München – Gerede schafft keinen Wohnraum

Alexander Heintze

München braucht Wohnungen, und zwar schnell. Der Wohnungsmarkt platzt aus allen Nähten, die Preise und Mieten explodierten die vergangenen drei Jahre regelrecht.  Lösungen sollte die regionale Wohnbaukonferenz aufzeigen, zu der die Stadtregierung Mitte März geladen hatte. Doch konkrete Ergebnisse gab es nicht.

Allein im vergangenen Jahr sind die Mieten in der bayerischen Landeshauptstadt um rund vier Prozent gestiegen. Die Preise für Eigentumswohnungen kletterten um bis zu 20 Prozent. Und die Aussichten deuten nicht auf ein schnelles Ende dieser Entwicklung hin. Heike Piasecki von BulwienGesa rechnete auf der regionalen Wohnbaukonferenz in München vor, dass bis zum Jahr 2030 rund 1,52 Millionen Menschen in der Landeshauptstadt leben werden. Das sind über zehn Prozent mehr als 2011. Andere Berechnungen gehen sogar von einer Steigerung um rund 15 Prozent auf 1,65 Millionen Einwohner aus. Auch da Umland wird zulegen. Die angrenzenden acht Landkreise München, Fürstenfeldbruck, Landsberg, Starnberg, Dachau, Erding, Freising und Ebersberg, werden 2030 mit 1,45 Millionen Menschen ebenfalls fast zehn Prozent mehr Einwohner aufweisen als heute. Diese Menschen brauchen Wohnungen und die sind knapp.

 

Alles nichts Neues, meinte Oberbürgermeister Christin Ude. Schon vor 25 Jahren hätte es eine ähnliche Situation gegeben. Auch damals seien die Mieten um gut 14 Prozent in einem Jahr gestiegen. „Wir haben es mit einem Dauerphänomen zu tun“, sagt Ude. Ein Dauerphänomen ist auch, dass über Wohnungsknappheit, Massenandrang bei Wohnungsbesichtigungen und die Verdrängung der Normalverdiener aus dem Stadtbild geredet wird. Die Stadt brüstet sich, seit 1990 ganze 115.000 Wohnungen neu geschaffen zu haben. Das sind 5.200 pro Jahr. So viel Wohnraum schaffe keine andere deutsche Großstadt.

Doch es reicht nicht. In der gesamten Region München rechnet BulwienGesa bis 2030 mit einem Bedarf von 11.300 zusätzlichen Wohneinheiten pro Jahr. Mit 6.500 entfallen mehr als die Hälfte davon auf die Landeshauptstadt.

 

Also suchten Vertreter der Stadt, der angrenzenden Landkreise, der Bauunternehmen und Wohngenossenschaften auf der Konferenz nach Lösungen, diese Zahl zu steigern.

Stadtbaurätin Elisabeth Merk rechnet vor, dass etwa durch Umstrukturierungen von Gewerbeflächen rund 4.700 Wohneinheiten geschaffen werden könnten. Eine konsequente Bebauung des Stadtrandes würde noch einmal rund 12.000 Wohneinheiten ermöglichen. Das größte Potenzial sieht Merck in der Nachverdichtung. Bis zu 830.000 Wohneinheiten könnten so neu entstehen. Genug, um das Wohnungsproblem nachhaltig zu lösen. Doch leider sind das bloß Zahlenspiele. In der Vergangenheit zeigte sich die Stadt äußerst zurückhaltend, was die Ausweisung neuer Flächen anging. Und auch bei den Nachverdichtungen suggeriert die Zahl mehr als letztlich umzusetzen ist. Nachverdichtung, Aufstockung und Umwandlung von Grünflächen – „jedes Wort kann eine Bürgerinitiative auslösen“, weiß Ude aus Erfahrung. Dass neue Wohnungen gebaut werden müssen, darin bestehe Einigkeit. „Aber bitte am anderen Ende der Stadt“, so Ude.

 

Lieber will die Stadt das Umland stärker in die Pflicht nehmen. „Die Probleme müssen großflächig in der Metropolregion angegangen werden“, sagt Merck. Die Umlandgemeinden haben dafür Verständnis, stellen aber deutliche Forderungen auf. Thomas Karmasin, Landrat des Kreises Fürstenfeldbruck machte klar: „Keine neue Wohnungen ohne neue Arbeitsplätze“, erteilte er der Stadt eine Absage, dass die Landkreise als reine Wohnstätten zur Verfügung stünden. Die Umlandgemeinden fordern dafür Arbeitsplätze und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur – vor allem der S-Bahn. Damit wurde das Problem elegant nach Berlin verlagert, da der Bund für den Ausbau zuständig ist. Und in München bleibt das Gefühl, man habe ja etwas getan.

