Die deutsche Büroimmobilie – ein Märchen vom Inflationsschutz

Deutschland gilt als Safe Haven der internationalen Anleger. Stabilität und Inflationsschutz sind die Schlagworte, die auch deutsche Anleger und Investoren überzeugen sollen. Der Autor hat schon einige Male zum Thema Inflationsschutz durch Immobilien kritisch Stellung genommen und an Hand von Statistiken und Indizes argumentiert. Heute versucht es der Autor einmal mit einer analytischen Argumentation durch Aufzeigen von Zusammenhängen und Änderungen des Umfeldes. (Eine Kurzfassung ist vor kurzem in der letzten Ausgabe der Zeitschrift immobilienmanager erschienen.)

Es war einmal ein Land, in dem die Wirtschaft ein Wunder erlebte, das Finanzamt sein Füllhorn ausschüttete, die Bevölkerung für einen Kinderboom sorgte, fruchtbare Arbeiter für die Fabriken aus den Ländern des Südens zu Millionen angeworben wurden und in Verbindung mit Landflucht, Industrialisierung und späterem Boom der Dienstleistungsbranche die Nachfrage nach Wohnungen und Büros explodierte. Die Wirtschaft prosperierte. Der öffentliche Dienst streikte für 10% Einkommenserhöhung. Die Ansprüche an Wohnen, Büro und Handel stiegen mit den Einkommen.

Gleichzeitig mit den Löhnen stiegen die Preise für Rohstoffe und Energie. „Lieber 5% Inflation als 5% Arbeitslosigkeit“ als Statement des Bundeskanzlers würde zum geflügelten Wort der „Generation Inflation“. Die Mieten kannten überall nur die Richtung nach oben. Immobilien machten wohlhabend. Steuerfreie Wertsteigerungen wurden bei gleichzeitiger Absetzbarkeit von Zinsen und erhöhter AfA in Vermögen umgewandelt.  Zudem hatte die Bevölkerung im stimmungsprägenden Alter zwei Kriege und galoppierende Inflationen erlebt. Auf der Angebotsseite herrschte bis in die 80er Jahre Flaute. Frankfurt hatte ein einziges spekulatives Objekt. Lediglich Versicherungen und Banken bauten ihre Paläste mit Expansionsreserven, die zur Vermietung anstanden.

In diesem Umfeld lernten unsere Eltern und Großeltern: Die Immobilie schützt vor Inflation. Aktuell wird die deutsche Büroimmobilie wieder international zum „Safe Haven“. Profis investieren wieder, nicht, um wie im letzten Boom Geld zu verdienen – da haben sie wohl dazugelernt -, sondern um welches vor Inflation zu retten.

Aber schützt die Büroimmobilie wirklich vor Inflation? Der einfache Denker geht das Thema aus zwei Richtungen an. Gibt es einen kausalen Zusammenhang bzw. stimmt das, was früher stimmte, noch heute? Was sagt die Statistik/Erfahrung dazu? Wenn die Angst vor galoppierender Inflation wie aktuell zu steigenden Preisen auch ohne aktuelle Inflation führt, hat das wenig mit kausalem Inflationsschutz zu tun.

Vorab: Wenn ich an eine galoppierende Inflation nach historischem Vorbild oder an einen Euro- oder Weltwährungs-Crash denke, habe ich auch lieber Immobilien als ein Bankkonto. Seit Griechenland wissen wir. Dass Euro-Staatsanleihen ausfallgefährdet sind. Anders als Japan oder USA kann das einzelne Euroland kein Geld drucken. Andererseits lehrt die Historie, dass bei echter Inflation der Immobilienbesitzer durch Ausgleichsabgaben auch zur Kasse gebeten wird. Immobilien kann man nicht in Sicherheit bringen. Und mit Mieten aus Papier lässt sich auch kein Brot kaufen. Denn es gilt: Nicht der Sachwert Immobilie insbesondere Büroimmobilie an sich kann vor Inflation schützen, sondern nur der Nutzer, der bereit und in der Lage sein muss, eine inflationsangepasste Miete zu bezahlen. Eine Immobilie ohne sinnvolle Nutzung ist eine Ruine. Im schlimmsten Fall hat sie nur noch negativen Wert aus der Verpflichtung des Eigentums.

Damit bleibt als Analysegegenstand für den causalen Zusammenhang zwischen Inflation und Immobilienwert und den statistischen Zusammenhang der Fall der „normalen“ Inflation von ca. 2% oder einer leicht steigenden Inflation von 3 oder 4%. Übrigens hatte Deutschland in seinen dynamischen Wachstumsphasen immer über 3%. Jetzt sind wir lange unter 2% und machen in Panik.

Betrachten wir den logischen Zusammenhang: Wie eingangs beschrieben liefen über einen langen Zeitraum die Zeitreihen für Inflation und Büroimmobilien mit den üblichen Zyklenverschiebungen parallel. In den 80ern holten Büros durch Tertiärisierung sogar überproportional auf. Das sah alles nach Inflationsschutz aus. Aber unser heutiges, furchteinflößendes Inflationsszenario hat nicht das Geringste mit wirtschaftlicher Prosperität zu tun, sondern einfach nur mit Geldentwertung durch Papierdruck. Heute ist Inflation ohne wirtschaftliche und demografische Prosperität denkbar.

