Kommentar – Stadtumbau – Nichts leichter als das?

Dr. Thomas Beyerle

Beim Stadtumbau bewegt sich etwas. Mittlerweile vergeht kaum noch ein Tag, an dem nicht Initiativen gegründet, Meldungen via Tagesschau daherkommen oder Vorschläge zur Stadt der Zukunft gemacht werden, seien es Nachverdichtungsüberlegungen, temporäre Zwischennutzungen oder auch das Vorantreiben von hippen „Urban-Gardening“-Ideen, also die meist kleinräumige, landwirtschaftsbezogene Nutzung von Flächen, die eigentlich Siedlungsflächen sind. Auf übergeordneter Ebene fließen die Ideen – je nach Stadt mehr oder weniger erfolgreich – in die großräumigen Planungsüberlegungen ein, in die Stadtentwicklungsleitlinien, in die informelle und möglicherweise auch verbindliche Bauleitplanung. An Ideen, Visionen und Engagement zur Stadt von Morgen mangelt es also nicht. Aber: Hand aufs Herz – kann es die zweite Generation der legendären Wiederaufbaugeneration eigentlich? Wird dazu eigentlich das Wissen vermittelt an den gängigen Immobilienbildungsinstituten? Und: welche Rolle spielt die Immobilienwirtschaft in diesem Kontext? Meiner Meinung nach eine viel zu geringe – mehr noch sie bleibt eher unsichtbar, zu sehr im Hintergrund.

Wahrscheinlich ist, dass sie zu wenig Zeit hat für den Stadtumbau. Primäres Ziel ist für viele Immobilienunternehmen momentan, der kaum zu leugnenden Superhausse rund um den Wunsch der Deutschen nach innerstädtischem (Neubau-)Wohnraum zu befriedigen. Auch beeindruckende Refurbishmentbeispiele auch auf der gewerblichen Seite sind vor allem eines: eine Objektsicht, aber keine Stadtsicht. „Keine Zeit“ mag da aus der wohnungswirtschaftlichen Perspektive in der Tat ein Argument sein. Der Boom beim Wohnen und die wird allerdings irgendwann vorbei sein. Und was dann?

Noch kritischer ist, dass viele Immobilienunternehmen offensichtlich gar kein Interesse am Stadtumbau haben. Als Erklärung wird gerne nachgeschoben, dass das Ganze doch mehr oder weniger sinnlos sei. Wie die Stadt der Zukunft auszusehen hat, dass wissen doch diejenigen, die sie propagieren, selbst nicht einmal. Unumwunden zugegeben: Das stimmt! Da tauchen Visionen auf wie Parks und Landwirtschaft auf ganzen Etagen in Hochhäusern, verpackt in sensationelle Architektur, garniert mit innovativen technischen Spielereien. Für sich genommen wirkt das auch durchaus irgendwie überzeugend. Doch den klassischen Objektblickwinkel, den die Immobilien-wirtschaft mitbringt, also der Cashflow-Fokus, den haben die Visionäre oft nicht. Müssen sie vielleicht auch nicht haben, dafür sind es Visionäre. Aber wenn es sich nicht rechnet, wird es wohl auch nicht realisiert. Noch bedrohlicher: Die Bewegung „Recht auf Stadt“, fast schon als Relikt aus den 68er abgetan, gewinnt dieser Tage wieder spürbar an Dynamik. Hier wird wieder die Meinungshoheit zu einem Thema „anderen“ überlassen.

Den Stadtumbau sinnvoll zu gestalten, kommt der Quadratur des Kreises gleich. Oder einer Operation am lebenden Herzen. Die Lösungen liegen irgendwo zwischen Verdichtung (mehr Wohnraum auf gleicher Fläche inklusive Infrastruktur), grünen Lungen (mehr Parks wollen alle), besserer sozialer Durchmischung (das will die Politik und die Öffentliche Hand) und Bezahlbarkeit („günstige Miete“ – das wollen alle, außer manch Vermieter vielleicht). Allen Anforderungen gerecht zu werden, dürfte unmöglich sein. Zumal sich die Stadtumbauprozesse „live“ gestalten, nicht unter Laborbedingungen. Der eine oder andere zukunftsforsche Visionär verschweigt dies mitunter.

Gerade diese Lücke sollte von unserer Branche geschlossen werden. Statt am Ende zu klagen, sollten sich Investoren, Projektentwickler, Makler oder auch Finanzierer gleich zu Beginn einzubringen. Jetzt. Natürlich – die Ansätze sind ja längst da – siehe agenda 4 oder die Zivilarena, private Unternehmen engagieren sich in der Quartiersentwicklung, vielleicht auch, weil viele ahnen, dass die großen Herausforderungen der Zukunft nur in großräumigen Maßstäben gelöst werden können. Unsere Branche ist so vielschichtig, da muss es möglich sein, einen langfristigen Mehrwert für die wichtigsten städtischen Zukunftsfragen zu liefern. Schon aus ureigenem, ökonomischem Interesse. Stadtumbau ist machbar.