Immobilienmarkt Warschau – Top-Player der B-Metropolen

Unter dem Motto „Eine Reise über die Grenzen der europäischen Core-Märkte hinaus“ lud das französische Unternehmen BNP Paribas Real Estate ausgewählte französische, englische und deutsche Journalisten nach Warschau, um den polnischen Markt vorzustellen, der bei immer mehr Investoren, Banken und Entwicklern ernsthaftes Interesse weckt. Dabei wurde eines deutlich: Die derzeitige gute wirtschaftliche Situation Polens ist vor allem dem Umstand geschuldet, nicht in den Euro eingetreten zu sein.

38,5 Mio. Menschen leben in unserem östlichen Nachbarland. 1,7 Mio. davon allein in der Hauptstadt Warschau. Sie ist nach der Zahl der Einwohner die zehntgrößte Stadt der Europäischen Union. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten Polens liegen deutlich über denen der meisten EU Staaten. Gemessen an der Wirtschaftsleistung ist Polen von den osteuropäischen Nationen das deutlich stärkste mit einem BIP-Wachstum von 2,05% in 2013. Die Prognosen sehen bis 2015 ein Wirtschaftswachstum von 3,5% voraus. Der jährliche Verbraucherpreisindex betrug im Schnitt in den letzten 10 Jahren 2,7%. Die Staatsverschuldung in Relation zum BIP liegt mit 56,83% deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 87,1%. Im Euro-Raum liegt sie sogar bei 92,6%.

Für Investoren ist Warschau vergleichbar mit Städten wie Dublin, Madrid, Amsterdam oder Mailand. Innerhalb dieses B-Metropolen steht Warschau gemessen am Investmentvolumen gut dar. Im ersten Quartal 2014 wurden in der Stadt an der Weichsel 489 Mio. Euro investiert. Damit liegt Warschau hinter Dublin mit 896 Mio. Euro auf dem zweiten Platz. Insgesamt betrug das Investmentvolumen in Warschau im letzten Jahr 1,4 Mrd. Euro. Hinter Dublin und Amsterdam ist das der dritte Platz.

Liberty Corner Warschau

Liberty Corner Warschau

Vor allem ausländische Investoren investieren seit Anfang 2013 sukzessive mehr Geld in den polnischen Markt. Wohl auch, weil die Investmentmärkte in den Core-Ländern abgegrast sind. Von den 24,4 Mrd. Euro, die bis zum ersten Quartal 2014 investiert wurden, kommen 11,1 Mrd. Euro aus dem Ausland. 48% davon aus dem Euroraum, 19% aus dem amerikanischen Raum, 14% aus dem restlichen Europa, 4% aus dem Nahen Osten, 2% aus Asien und 13% aus dem Rest der Welt. Stärkste Assetklasse sind dabei Büroobjekte mit 9,2 Mrd. Euro gefolgt von Einzelhandelsimmobilien mit 8,9 Mrd. Euro.

Die Spitzenrendite für Büroobjekte beträgt derzeit 6% und liegt damit im Ranking der B-Metropolen im Mittelfeld. Bei Einzelhandelsobjekten ist lt. BNPPRE ebenfalls eine Spitzenrendite von 6% derzeit erzielbar, was einen Spitzenwert im Ranking bedeutet. Inwieweit bei zweistelligen Erwerbsnebenkosten, die in der hier genannten Rendite noch periodisiert abgezogen werden müssen, die verbleibende Nettomietrendite in einer Metropole, die nach alten Erfahrungen der Nachwendezeit, durch Umwandlung innerstädtischen Gewerbes in Bürogrundstücke immer über hinreichende Grundstücksreserven in Stadtlage verfügt, die Risiken spiegelt, muss der Investor unter Alternativen- und Diversifizierungsgesichtspunkten wohl selbst entscheiden. Die Bürospitzenmiete beträgt in Warschau, als wichtigster polnischer Bürostandort 300 Euro pro qm und Jahr und ist damit vergleichbar mit Hamburg, Wien oder Düsseldorf.

