Immo AG’s – Muckt das Stimmvieh endlich auf?

IVG-Desaster führt zu GSW-Eklat

Kulturwandel des Aktionärsverhaltens oder doch nur Einzelfall-Aversion, dürfte als Frage im Raum stehen. Der Markt hat ein langes Gedächtnis. Auf der GSW HV am Montag kam es zu einem irgendwie seit langem erhofften Eklat, seit es sich eingebürgert hat, dass Vorstände und Aufsichtsräte mit Aktionären und Unternehmensvermögen ungestraft machen können, was ihnen als jeweilige Karrierestufe oder berichtsrelevante Prozyklik angemessen erscheint. Leider traf es die eigentlich unbeteiligte GSW, als Vorstandsvorsitzender und Aufsichtsratsvorsitzender mit dem brutalen Misstrauen insbesondere auch der institutionellen Aktionäre konfrontiert wurden. Wenn das ohne Konsequenzen bleibt, haben es die Aktionäre wohl auch nicht anders verdient. Aus Analystenkreisen hören wir ein „endlich wehren sich einmal die Aktionäre“. Das macht Hoffnung für die IVG HV am 30.8.2013.

Auf der Hauptversammlung des Berliner Wohnimmobilienbestandshalters GSW Immobilien AG, deren Aktie seit Börsengang in 2011 bis zum Jahreswechsel eine Erfolgstory schrieb und zunächst auch den Weggang  des langjährigen CEO Thomas Zinnöcker gut verkraftete, kam es zum Eklat. Das Netz der Old Boys Connection der ersten Generation der Immobilienaktien reißt ein. Der neue Vorstandschef der GSW, Bernd Kottmann (55), dessen Ernennung unter Insidern schon mit Überraschung aufgenommen war, war nach kurzer Zeit von seiner Vergangenheit als IVG Finanzvorstand der Milliardenvernichtungsphase eingeholt worden. Die Aktie geriet nach kurzer Erkenntnis-Zeit in den Sturzflug. Auf der HV hatte der 1969 gegründete niederländische Pensionsfonds PGGM, der ca. 140 Mrd. Euro verwaltet und in der deutschen Immobilien-Szene seit über 30 Jahren als seriöser Investor bekannt ist, einen Putsch angezettelt. Deutet sich ein Kulturwandel an? Institutionelle Immobilienanleger in Fonds und Aktien haben bislang desaströse Entwicklung eher stillschweigend nach dem Motto „der Depp in der Story wären doch wir“ hingenommen. Das könnte sich jetzt endlich ändern.

Zu den Fakten: DGAP meldet, dass sich für den auf der GSW Hauptversammlung beantragten Vertrauensentzug gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden, Bernd Kottmann, 63,31% des anwesenden Grundkapitals aussprachen. Das dürfte nach „Der Immobilienbrief“-Erinnerungen in der Immobilienwirtschaft beispiellos sein. Der Aufsichtsrat, der naturgemäß Kottmann gerufen hatte, wobei dies die Presse dem ehemaligen IVG-Vorstandsvorsitzenden und GSW AR-Vorsitzenden Eckard John von Freyend zuschreibt, werde sich in den nächsten Tagen zusammensetzen, heißt es. Dabei sprang von Freyend auch selber nur ganz knapp von der Aktionärs-Kehrschaufel. Für die Abberufung von von Freyend als Aufsichtsratsmitglied stimmten 69,63% des anwesenden Grundkapitals. Für die Annahme des Antrags von PGGM wäre eine Mehrheit von 75% erforderlich gewesen. Schade, dass die GSW, die eigentlich alles richtig gemacht hatte, in den Sumpf hineingezogen wurde. Aus der Börsen-Szene hören wir aber dennoch Erleichterung darüber, dass Aktionäre sich endlich einmal nicht mehr alles gefallen lassen.

