Hamburger City Nord – Image ist (nicht) alles

Der Ruf der City Nord ist seit Jahrzehnten angekratzt. Im einst begehrten Bürostandort gammeln noch immer alte Gebäude vor sich hin. Aber es passiert auch eine Menge: Projektentwickler und Eigennutzer investieren Millionen Euro in Revitalisierungen und Neubauprojekte. Demnächst soll auch ein neues Wohngebiet in der Nachbarschaft entstehen.

Susanne Osadnik

Marcus Schwarz ist immer wieder begeistert, wenn er von der City Nord erzählt. Das muss er auch sein. Schließlich investiert seine TAS KG zurzeit kräftig in den einst hochmodernen Bürostandort, der lange Zeit dem Pauschalurteil „nicht mehr zeitgemäß“ unterlag. Monostruktur so weiter das Auge reicht, leer stehende Betonklötze der großen Player aus der Erdölindustrie – in den vergangenen 20 Jahren hatte der Standort nicht viel zu bieten. Heutzutage sind Immobilienprofis wie Schwarz dennoch sicher: „Die City Nord ist für Großunternehmen immer noch ein guter Standort.“ Immerhin sind hier gut 300 Unternehmen ansässig, darunter auch Edeka, Vattenfall, die Allianz, Signal Iduna und Tchibo.

Was spricht für das Büroquartier, das seine Blütezeit in den späten 60er Jahren hatte? Sicher immer noch seine Lage: es sind nur 3 Kilometer bis zum Flughafen und 6 Kilometer bis in die Innenstadt. Die Mietpreise sind laut JLL seit mehr als zehn Jahren stabil und liegen in der Spitze bei durchschnittlich 11/12 Euro pro qm im Bestand. Im Neubaubereich ist mit einer Durchschnittsmiete von 19 €/qm fast das Niveau der Hafencity erreicht. Dafür sind die neuen Häuser, von denen gerade einige entstehen, auch ausnahmslos zertifiziert. Alte Solitäre werden revitalisiert, teils haben die Eigentümer zig Millionen investiert, teils kümmern sich Projektierer um die denkmalgeschützten Immobilien: So wurde die einstige Esso-Zentrale zwei Jahre lang aufwändig für den jetzigen Mieter Allianz auf Vordermann gebracht und zählt inzwischen zu den modernsten Gebäuden der Stadt. „Gut 45 Prozent der alten Bürohäuser sind bereits revitalisiert, 15 Prozent sind noch auf dem Stand der 70er Jahre“, sagte TAS-Geschäftsführer Schwarz anlässlich des Heuer-Dialogs zum Hamburger Büromarkt im September. Die ollen grauen Kästen gammeln vor sich hin, Mieter haben sie schon lange nicht mehr. Wenn auch die Mieten niedrig wären, würden die Nebenkosten zuschlagen. „Im alten Essohaus fielen zuletzt 9 Euro pro Quadratmeter an Nebenkosten an“, so Schwarz. Bei Neubauten rechnet man mit im Durchschnitt mit 3 €/qm.

Zusammenwachsen mit Barmbek und Winterhude

Eine „Bürostadt im Grünen“ sollte die City Nord werden, beschlossen die Hanseaten einst. Daran hat sich nichts geändert, und Grün gibt es auch noch reichlich drum herum. Heutzutage beinhaltet die Renaissance des Standortes daher eher neue Projekte und neue Mieter als Grünflächensanierung: Aktuell entwickelt Hansainvest, eine Tochter der Signal-Iduna-Gruppe, am Überseering einen Neubau mit 20.000 qm vermietbarer Fläche. Das Besondere: Es wird interne Geschossgärten geben, eine Art „grüne Lunge“ innerhalb des Gebäudes.

Im Juni haben die Deutsche Telekom und TAS einen Mietvertrag für das neue Bürohaus am Überseering unterzeichnet. Die alte BP-Zentrale weicht einem 9-stöckigen Bau mit 36.000 qm Vermietungsfläche, die künftig Telekom-Mitarbeiter beherbergen soll. Erst 2013 hatte TAS das ehemalige BP-Grundstück von der Allianz Real Estate, das zu dem Zeitpunkt schon zwei Jahre leer stand, gekauft. Neben der Büroimmobilie planen die Hamburger auch ein Vier-Sterne-Hotel. Das neue Holiday-Inn am Kapstadtring wird mit 60 Metern das höchste Gebäude der City Nord werden. Ursprünglich war das Hotel, das vom Wiesbadener Unternehmen Bierwirth & Kluth betrieben werden soll, kleiner geplant, als es jetzt tatsächlich gebaut wird. „Wir wollten eigentlich nur 150 Zimmer, aber auf Wunsch des Hamburger Oberbaudirektors wurden daraus 300 Zimmer“, so Schwarz. Um die Auslastung macht er sich dennoch keine Sorgen. Vor allem am Wochenende sei die Auslastung durch viele Gruppenreisen gewährleistet, die große Hotels suchten. Das ginge auch aus entsprechenden Gutachten hervor.

Als drittes Objekt plant TAS auf dem Grundstück Überseering 3 ein Parkhaus mit 650 Stellplätzen sowie eine Einzelhandelsfläche, für die es zunächst keine Interessenten gab. Der Grund: Mit knapp 2.000 qm ist die Fläche für einen Vollsortimenter zu klein, für alle anderen zu groß. Jetzt werden Bäcker und Einzelhandel kombiniert einziehen. Im Oktober soll der Deal über den Tisch gehen. „Potentiellen Mietern ging es hauptsächlich um die Frage nach der Vermarktung nach 18 Uhr“, sagt  Schwarz. „In der City Nord ist ja nach Büroschluss und sonnabends nicht mehr viel los.“

Das soll sich bald ändern, und das Einzugsgebiet der City Nord größer werden. Im Rahmen des Stadtentwicklungsprojekts „Pergolenviertel“ will die Stadt in Nachbarschaft zur City Nord 1.350 Wohnungen schaffen – und dabei die 330 Kleingärten in der Gegend mit einbeziehen. Laut Jutta Blankau ist das Projekt „eine Entlastung für die Wohnungsmärkte in Barmbek und Winterhude“. Die Idee der Stadtentwicklungssenatorin: Wenn dort ein paar tausend Menschen wohnen, wird sich automatisch die City Nord beleben und langfristig mit Barmbek zusammenwachsen.

Die Hoffnung der Planer beruht darauf, dass Büroquartier und geplantes Wohngebiet nicht von großen Straßen oder Bahngleisen durchschnitten werden – anders, als etwa im Katharinenviertel in der Innenstadt, das immer durch die Willy-Brandt-Straße vom Rest der City getrennt sein wird. Zumindest so lange, bis diese Verkehrsader einer neuen Bestimmung weicht. Visionäre wollen die Straße in einen autofreien Boulevard verwandeln. Das wäre ebenso kühn wie der Gedanke des einstigen Oberbaudirektors Werner Hebebrand, der in den späten 50er Jahren eine Idee von New York nach Hamburg transportierte: eine Bürostadt im Grünen, um die stetige Nachfrage nach Büroflächen in der prosperierenden Hansestadt der Nachkriegszeit zu stillen.