Editorial „Der Immobilienbrief Nr. 405“ – Werner Rohmert über aktuelle Themen der Branche

Sehr geehrte Damen und Herren,

es wird undurchsichtiger. Der brandaktuelle vdp-Index der Pfandbriefbanken stieg allein im Q2 um 6,0% bei Wohnen und 5,5% bei Gewerbe (siehe Internet). Scope ermittelt für die Offenen Publikumsimmobilienfonds für das ganze Jahr 2016 nur 0,6% Wertermittlung, während JLL-Victor für deutsches Prime Office die 25-fache Wertänderung berechnete (S. 3). Dafür macht der Victor im Q2/17 totale Sommerpause und spricht von (vorübergehend) erreichtem Plateau bei Nullrunden bei Mieten und Preisen, was sogar in der beliebten Multiplikation nicht viel hermacht (S. 6). C&W bringt das Ganze noch auf die weltweite Ebene mit beispiellosem Büroneubau, der die Nachfrage weit übersteige, und bei Gebrauchtimmobilien zu starkem Wettbewerb führen werde (S. 9), findet das aber unproblematisch. Ich habe es jeweils „vor Ort“ kommentiert. Wenn „Core“-Anleger einmal merken sollten, dass sie keine Immobilien, sondern verderbliche Ware eingekauft haben, kann man nur hoffen, dass sie den Mund halten und ein neuer Boom dann wieder blind macht. Außerdem entwickelt sich die Angebotsseite im Boom immer stärker als die Statistik ausweist, während die erfasste Nachfrage sofort wegbricht, wenn ausreichendes Angebot absehbar ist.

Mit Bernd Heuer (77) ist der bekannteste Mentor der Professionalisierung der deutschen Immobilienwirtschaft gestorben. Kurt E. Becker würdigt seinen Freund in einem kurzen Nachruf (S. 2).

Noch einmal Patrizia: Nach meinen Editorial-Hinweisen fand naturgemäß ein Gespräch mit Patrizia statt. Ich weiß jetzt zwar immer noch nicht, was ein guter Fonds ist, dafür weiß ich jetzt, was guter Journalismus ist. Als Immobilienmann könne ich doch nicht einfach Kollegen abschreiben, die (hier netter formuliert) andere wissenschaftliche Schwerpunkte haben. Auf den Multiplikator käme es an! Liebe Patrizia, wenn das hoch spezialisierte Medium Fondstelegramm Bewertungsprobleme und Transparenz moniert, das extrem erfahrene Fachmedium kmi Kritik übt, ebenso wie der als Immobiliensachverständige ausgebildete, seit Jahrzehnten erfahrene Kollege Edmund Pelikan (vgl. Editorial 402/3), lässt sich das durchaus, jederzeit und immer wieder zitieren, wenn die Sachverhalte korrekt sind. Und sachlich gab es in den Editorials nichts zu deuten. Was soll dieses „wir sind irritiert“-Gewäsch flankiert mit „glücklichen Mietern“ Vertriebs-Sprech? Sachlich für die Analysten ein Hinweis. In München, Leopoldstraße, in der ein zum Schulungsgebäude umgebautes Büro als neuer zweiter Erweiterungs-Standort einer privaten Schule durch Anleger finanziert wird – macht man so etwas im Fonds? – werde kein Cent aus der Liquiditätsreserve ausgeschüttet. Das wäre einmal unter Prospektdarstellungsgesichtspunkten zu überprüfen. Ich bin für die neuen, unleserlichen BaFin-Prospekte zu blöd.

Ansonsten war moniert und von mir nachrecherchiert worden, dass der Einkauf einer 20 Jahre alten, übrigens durchaus anständigen Immobilie in Mainz durch Patrizia für einen geschlossenen Publikums-AIF rund 11 Mio. Euro teurer war, als die Wertgutachten des Verkäufers erwarteten. Das ist aus meiner Sicht auch nicht zu beanstanden, da Bewerter nachhaltig bewerten müssen und der Markt bei der möglichen Preisbandbreite zwischen Notverkauf und GAD (Größter Anzunehmender Depp) im Moment eher zum teuren Ende der Notverkaufs-/GAD-Preisskala tendiert. Etwas anderes war aber unter Wahrscheinlichkeitsgesichtspunkten auffällig und zeigt das tragische Bewerter-Spagat auf, das die Gutachter heute beherrschen müssen (vgl. S. 3). Patrizia hatte zu knapp 95,4 Mio. Euro eine Immobilie in Mainz erworben, die im Jahresbericht des Verkäufers UBS per August 2016 in 2 Gutachten mit 83,4 und 83,1 Mio. Euro bewertet worden war (Ende 2015 80,8 Mio. Euro). Wenige Monate später kamen die beiden ebenfalls völlig unabhängigen Patrizia-Einkaufsbewerter in einem jeweils voneinander unabhängig erstellten Erstgutachten zu 16% höheren und jetzt fast identischen Werten von 96,5 und 96,55 Mio. Euro und bestätigten so einen guten Einkauf für die Anleger. Bemerkenswert ist dabei sicherlich die erstklassige Patrizia-Kommunikationspolitik, die zwei unabhängige Gutachter bei einer Objekterstbewertung zu identischen Werten (0,5% Abweichung) führt. „Honi soit qui mal y pense“ (frei: „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!“).