Immobilieninvestitionen – Crowdfunding – Die Masse macht’s

Alexander Heintze

Immobilienfinanzierung über die Crowd, also die Masse an privaten Anlegern, ist in Deutschland noch Neuland. Jetzt hat es die Plattform „kapitalfreunde.de“ geschafft, eine erste Immobilienentwicklung mit Mini-Investments zu finanzieren.

Die Immobilienfinanzierung in Deutschland könnte vor einer kleinen Revolution stehen. Erstmals hat eine Crowdinvesting-Plattform in Deutschland genug Geld eingesammelt, um ein Immobilienprojekt umsetzen zu können. Über die Internetseite kapitalfreunde.de investierten 74 private Anleger im Schnitt jeweils rund 915 Euro, um die Revitalisierung des Wohn- und Geschäftshauses „Kleiner Ritter” im Frankfurter Stadtteil Alt-Sachsenhausen zu finanzieren. Insgesamt kamen so 67.750 Euro zusammen. Die Mindestbeteiligung lag bei 250 Euro. Ursprünglich sollten bis zu 200.000 Euro eingesammelt werden. Michael Ullmann, Geschäftsführer der Betterterms GmbH, ist dennoch zufrieden. Betterterms ist der Betreiber der Crowdinvesting-Plattform „kapitalfreunde.de“. Die Mindestsumme, um das Projekt umsetzen zu können, lag bei 50.000 Euro. Dieses Ziel wurde deutlich übertroffen.

Viele Anleger finanzieren eine Immobilie. Das klingt im ersten Moment nach einem geschlossenen Fonds. Doch Crowdinvesting ist eine Finanzierungsart, bei der viele Anleger ein Projekt mit kleinen Beträgen finanzieren. Bisher sammelten vor allem Start-up-Unternehmen über Plattformen wie Companisto, Gründerplus, Innovestment, oder Seedmatch. Kapitalfreunde.de macht erstmals die Immobilienfinanzierung möglich.

Das Geld soll in den Umbau eines Fachwerkhauses in der kleinen Rittergasse in ein modernes Wohn- und Geschäftshaus gesteckt werden. Neben Bankkrediten und Eigenkapital des Entwicklers stellen die Anleger die 67.750 Euro als Nachrangdarlehen, sogenanntes Mezzaninkapital, zur Verfügung. Dafür bekommen sie nach Abschluss der Umbauarbeiten und nach dem Verkauf des Gebäudes einen Zins von sechs Prozent pro Jahr. Die Zinsen sollen aus den Mieteinnahmen nach Abzug der Fremdkapitalzinsen gezahlt werden. Die Rückzahlung des Nachrangdarlehens soll dann nach der Übernahme des Objektes in den langfristigen Anlagebestand des Projektentwicklers oder durch einen Verkauf an Dritte erfolgen. Somit gibt es nach vier Jahren etwas mehr als 24 Prozent des jeweiligen Darlehensbetrags obendrauf.

Allerdings mit Risiko. Denn Nachrangdarlehen werden bei einer Pleite des Bauherren erst zurückbezahlt, wenn alle anderen Gläubiger ihr Geld bekommen haben. Zugunsten des Nachrangdarlehens wird immerhin eine nachrangige Grundschuld eingetragen, die über einen Sicherheiten-Treuhänder gehalten wird. Über diesen gehen auch die Einzahlungen, die während des Funding-Zeitraums eingesammelt wurden.

„Das Risiko ist nicht größer als bei einem geschlossenen Immobilienfonds“, betont Ullmann. Im schlimmsten Fall droht bei beiden Varianten der Totalverlust.

Eine weitere Sicherheit: Das Wohn- und Geschäftshaus ist bereits weitgehend vermietet. Die Gewerbeeinheit in Erd- und Untergeschoss sowie die vier Büroeinheiten im ersten Obergeschoss sind an ein Fotografen-Kollektiv vermietet. Eine Wohnung und die Restflächen sollen erst nach Fertigstellung vermietet werden. Auch die Baugenehmigung für das Projekt ist mittlerweile erfolgt.

Ullmann will nach dem Erfolg weitere Immobilien über die Plattform finanzieren lassen. Noch in diesem Quartal soll ein Folgeprojekt vorgestellt werden. Allerdings gestalte sich die Auswahl schwierig, so Ullmann. Denn eine Plattform für Immobilienentwickler, die bei der Bank kein Geld mehr bekommen und nun andere Finanzierungsmöglichkeiten suchen, soll kapitalfreunde.de nicht werden. Hier dürfte auf Sicht auch die Schwarmintelligenz der Anleger eine Auswahl treffen. Denn schlechte Projekte, das zeigen die Erfahrungen auf herkömmlichen Crowdfunding-Plattformen, bekommen erst gar nicht genug Geld. Vorstellen kann sich Ullmann auch, andere Sachwerte wie erneuerbare Energien durch private Kleinanleger finanzieren lassen.

