Nachhaltigkeit ist in der realen Welt angekommen

„Nachhaltigkeit“ präsentierte sich zunächst als Modewort und Marketing-Instrument der vergangenen 5 Jahre. Die erste Ausarbeitung zum Thema Nachhaltigkeit erreichte uns vor etwa 10 Jahren ausgerechnet an einem 1. April. Es hat entsprechend auch lange gedauert, bis bei „Der Immobilienbrief“ die Aspekte nachhaltiger Immobilieninvestments über den Marketing- und Energiesparansatz hinaus Akzeptanz fanden. Ein Background-Gespräch mit der Bank Sarasin, die seit 160 Jahren den Aspekt Nachhaltigkeit als Firmenphilosophie vertritt, hat mit der erweiterten Definition „Nachhaltigkeit ist in Regeln gegossener gesunder Menschenverstand“ dazu beigetragen. Aris Prepoudis von Sarasin schaut entsprechend auch lächelnd auf den oft vertriebsorientierten Nachhaltigkeits-Ansatz von Immobilien- und Fondsunternehmen. Nachhaltig denken, heiße zu tun, was Sinn mache. Natürlich ließe sich mit Atomenergie, Zigaretten, Übergangstechnologien oder auch genetisch manipulierte Lebensmittel vorübergehend Geld verdienen. Jedoch mache beides langfristig keinen Sinn. Insofern habe Sarasin immer auf entsprechende Investments verzichtet. Bezogen auf die Immobilie heiße Nachhaltigkeit aber auch Rückkehr zu den klassischen Tugenden der Immobilienwirtschaft. Nachhaltigkeit bedeute, sich zurück zu nehmen und eben viele Dinge nicht zu tun. Dabei wird aus Sicht von Sarasin Nachhaltigkeit rein ökonomisch angegangen und nicht nach einem ethischen Ansatz. „Ethical Investments“ verfolge immer einen „Gut/Böse“-Ansatz, den Sarasin nicht teile. Für Andreas Kneip, Vorstandsvorsitzender der Catella KAG, ist Nachhaltigkeit mit dem nordischen/schwedischen Catella-Hintergrund kein Modethema. Soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit werde in wenigen Jahren eine selbstverständliche Nebenbedingung eines erfolgreichen Immobilieninvestments sein. Nachhaltigkeit werde zu einem entscheidenden Wert- und Renditetreiber.

Auch für Christoph Schumacher, GF Union Investment Institutional Property, ist Nachhaltigkeit weniger ein neues Ziel, sondern ebenfalls inzwischen wichtige Bedingung für ein langfristig erfolgreiches Investment. Allerdings müssten Investoren bei der Beurteilung der Nachhaltigkeit von Gebäuden weiterhin mit Unschärfen leben. Zwar kristallisiert sich in Europa ein Set an Kennzahlen heraus, mit dem die Unternehmen ihre Gebäudebestände auf ökologische Nachhaltigkeitsaspekte hin überprüfen, jedoch glauben bei einer Umfrage der Union lediglich 20% der befragten, europäischen Immobilienprofis in ihren jeweiligen Ländern eindeutige Beurteilungskriterien vorzufinden. Die Studie der Union Investment befragte 167 Immobilieninvestoren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Überraschend ist, dass mit zunehmender Bedeutung des Nachhaltigkeitsaspektes die Unsicherheit weiter wächst. Gleichzeitig habe sich aber das Ranking der wichtigsten Kennzahlen, die Investoren für die Bewertung der Nachhaltigkeit ihres Gebäudebestandes heranziehen, deutlich geändert.

Für 83% der Befragten bleibt der Primärenergieverbrauch wichtige Kennzahl. Wobei allerdings die Häufigkeit der Nennungen nur wenig über die Bedeutung innerhalb des Entscheidungskranzes aussagt. Zudem stellt sich eher die Frage, warum der Energieverbrauch als nahezu selbstverständlich nicht eine 100% Abdeckung erzielt. Bei der Frage nach der Bedeutung von Komfortmerkmalen für Hotelzimmer würden sicherlich 100% der Befragten das Vorhandensein eines Bettes als wichtig bezeichnen, jedoch würden nur die wenigsten daran ihre Entscheidungen ausrichten. Die mit 67% zweithäufigste Nennung bezieht sich auf die Lebenszykluskosten. Hier könnten aus „Der Immobilienbrief“-Sicht Aspekte des Eigennutzerbaus und der zur Vermietung bestimmten Immobilien auseinander klaffen. Beim Eigennutzer spielen Steueraspekte eine Rolle. Energieverbrauch und Instandhaltung sind regelmäßig sofort abzusetzende Kosten, wenn sie anfallen. Erhöhte Baukosten lassen sich meist nur auf 50 Jahre abschreiben. Die generelle Frage ist hier eher zu stellen, inwieweit durch systematische auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Planung tatsächlich deutlich höhere Kosten anfallen.

