Ein Jahr Bestellerprinzip – Zwischenfazit

Jürgen Hoffmann

Vor einem Jahr, am 1. Juni 2015, trat unter großem Trommelwirbel das Mietrechtnovellierungsgesetz in Kraft – und mit ihm das Bestellerprinzip. Es regelt die Bezahlung des Maklers. Seither zwölf Monaten gilt: Der Wohnungsvermittler wird von demjenigen bezahlt, der ihn beauftragt hat. Und das ist in den meisten Fällen der Vermieter. Nun ist es Zeit, Zwischenbilanz zu ziehen. Fakt ist: Die Einführung des Bestellerprinzips hat den Markt verändert – und die Branche.

 

Mietervereine und Verbraucherschützer sind mit dem, ersten Jahre der neuen Zeitrechnung relativ zufrieden. Zwar habe es in der ersten Zeit noch einige „Tricksereien“ von Maklern gegeben, wie Reiner Wild beispielsweise sagt, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins. Vertragsgebühren oder fingierte Abstandszahlungen seien erhoben worden. Aber das komme immer seltener vor, konstatiert man beim deutschen Mieterbund (DMB). Das liegt auch daran, dass so mancher Mieter und Mieterverein gerne schnell vor Gericht zieht. Dort sind die Chancen gut, Recht zu bekommen. Auch noch mit Verzögerung. DMB-Sprecher Ulrich Ropertz: „Mieter können Zahlungen mehr als drei Jahre lang zurückfordern.“ Zudem riskierten Makler Bußgelder.

 

Die Verbände der Makler sind mit der neuen Regelung weniger glücklich. Kein Wunder: Etwa jeder dritte Mietwohnungsmakler verzeichnet laut Umfragen Umsatzeinbrüche von 30, 40 oder 50 Prozent und mehr. Einige haben sich aus dem Segment komplett zurückgezogen, fokussieren sich nun allein auf den Kaufmarkt, andere bieten ihren Leistungen mittlerweile in Form von einzelnen Bausteinen an: Die Erstellung eines Exposés für 250 oder 300 Euro, eine Besichtigung 150 Euro oder 200 Euro. Die Mehrheit der Eigentümer findet neue Preismodelle der Makler gut. Der Tenor: Zwei Nettokaltmieten waren nicht mehr zeitgemäß. Konstatiert wird von Maklerverbänden: Die Zahl der „Küchen-Makler“, die nur mit Gewerbeschein und Website, aber ohne Ausbildung von Zuhause aus gearbeitet hatten, ist deutlich zurückgegangen.

 

Laut einer aktuellen Immobilienscout24-Umfrage unter 1.000 Eigentümern hält knapp die Hälfte das Bestellerprinzip für weitgehend untauglich. Das liegt auch an der Erkenntnis, dass Vermietung oft sehr aufwendig ist. Viele Eigentümer hatten nach dem 1. Juni 2015 zunächst versucht, ihre Objekte in Eigenregie an den Mann – oder die Frau – zu bringen. Familienmitglieder wurden gefragt, ob sie eine Wohnung suchen, Bekannte und Geschäftspartner. Oft mit Erfolg – jedenfalls in begehrten Stadtteilen wie Berlin-Mitte, Hamburg-Rotherbaum oder München-Schwabing, wo Interessenten für Wohnungen schlange stehen. Objekte in diesen Gegenden erscheinen heute tatsächlich seltener in Anzeigen und auf Online-Plattformen. Bei Wohnungen in weniger gefragten Regionen aber ist das Bild ein anderes. Hier ist Vermietung Sisyphusarbeit. Die Vermieter mussten ihre Vorstellung vom Makler, der nur die Tür öffnet, revidieren. Eine aktuelle Umfrage von Immobilienscout24 kommt zu dem Ergebnis: Eigentümer schätzen es, wenn Immobilien-Profis die komplette Transaktion übernehmen. Der Hälfte der befragten Eigentümer ist „die regionale Marktkenntnis eines Maklers wichtig“. Knapp 40 Prozent meinen, dass der Immobilienprofi die Immobilie im besten Licht präsentiert. Makler sollten die Einschätzung der Vermieter kennen, betont Volker Wohlfahrt von dem Immobilien-Portal: „Durch die Marktveränderung und durch das Bestellerprinzip geht es nicht mehr nur um die schnellste Vermarktung, sondern auch um den nächsten Auftrag. Makler benötigen Sichtbarkeit und Reichweite bei Eigentümern, ihren zukünftigen Auftraggebern.“

 

Gewinner der Einführung des Bestellerprinzips sind Newcomer. Seit Juni vergangenen Jahres haben mehr als drei Dutzend Startups den Mietwohnungsmarkt betreten. Diese Herausforderer, zu denen beispielsweise Immodelfin, Lifelife, McMakler und Vermietster gehören, buhlen nun auch um die Gunst von Vermietern und Mietern. Allerdings hat sich schnell rausgestellt, dass reine Online-Makler nicht die Lösung sind. So hat Vendomo, das Makler-Startup von Rocket Internet, nach nur wenigen Monaten wieder zugemacht. Rund fünf Millionen Euro soll die Berliner Unternehmens-Schmiede mit ihrem „Immobilienmakler-Kind“ verbrannt haben. Erfolgreicher sind sogenannte Hybrid-Makler, die neben digitalisierten Geschäftsprozessen Wert auf persönliche Betreuung legen. McMakler (100 Mitarbeiter) etwa verlangt für eine erfolgreiche Vermietung 498 Euro. 500 Wohnungen hat der Dienstleister nach eigenen Angaben im ersten Jahr bundesweit vermittelt. Die Rechnung von McMakler ist einfach: Statt 2.773 Euro Provision, die ein Eigentümer für die Vermietung einer Wohnung mit einer Kaltmiete von 1.200 Euro an den Makler zahlen müsste, fällt bei der Plattform lediglich eine Pauschale von 498 Euro an. Geboten wird die gesamte Leistungspalette vom Exposé über Wohnungsbesichtigungen bis zur Vertragsunterzeichnung und Schlüsselübergabe. Gezahlt werden muss nur im Erfolgsfall. Angeboten werden die Objekte auf allen gängigen Immobilienportalen. Geschäftsführer Hanno Heintzenberg, der zusammen mit anderen Geschäftsleuten einen siebenstelligen Betrag in seine Unternehmung investiert hat, hat bei seinem Start vor einem Jahr zwar Ablehnung etablierter Makler gespürt, „jetzt aber wollen viele sogar mit uns zusammenarbeiten“. Der Markt zwischen Nordsee und Alpen sei so groß, „dass für gute Makler genügend Platz ist“. Aktuell hat die Plattform 270 Immobilien in der Vermarktung – 80 Prozent davon sind Mietobjekte. Das Geschäft mit Kaufobjekten (Provision: 3,5 Prozent vom Kaufpreis) will Heintzenberg ausbauen. Er glaubt, dass es langfristig verschiedene Modelle auf dem Markt geben wird – bis zu einer Plattform, auf der Vermieter und Verkäufer alles allein digital abwickeln.