Schwarmfinanzierung ist in Deutschland generell auf dem Vormarsch. Seit vor rund zwei Jahren die ersten Plattformen in Deutschland starteten, wurden laut einer aktuellen Marktbeobachtung der Gründungsberatung Für-Gründer.de steckten Investoren insgesamt rund 4,7 Millionen in die unterschiedlichsten Ideen und Vorhaben.

2012 konnten über Crowdinvesting-Plattformen 30 Start-ups insgesamt 2,7 Millionen Euro einwerben. Beim Crowdinvesting suchen vor allem Start-up-Unternehmen eine Anschubfinanzierung in der Gründungsphase. Die Geldgeber bekommen dafür einen Anspruch am zukünftigen Gewinn des Unternehmens oder sie profitieren vom Erlös, wenn die Firma später einmal verkauft wird oder an die Börse geht. Vor allem professionelle Investoren spekulieren auf einen solchen Abschluss ihres Engagements, da dieser ein Vielfaches des Ursprungsinvestments einbringen kann. Denn beim Crowdinvesting verfolgen eine klare Renditeabsicht – im Gegensatz zum Crowdfunding, bei dem Geld zum Beispiel für soziale oder künstlerische Projekte eingesammelt wird und die Belohnung eher ideeller Natur ist.

Die Finanzierung von Immobilien ist dagegen neu. In anderen Ländern wird bereits erfolgreich mit der Finanzierung über das Internet experimentiert. In Kolumbien finanzierte die New Yorker Immobilienfirma Prodigy Network den BD Bacatá über das Internet. Mit 66 Stockwerken ist es das höchste Gebäude Kolumbiens. Weit über 3.500 Anleger haben rund 172 Millionen US-Dollar zur Finanzierung des 240 Millionen Dollar teuren Gebäudes beigetragen. Allerdings mit deutlich höheren Summen. Denn die Mindestbeteiligungen liegen, nicht zuletzt wegen regulatorischer Auflagen in den USA, bei 40.000 Dollar. Eine weitere Besonderheit ist, dass die Anleger ihre Anteile auf einem Zweitmarkt handeln können.

Prodigy will nun weitere Projekte über die Internetseite finanzieren. Unter anderem soll eine Immobilie in Downtown New York für 58 Millionen Dollar gekauft werden. Weitere 32 Millionen Dollar sollen für eine Renovierung aufgenommen werden. Die Mindestbeteiligung liegt hier bei stolzen 250.000 US-Dollar.

Allerdings könnten die Mindestsummen in den USA, dem Erfinderland des Crowdfundings, bald drastisch sinken. Der Jumpstart Our Business Startups Act (JOBS) ermöglicht es Privatanlegern künftig bis zu 2.000 US-Dollar im Jahr oder fünf Prozent ihres Einkommens in kommerzielle Immobilienprojekte zu investieren. Die US-Plattform Fundrise hat bereits rund 3,2 Millionen Dollar von 195 Anlegern eingesammelt, darunter auch schon erste Summen von Kleinanlegern. Das Geld geht in kleinere Immobilienprojekte in den USA.

Auch in Deutschland wünscht sich Ullmann einen schnellen Erfolg der Idee. Der Vorteil liegt in den geringen Anlagesummen und in der einfachen Handhabung – für den Kapitalsuchenden ebenso wie für den Kapitalgeber. Ersterer fällt durch die Konzeption als Mezzaninkapital nicht unter das Kreditwesengesetz. Da es sich auch nicht um eine Beteiligung handelt, besteht auch keine Prospektpflicht. Der Kreditgeber kann mit kleinen Summen am Projekt partizipieren und das Geschäft schnell über das Internet abschließen. Für den Immobilienentwickler steht dagegen die günstige Finanzierung im Vordergrund. Das Mezzaninkapital ist oftmals günstiger als der Bankkredit und belastet durch die (teilweise) Anerkennung als Eigenkapital nicht die Bonität. Er bezahlt neben dem Zins lediglich eine Gebühr an die Plattform. Ullmann sieht daher ein großes Wachstumspotenzial: „Es macht in kaum einer anderen Industrie so viel Sinn wie bei Immobilien“, ist er überzeugt.