Wo sollen da Nachfrageeffekte herkommen? Die Professionalisierung der Immobilienwirtschaft führt zu dauerndem Nachschub an Büroflächen. Neubau ist nachgefragt, Bestand nicht. Aus Neubau wird aber Bestand. Statt Mieterhöhungsphantasie ist Mietsenkung bei der Nachvermietung eher wahrscheinlich. Bevor es im Gebrauchtbestand inflationsgeschützt nach oben geht, muss der Qualitätsabfall erst durch Marktentwicklungen ausgeglichen werden. Hinzu kommen die Nachvermietungskosten, die sich, wenn der Mieter auch nach Neuverhandlungen auszieht,  mit Renovierung oder Sanierung, Leerstandszeit, Leerstandskosten und direkte Vermietungskosten wie Maklerkosten, mietfreie Zeiten, bezahlte Mieterumbauten leicht auf 3 jahresmieten summieren können. Wenn eine Topimmobilie nach 20 Jahren zur Neuvermietung ansteht, kann die Summe leicht an Neubaukosten heranreichen.

Die Core-Immobilie ist auch keine Lösung. Das verdeutlicht der Blick auf Frankfurter Entwicklungen. Den Beweis über die Sinnhaftigkeit von Core habe ich vor 15 Jahren schon versucht zu führen. Das Ergebnis der Untersuchung war ernüchternd. 1a-Büroimmobilien verbinden den niedrigsten Cash Flow, mit den höchsten Ansprüchen an Technik, Zustand und Management bei gleichzeitig höchster Volatilität der Mieteinnahmen. Vor dem Hintergrund immer höherer Ansprüche an Neubau-Erstbezug, für den es in Deutschland durch die Polyzentrik und verfügbaren Flächen auch in guten Lagen noch lange Material geben kann, dürfte die Logik von Haltestrategien kaum noch schlüssig sein. Erfolgreiche antizyklische Trader brauchen im annähernden Nullsummenspiel immer einen prozyklischen Verlierer. Zum Glück stirbt Dämlichkeit und Kurzfristigkeit der Planung nicht aus.

Und für die Vertreter des „aber der Inflationsschutz hat in der Vergangenheit doch immer funktioniert“ haben wir einen Blick auf die letzten 20 Jahre getan, und dabei „statistische Zusammenhänge“ außer Acht gelassen. Da werkeln PC-Hörige nämlich vor, dass sich negativ entwickelnde (positive) Inflationsraten mit sich negativ entwickelnden Mieten und Preisen positiv korreliert sind, also „vor Inflation schützen“. Der 20-Jahresblick auf die verschiedenen von Bulwien, heute BulwienGesa, im Laufe der Zeit vorgestellten Zahlen, macht deutlich: In keinem einzigen Immobiliensegment hat die Preisentwicklung von 1992 bis Ende 2011 vor der Inflation geschützt. In Zahlen sieht das so aus. Indiziert auf 100 im Jahr 1992 stieg die Inflation auf 139. Grundstücke für Einfamilienhäuser, neue Eigentumswohnungen und Wohnungsvermietungen kamen wenigstens noch auf 128 bis 115 mit einem Indexwert Wohnen von 123. Wohnen hat bei der derzeitigen Entwicklung eine Aufholchance. Der Gewerbeindex mit Handel und Büro schloss letztes Jahr bei genau 100. Gewerbe war nach 20 Jahren also im Schnitt nominal genauso viel wert wie vor 20 Jahren. Die Büromieten City und der Handel-Nebenlage waren mit 86 bzw. 82 deutlich weniger wert als vor 20 Jahren. Und bedenken Sie noch zweierlei. Zum einen vergleichen die Bulwien-Zahlen jeweils vergleichbare Preise, also neu mit neu und eben nicht die Entwicklung eines spezifischen Immobilienportfolios. Das tut z. B. der IPD-Index, der aber selbst bei den zuletzt positiven Entwicklungen bei Bulwien noch negative Wertänderungsrenditen bei Büro ausweist. Zum zweiten hat das Bulwien-Zahlenwerk schon wieder 5 gute Jahre hinter sich. Am Tiefpunkt 2005 lag der Büromietindex bezogen auf 1992 bei knapp über 80 bei einer Inflation von 125.

Bleiben wir optimistisch. Die Immobilie ist wieder da. 80 Millionen Menschen und das Ausland glauben wieder an die deutsche Immobilie, auch an die Büroimmobilie. Können die irren? Ein Büroimmobilieninvestment lohnt sich, wenn die Mieten der älter werdenden Immobilien trotzdem gesteigert werden können und / oder die Renditen fallen bzw. Multiplikatoren steigen. Antizyklische Trader benötigen den prozyklischen Konterpart mit Lernbereitschaft. Für steigende Büromieten benötigt man Knappheit. Für fallende Renditen braucht man fallende Alternativzinsen oder überproportional positive Mietzukunfts-Erwartungen. Da dürften es Pessimisten leichter haben, sich ein negatives Zukunftsszenario zu modellieren. Und trösten wir uns mit einer anderen Inflationsschutzdefinition: Die Summe des gesamten Cash Flow der Immobilie, also incl. Mieteinnahmen, in Verbindung mit der Substanzentwicklung kann durchaus vor Inflation schützen. Bei Alternativinvestments berücksichtigen wir ja die Zinsen auch, wenn wir von Werterhalt sprechen. Und das berühmte Gold hat gar keinen Cash Flow. Nur die eierlegende Wollmilchsau des „Betongoldes mit laufender Rendite“ wurde von der Zeit erlegt.