Editorial – Der Immobilienbrief Nr. 272

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit Samstag ist es klar, Spanien muss unter den Rettungsschirm. Hoffentlich ist der große Domino-Stein Spanien inzwischen sturmsicher festgezurrt. Ökonomen beschwören die Wettbewerbsfähigkeit Spaniens und des gesamten Feriengürtels. Wahrscheinlich kann ich inzwischen selbst nicht mehr zwischen Milchmädchenrechnung und Wissenschaft unterscheiden. Wie hohe Inflationsraten in Sonnenparadiesen mit Mini-Inflation in Wirtschaftsnationen bei gemeinsamer Währung funktionieren sollen, war Volkswirten längst unklar. Heute steigen in Spanien die Kosten der Produktion und die Löhne der (noch) Beschäftigten rasant weiter. Wie die Erhöhung der Arbeitslosigkeit auf annähernd 25% und über 50% bei der Jugend bei gleichzeitigen Sparprogrammen Spaniens Wettbewerbsfähigkeit bei den teuer produzierten Gütern erhöhen soll, bleibt Geheimnis volkswirtschafter Durchschnittsbildung. Ohne grundlegende Strukturreformen am Arbeitsmarkt ist und bleibt Spanien nicht wettbewerbsfähig. Da hilft auch keine Bankenrettung – übrigens derselben Banken, die vor kurzem noch stolz darauf waren, den Subprime-Blödsinn nicht mitgemacht zu haben. Wenn Spanien kippt, fällt der Euro oder wie hieß das nochmal?

Die von „Der Immobilienbrief“ organisierte Sommertagung des immpresseclub versammelte wieder 35 Journalisten fast aller relevanten Medien. Zwar kamen die Referenten-Überraschungssieger eher aus den Nischenmärkten (siehe Seite 2 ff.), aber IVG-Vorstandssprecher Prof. Wolfgang Schäfers nutzte die Gelegenheit, die Journalisten durch Transparenz und off-the-record Informationen für die noch fragile Situation und die Zukunft im Chancenumfeld der Energiewende und jenseits weltweiter Bürobestände zu sensibilisieren. Er spannte einen Bogen in die 90er Jahre. Bereits hier und nicht nur im Kaufrausch des Booms wurden die Weichen gestellt. Ich bezeichnete die IVG in den 90ern auf Grund strategischer Universalinvestoren-Einstellung als „Klumpatsch AG“. Schon damals war mir die Gefahr bekannt, dass sich Multi-Spezialisten oft als Universal-Dilettanten erweisen. Institutionelle Aktieninvestoren sahen das damals im Background genauso. Inzwischen wurde aus dem Schäfers-Vortrag deutlich, dass auch die betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten zur Planung und Steuerung eines Unternehmens bis 2008 nur teilweise genutzt wurden. Zum von Schäfers kritisierten Boom-Einkauf zu sportlichen Werten, relativierte der abendliche Gesprächskreis aus dem Einzugsbereich der „Gestrigen“: „Damals haben doch alle gekauft. Mit 6 Wochen (oder 3 Monaten) mehr Zeit wäre doch alles gut gegangen.“ Übrigens: „Gut gegangen“ heißt im moralischen Umfeld des Booms, dass die Verluste des voll haftend, voll fremdfinanzierten Boom-Einkaufs rentabel auf die Reit-Anleger ausgelagert worden wären. Der „greater fool“ der Leichnitz-Ära fand sich mit Mio.-Abfindung dann doch im Spiegel. Die Aktionäre zahlten mit -95% die Zeche.

Seit Anfang des Monats gilt durch die Novellierung des Finanzanlagenvermittlerrechts eine neue Zeitrechnung bei Geschlossenen Fonds. Der Prospekt ist die Visitenkarte eines Geschlossenen Fonds. Naturgemäß steht mangels anderer Möglichkeiten das Prospektierungsumfeld im Vordergrund der Regulierungsbemühungen. Und wieder kapiert kein „Fachmann“, dass Prospekte nichts am Asset ändern. Die meisten Fonds der Vergangenheit sind nicht an ihren Prospekten, sondern an den Steuerverwerfungen, Markttransformationen- und -flauten oder Planungs- und Investitions-Fehlern bei Immobilien, Schiffen oder Medien gestorben. Bei bereits seit den 90ern hervorragenden Prospektierungsstandards durch Rechtsprechung und BaFin führen weitergehende Prüfungs- und Genehmigungspflichten eher zu einer Scheingenauigkeit und Scheinsicherheit. Dem Anleger wird jetzt endgültig, ein „geprüftes“ Produkt verkauft. Mit großen Single Tenant Mieternamen lassen sich dann mit Mietvertragszeitbomben noch bessere Geschäfte machen als heute. Das wird der Abgesang der Branche und nicht 3% zu hohe Weichkosten.