Zu den Hauptinvestoren im polnischen Immobilienmarkt gehören die Retailer Tesco und Immochan sowie Carrefour. Auch deutsche Unternehmen wie die ECE, Allianz Real Estate und die Deka tummeln sich als Investoren auf dem polnischen Immobilienmarkt. Dabei geben vor allem in der Hauptstadt Warschau ausländische Investoren den Ton an. Über 90% des hier investierten Investmentvolumens kommt aus dem Ausland allen voran aus Deutschland mit 23% gefolgt von Frankreich (12%) und internationalen Investoren (11%). „Viele polnische Investoren sind nicht finanzstark genug, um mit internationalen Playern mitbieten zu können“, argumentiert Robert Borowicz von BNPPRE in Warschau. Fast 70% des polnischen Büroflächenbestands befindet sich in der Hauptstadt, in der sich die Leerstandsrate in den vergangen Jahren auf 16% fast verdoppelt hat. Grund hierfür ist lt. BNPPRE vor allem der spekulative Neubau, der nur langsam abgebaut werden kann. Auf die Mieten und Renditen hat das kaum einen Einfluss. Sowohl im Zentrum als auch in den Randbezirken sind die Mieten stabil bei ca. 25 Euro bzw. 15 Euro.

Auch der deutsche Fondsmanager GLL Real Estate investiert fleißig in Polen. „Polen und insbesondere Warschau ist ein interessanter Markt für uns“, meint Heike Beyer, die für die Vermietung des weltweiten Büroportfolios zuständig ist. Bisher vier Objekte gehören in Warschau zum Portfolio u.a. das moderne Objekt „Liberty Corner“ (Foto) in dem u.a. die irische Botschaft untergebracht ist. Insgesamt 43.000 qm Bürofläche verwaltet BNPPRE für GLL derzeit in Polen.

Ebenso im Einzelhandelssegment ist Warschau der unangefochtene Spitzenreiter innerhalb Polens sowohl beim Investmentvolumen, Renditen und Mieten. Dabei ist die Einzelhandelslandschaft in Polen anders als in Deutschland viel stärker von Shopping-Centern geprägt. Echte Einkaufsstraßen und Fußgängerzonen gibt es nicht. Auch der Tourismus kurbelt die Einzelhandelsumsätze und Attraktivität für Investoren an. 1,8% Leerstandsrate bedeuten zudem einen praktisch vollvermieteten Markt. Mieter müssen bis zu 100 Euro pro qm Miete zahlen. Landflucht und eine damit verbundene stetig wachsende Bevölkerung mit zunehmender  Dichte werden für nachhaltiges Wachstum in diesem Segment sorgen.

Das Logistiksegment wird ebenfalls durch die Aktivitäten in der Hauptstadt bestimmt. 2,7 Mio. qm Logistikfläche hat der Markt in Warschau zu bieten. Seit 2009 ist die Leerstandsrate von 18% auf knapp 10% gesunken. Das wirkt sich auch auf die Mieten aus, die bei bis zu 5,5 Euro liegen.

Für BNPPRE sprechen viele Gründe für ein Investment in Polen. Neben den robusten Fundamentaldaten sind auch die Arbeitskosten, die 20-30% niedriger als in Westeuropa sind, ein Argument für den polnischen Markt. Zudem ist Polen ein Profiteur der europäischen Euro-Krise, da viele Unternehmen, wie z.B. die Deutsche Hypo sich von den Märkten in Spanien verabschiedet haben und offenkundig ihr Interesse am polnischen Markt bekunden. In diversen Background-Gesprächen wurde immer wieder deutlich, dass das Festhalten an der eigenen Währung dafür gesorgt hat, dass der polnische Markt stabil durch die Krise kommt. Dies wird auch trotzdem so empfunden, obwohl einige Einzelhändler unter dem Verbleib im Zloty zu leiden gehabt haben, da die Mieten in Polen in Euro bezahlt werden, während die Einnahmen jedoch in Zloty erzielt werden. Der Zloty-Kurs hat in den letzten Jahren dazu geführt hat, dass Mieter bei gleicher Einnahmesituation plötzlich nahezu das Doppelte an Miete aufbringen mussten.