Immerhin. Die Stadt erklärte sich „in gewissem Umfang bereit, Gewerbeansiedlungen im Umland stärker zu unterstützen“. Das klingt nicht danach, dass es hier zu einer schnellen Zusammenarbeit kommen könnte.

 

Stattdessen wird nach dem Gesetzgeber gerufen. „Die geplante Mietbegrenzung löst nicht das Problem der Altbauspekulation“, wetterte Ude. Helfen könnte etwa ein Gesetz, das die sogenannten Luxussanierungen unten einen Genehmigungsvorbehalt der Stadt stellt. Damit könnten Umwandlungen von günstigem Wohnraum in teure Luxuswohnungen zu begrenzen. Außerdem wurden Forderungen an die Landesregierung gestellt, auf Verbesserungen der Wohnungsbauförderung und für die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung zu drängen. Verantwortungsverlagerung statt Lösungsversuch.

 

So mancher Besucher der Konferenz hätte da schon Ideen. So erhofft sich Jürgen Büllesbach, Vorsitzender der Geschäftsführung der Bayerischen Hausbau, vorstellen, von der Konferenz mehr Druck auf die Umlandgemeinden. Viele S-Bahn-Stationen seien auf der grünen Wiese entstanden und könnten zu Wohngebieten entwickelt werden, erklärte er dem Immobilienbrief am Rande der Konferenz.

 

Andere Redner wie Matthias Ottmann, geschäftsführender Gesellschafter der Südhausbau, oder Gordona Sommer, Geschäftsführerin der städtischen Wohnungsgenossenschaft Gewofag, sehen den geförderten Wohnungsbau als eine Maßnahme, günstigeren Wohnraum zu schaffen. Während Ottmann nur die grundsätzliche Bereitschaft erklärte, ließ Sommer wissen, dass die Gewofag in den nächsten fünf Jahren 3.000 Wohnungen im Gesamtvolumen von einer Milliarde Euro errichten will. Diese Wohnungen sollen auf den ehemaligen Kasernenflächen der Stadt aber auch durch Nachverdichtung an bestehenden Standorten entstehen. Sie rechnet aber auch hier mit erheblichem Widerstand der betroffenen Anwohner.

Wirtschaftsreferent Dieter Reiter, der 2014 Nachfolger von Christian Ude als Oberbürgermeister werden will, dachte laut darüber nach, ob die Stadt angesichts der hohen Grundstückspreise städtische Flächen für den Wohnungsbau unter dem Marktwert veräußern könnte. Vor allem Genossenschaften könnten so günstiger an Grundstücke herankommen.

 

Wie wichtig es ist, das Problem anzugehen, unterstrich Peter Kammerer, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Münchener IHK. Er befürchtet, dass sich Unternehmen günstigere Standorte suchen können, wenn die Mitarbeiter die Wohnungen nicht mehr bezahlen können. Ein Argument, dass eher der Verbandspolitik als der Realität geschuldet sein dürfte. In der Vergangenheit konnten die hohen Mieten vor allem große Unternehmen nicht davon abhalten, nach München zu kommen oder hier zu expandieren.

Die Stadt spielt auf Zeit. Denn vielleicht entschärft sich das Problem ja von alleine. Piasecki ist überzeugt, dass die Spitze bei der Preisentwicklung erreicht ist. Die Preise werden weiter steige, aber eher „im Sinne einer Seitwärtsbewegung und nicht mehr in den Größenordnungen“, meint die BulwienGesa-Expertin. Die Grenze der Belastbarkeit sei vielerorts erreicht. Also sollen die Teilnehmer der Konferenz die Vorschläge erst einmal in ihre Gremien und Initiativen einbringen. So bleibt die Erkenntnis: Im Wahljahr will die Stadt unbedingt den Eindruck erwecken, sie nehme die Sorgen der Bürger ernst und tue etwas gegen die Wohnungsnot und gegen hohe Mieten. Doch Gerede, Forderungen und Absichtserklärungen alleine schaffen keinen einzigen Quadratmeter Wohnraum.