Kein Büroflächenüberhang durch Schweinezyklus

Krise und schwache Nutzernachfrage bremsen Prozyklik

In den letzten 15 Jahre wurden in den fünf größten deutschen Bürometropolen Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und München insgesamt rd. 18 Mio. qm Bürofläche in Neubauten und Sanierungen realisiert. Innerhalb dieses Zeitraums konnte Jones Lang LaSalle erhebliche zyklische Schwankungen feststellen. Im aktuellen Zyklus bleibt der Bauboom aber aus.

Durch den relativ langen Planungs- und Realisierungszeitraum von Projektentwicklungen reagiert das Flächenangebot nach Recherche von Jones Lang LaSalle zeitverzögert. Immobilieninvestments sind typisch für den sogenannten Schweinezyklus (Cob-Web-Theorem) und entfalten prozyklische Wirkung. In der Fertigstellungsstatistik ermittelt JLL eine typische Verzögerung von etwa zwei Jahren. 2002 in der Folge des Internetbooms wurden etwa 2,3 Mio. qm Bürofläche fertig gestellt, obwohl sich die Volkswirtschaft auf eine der stärksten Nachkriegskrisen zubewegte. 2007 gab es dagegen nur 570.000 qm Fertigstellungen im größten Investmentboom der Nachkriegsgeschichte, der der Finanzkrise voranlief. Diesmal bleibt lt. Helge Scheunemann, JLL-Researchleiter Deutschland, der Zyklus flach. Büronutzer bleiben zögerlich, so dass das Neubauangebot vielleicht auch auf Grund zurückhaltender Finanzierung niedrig bleibt. Aktuell werden vor allem Leerstände abgebaut. Insbesondere konzentrieren sich die Nutzer auf gute Lagen in der Innenstadt.

Die Analyse von JLL im Zeitverlauf seit 1997 hat ergeben, dass die Kurven der Fertigstellungen gegenüber den Flächenumsätzen eindeutig zeitverzögert verlaufen. Im 1. Zyklus zwischen 1997 und 2004 fand der Fertigstellungshöhepunkt zwischen 2001 und 2003 statt. Die Flächennachfrage stürzte aber bereits seit 2000 deutlich ab und erreichte in 2004 den tiefsten Wert.

Wir hatten damals für Sie herausgearbeitet, dass der Überhang, der in der Folge der Internetkrise gebaut wurde, den klassischen Zyklus für zwei oder drei Zyklen verändern werde. Die dramatische Überbauung musste Konsequenzen auch auf die Preisbildung haben. Dies
hat sich inzwischen bestätigt, da die Spitzenmieten nach wie vor nicht die früheren Höchstwerte auch nur nominal erreicht haben. Der Zusammenhang zwischen Spitzenmieten in einem tendenziell knappen Class-A-Neubau-Erstbezug-Markt und immer mehr vorhandenem Nachnutzungsangebot verwischt sich immer mehr. Während in
allen Zyklen vor Beginn der 1. Dekade des neuen Jahrtausends grundsätzlich Überangebot und Knappheit abwechselten und in der Hochkonjunkturphase auch schwache Flächen immer Nachfrager fanden, musste sich das in
der Folge der Überbauung ändern, da sich nicht mehr Überangebot und Knappheit, sondern lediglich Überangebot mit geringerem Überangebot abwechselten. Unsere These ist bis heute aufgegangen.

Grundsätzlich gingen seit dem Fertigstellungshöhepunkt von 2002 die Fertigstellungen insgesamt deutlich zurück. Einen nächsten Höhepunkt erreichten sie in der Folge des Booms von 2006/2007 in den Jahren 2009 und 2010, in denen wiederum die Flächenumsätze einen starken
Einbruch verzeichneten. Seit der Erholung 2011 verläuft die Entwicklung sehr viel flacher als in den vorangegangen
Zyklen. Die Umsätze gehen leicht zurück und werden sich nach Prognose von JLL ab 2014 auch wieder nur leicht erholen. Die Fertigstellungen bleiben 2013 niedrig und werden auch 2014 und 2015 nur wieder leicht zunehmen. Vor dem Hintergrund der anscheinend sich durchsetzenden generellen Änderung des Finanzierungsmarktes könnte die
Entwicklung aus „Der Immobilienbrief“-Sicht tatsächlich relativ bodennah bleiben und alle Erfahrungen früherer Zyklen außer Kraft setzen. Mit 30 Jahren Rückblick vermögen
wir allerdings nicht so recht an die nachhaltige Einkehr
einer Zurückhaltung glauben, vor allem, wenn durch
abnehmende Leerstände jetzt tatsächlich wieder mittelfristige Mietsteigerungen auch über das reine Core-Segment hinaus abzuleiten sind. ►

Aufgrund der geringen Grundstücksverfügbarkeit in Innenstädten weiten sich lt. JLL die Aktivitäten der Projektentwickler zunehmend auch auf Bestandsimmobilien aus. 2012 lagen die Kaufaktivitäten von Projektentwicklern bei Büroimmobilien zur Entwicklung mit rd. 770 Mio. Euro ca. sechsmal höher als 2006 mit 135 Mio. Euro. Gleichzeitig lag 2012 der Anteil unvermieteter, spekulativer Fertigstellungen mit rd. einem Fünftel in den fünf Metropolen so niedrig wie seit 2001 nicht mehr. Dies könnte lt. Scheunemann in den kommenden Jahren zu einer leicht erhöhten, spekulativen Bauaktivität führen. Einen Nachfragerückgang bei gleichzeitig stark wachsenden Fertigstellungen mit einer stark prozyklischen Wirkung wie in den Jahren 2001/2002 oder abgeschwächt 2008/2009 erwartet Scheunemann allerdings nicht. 2015 könnte sogar durch gleichzeitig leicht steigenden Flächenumsatz bei nur gering steigenden Fertigstellungen eine antizyklische Entwicklung einsetzen. (WR) □