Der Autor kennt von Freyend und Kottmann als frühere IVG-Vorstände naturgemäß seit 20 Jahren. Der heutige IVG-Vorstand um Professor Schäfers hat regelmäßig deutlich gemacht, dass die Vergangenheit durch wahnsinnige Investitionen wohl ungedeckte Schulden von 1,7 Mrd. Euro hinterlassen hat. Kottmann war in der unseligen Leichnitz-Ära verantwortlicher Finanzvorstand. Sportlichkeit hat bei der IVG Tradition. 1993 am Höhe- bzw. Wendepunkt eines langfristigen Immobilienbooms speziell bei Gewerbe ging die IVG an die Börse. Für die Privatisierung zeichnete von Freyend als Ministerialdirektor „Industrielles Bundesvermögen“ des Bundesfinanzministeriums (BMF) verantwortlich. Das Timing war genial, wie der BulwienGesa-Index verdeutlicht (siehe BulwienGesa-Chart-Montage – orange verdeutlicht Gewerbeimmobilienabsturz, bis 1990 ist gelb der Gesamtindex aus Wohnen UND Gewerbe). (Frau Götza, bitte darauf achten, dass der Chart ziemlich genau in dieser gegend bleibt) Das anschließende Wert- und Mietdesaster am Immobilienmarkt wurde von der Szene zunächst als Zyklus im Gefolge der Vereinigungskrise abgetan. Übrigens erkannte „Der Immobilienbrief“/“Der Platow Brief“ zwar als erster, wenn auch sehr spät. Bis zur Erkenntnis der echten Markttransformation, die mit Zyklus nichts zu tun hat, mit der Erschwernis der Überbauung der Internet-Boomphase dauerte es auch beim Autor bis ins neue Jahrtausend.  Ende der 90er Jahre am Tiefpunkt der Entwicklung fiel in der „von Freyend-Ära“ die Basisentscheidung für das Squaire, das viele hundert Millionen Verlust eingespielt hat. Eigentlich hätte es bei realistischer Preisgestaltung des Jahres 1998 nur gut gehen können. Wahrscheinlich nahmen die Matadore der alten Boomzeit von Kriegsende bis 1993 aber eine Preisexplosion auf 1993er Niveau an. Volkswirtschaftlich verständlich wird das Desaster aber mit Blick auf den Chart nicht.

Das Milliardenloch gruben dann VV Wolfhard Leichnitz, der zum 1.7.2006 von Freyend abgelöst hatte, und Finanzvorstand Kottmann, der am 1.1.2007 von dem eher zurückhaltenden Dirk Matthey das Finanzressort übernommen hatte, immer tiefer. Matthey hatte nach wenigen Leichnitz-Monaten sein Amt niedergelegt. Schon nach 100 Leichnitz Tagen hatte „Der Immobilienbrief“/Platow ihn immobilienwirtschaftlich als Falschfahrer auf der Autobahn identifiziert. Aber 2 Vorstands-Jahre reichten für ein Milliardendesaster.

Obwohl längst die Markttransformation speziell auf dem Frankfurter Büromarkt evident war, zog Leichnitz nicht mit 25 Mio. Minus beim Squaire die Stecker, sondern versenkte vielleicht eine knappe halbe Milliarde durch seine Development-Großmannsucht mit dem Baubeginn in eine Betonplatte, die ihm noch nicht einmal gehörte. Wobei auch hier die Marktentwicklung ihm leicht Recht gab. Wie ist aber dann der Kostenwahnsinn bzw. die Baukalkulation zu verstehen?

Kottmann wiederum, den wir gerne mit „man muss das Momentum nutzen“ in Erinnerung behielten, gab im Interview mit der Immobilien Zeitung letzte Woche zu, dass die IVG vor seiner Finanzvorstandszeit konservativer aufgestellt gewesen sei. Aber man habe die Auflage eines großen Reit geplant, für den viele Immobilien kreditfinanziert gekauft worden seien. Dann sei mit Lehman die Welt zusammengebrochen.

Und übrigens hörten wir später von vielen Verantwortlichen, auch dem Pressebetreuer, dass nur wenige Wochen gefehlt hätten, dann wäre „alles gut gegangen“. Man erinnere sich an die gerade 5 Jahre alte Periode, in der man zu Höchstpreisen in Höchsttempo Immobilien-Milliarden zusammenklotzten wollte, um sie dann in einen Reit zu packen. Das anschließende Aktionärsdesaster wäre dann immer noch in die Kategorie „gut gegangen“ gefallen und die Manager hätten sich als Matadore feiern lassen. Kottmann sieht die Ära heute als „in die Pflicht genommen“ an. Verantwortungsbewusstsein scheint ihm wohl nicht am Platz.

Der GSW Aufsichtsrat wird vor der Entscheidung stehen, nach amerikanischem Muster doch auf die „unschätzbar wertvollen persönlichen Erfahrungen“ Kottmanns zurückzugreifen oder sich alternativ dem Aktionärs-, Geschädigten- und Pressedruck bzw. dem Verantwortungsaspekt zu beugen. Aus „Der Immobilienbrief“-Sicht war es auf jeden Fall an der Zeit, dass Immobilienaktionäre, die mit vielen Aktieninvestments langfristig in der Gülle schwammen, sich wehren. Hoffentlich setzt sich das am 30.8. bei der IVG HV fort. Warum die heutige IVG trotz Einlassungen von Journalisten zwar die Vergangenheit moniert, jedoch auf zivilrechtliche und behördliche Klärung verzichtet, bleibt schleierhaft. Umso bedauerlicher ist es natürlich, dass jetzt wieder Sippenhaft-Gefahr für die seriösen und gut gemanagten AG’s besteht.