Eine Währung feiert Geburtstag – Eine Währung auf ihrem Weg

Als der Euro aus der Taufe gehoben wurde, war alles so schön geplant. Die Vorbereitungszeit hatte viele Jahre in Anspruch genommen, die Funktionsfähigkeit der Europäische Zentralbank war durch die Arbeit des Europäischen Währungsinstituts gut vorbereitet worden und ein dickes Buch mit Regeln über Geldpolitik und Finanzpolitik war dem Euro mitgegeben, um ihn vor Unbill in seinem Leben zu schützen. Die Geburt verlief dann auch komplikationslos: Die Umstellung der ersten neun Teilnehmerwährungen (Griechenland war noch nicht dabei und Luxemburg und Belgien hatten bereits vorher eine Währungsunion) auf den Euro klappte technisch reibungslos, die Europäische Zentralbank nahm unter ihrem ersten Präsidenten Wim Duisenberg ihre Arbeit auf und erwarb sich schon bald den Ruf einer funktionierenden Institution im besten europäischen Geiste, ohne nationale Gräben und ohne kulturelle Blockaden. Jedem war klar, dass der einheitliche europäische Kapitalmarkt noch längst nicht vollendet war – wie ja selbst bei Gütern und Dienstleitungen noch Nachbesserungen am Binnenmarkt vonnöten waren und immer noch sind. Aber die gemeinsame Währung schien die beste Voraussetzung dafür zu sein, auch hier schnell voranzukommen.

Dann aber zeigten sich die ersten Kinderkrankheiten. In der wirtschaftlichen Schwächephase nach dem Zusammenbruch der Technologieblase an den Aktienmärkten 2001 war der Druck auf die öffentlichen Finanzen so groß, dass sich die wichtigsten Gründungsmitglieder des Euro, Frankreich und Deutschland, nicht anders zu helfen wussten, als die selbstauferlegte Beschränkung der Staatsverschuldung zu umgehen und höhere Staatsdefizite zu tolerieren als eigentlich nach den Maastricht-Kriterien erlaubt war.

Damit wurde schon nach fünf Jahren, in der ersten kleineren Bewährungsprobe – denn es waren nach heutigen Maßstäben damals keine Krisenzeiten –, eine Entwicklung losgetreten, die bei kühler Reflektion zu erwarten gewesen war; wenn nicht in dieser, dann gewiss in einer späteren, größeren Notsituation. Diese Entwicklung führt weg von nationalen öffentlichen Finanzen hin zu einer zentralen Finanzpolitik für die gesamte Währungsunion mit erheblichen regionalen Umverteilungen. Zehn Jahre später ist der damals begonnene zaghafte Trampelpfad schon weithin sichtbar, und die Träger der Währungsunion haben begonnen, ihn auszubauen und zu befestigen: Die Institutionen, die im Zuge der Eurokrisen-Wellen nach 2008 gegründet wurden (Europäischer Stabilitätsmechanismus, Bankenunion sowie nicht zuletzt einige geldpolitisch verbrämte Ersatzfinanzpolitik-Programme der EZB) werden rückblickend als Vorläufer einer europäischen Finanzpolitik gelten – wenn der Euro lange genug hält, dass man auch in zehn oder zwanzig Jahren auf ihn zurückblicken kann. Während man zu Beginn des Euro mit dem Wort von der Transferunion noch Anti-Euro-Revolutionen anzetteln konnte, ist heute den Europa-Realisten klar, dass ohne regionale Transfersysteme die Stabilität eines Gemeinwesens namens Währungsunion nicht aufrecht zu erhalten sein wird.

Das Reizwort von der Transferunion muss auch keine allergischen Reaktionen hervorrufen. Schließlich sind alle funktionierenden Währungsräume von wesentlich höheren regionalen Umverteilungen gekennzeichnet, als das selbst den Bewohnern bewusst ist. Das liegt daran, dass über das Sozialsystem oder die Tätigkeit einer zentralen Administrationsebene solche regionalen Transfers automatisch und weitgehend intransparent stattfinden. Weder machen sie die starken Regionen – die am meisten von dem großen Wirtschaftsraum profitieren – arm, noch machen sie die schwachen Regionen – die immer versucht sind, durch Abwertungen sich für kurze Zeit Luft für ihre schwache Wettbewerbsfähigkeit zu verschaffen – reich. Wesentlich ist weniger, ob regionale Transfers stattfinden, sondern wie dies geschieht. Wer bei der Ausgestaltung von solchen Systemen die falschen Anreize setzt, schafft in der Tat Fässer ohne Boden. Für empfangende Regionen dürfte etwa zu lernen sein, dass die Teilnahme an einem solchen System mit erheblichen Verlusten an Souveränität einhergeht. Es gibt noch viel zu lernen auf dem Weg dieser neuen Währung. Was auch nicht verwundert: in historischen Begriffen – man vergleiche die Entwicklung des US-amerikanischen Währungswesens – kommt der Euro gerade mal in den Kindergarten.

 

Dr. Ulrich Kater, Chefvolkswirt DekaBank