. So schafft der Deutsche Mieterbund sich selber ab.