Abfall (62%), Wasserverbrauch (55%), CO2-Fußabdruck (47%) und Anteil regenerativer Energien (43%) sind weitere wichtige Kennzahlen für die Nachhaltigkeit des Gebäudebestandes aus Investorensicht. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich insbesondere das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer aktiven Steuerung und einer Optimierung der Lebenszykluskosten im letzten Jahr offensichtlich stark entwickelt. Dies trifft vor allem auf deutsche Investoren zu. 60% der befragten Investoren kündigen an, zukünftig deutlich mehr in nachhaltige Immobilien investieren zu wollen. Dies trifft insbesondere auf institutionelle Investoren wie Versicherungen und Pensionskassen zu, die in der Umfrage überproportional starke umweltbezogene Investments ankündigten. Die Modernisierung der Immobilienbestände unter nachhaltigen Aspekten hat dabei in etwa den gleichen Stellenwert eingenommen, wie die Neuentwicklung von Green Buildings.

In Bezug auf Zertifizierung scheiden sich immer noch die Geister. Klar ist, dass die Untersuchung von Nachhaltigkeitsaspekten bei Investitionsentscheidungen zunehmende Bedeutung hat, dass jedoch die Investitionsentscheidung selber durchaus auch noch in nicht nachhaltige Gebäude fallen kann. Allein schon der Bestand von zertifizierten Gebäuden dürfte weit unter 1% liegen. Die Zahl immobilienwirtschaftlicher Großprojekte, die vom ersten Tag an z. B. nach den Richtlinien des DGNB auf Nachhaltigkeit geplant waren, lässt sich heute wohl immer noch an einer Hand abziehen. Allerdings stehen bei allen heutigen Investments, wie z. B. dem Frankfurter „MainTor“ der DIC nachhaltige Gebäudeplanungen unter Berücksichtigung der Zertifizierungserfordernisse durchaus vorne im Pflichtenheft.

Zusammenfassend stellt Christoph Schumacher zur Studie fest, dass nachhaltige Strategien bei institutionellen Investoren derzeit in der Kapitalanlage bereits stark verwurzelt sind. Von rund 2/3 der Investoren sind sie bereits in deren Kapitalanlage integriert. Neben technischen Kriterien werden auch ökologische und soziale Kriterien berücksichtigt. Im Vordergrund der Überlegung stehen jedoch mehr und mehr ökonomische Kriterien. Insbesondere Stiftungen und Kirchen fühlen sich in Bezug auf ihr eigenes Portfolio in Hinsicht auf Nachhaltigkeit gut informiert. Kapitalanlagegesellschaften halten sich insgesamt für besser informiert als Großunternehmen, Banken oder Versicherungen. Dies liegt auch daran, dass nach der Union-Umfrage Stiftungen und Kirchen Nachhaltigkeitskriterien stark gewichten.

Langfristig führe an einem nachhaltigen Ansatz in der Kapitalanlage kein Weg vorbei. Nachhaltigkeit verringere das Risiko eines Investments, erläutern Projektmanager Benedikt Gabor, Catella, und Nachhaltigkeitsanalyst Klaus Kämpf von Sarasin. Sie sehen die Bedeutung von Nachhaltigkeit als Investmentfaktor beständig wachsen. Treiber dieser Entwicklung seien aktuell vor allem institutionelle Investoren und vermögende Privatpersonen. Eine umfangreiche Nachhaltigkeitsanalyse könne Risiken enttarnen, die bei der klassischen Finanz- oder Immobilienanalyse vernachlässigt würden. Gerade in der Immobilienwirtschaft führte die Finanzkrise zu dem Aspekt „Back to the Roots“. Für den Investor ist es schwierig zu unterscheiden, inwieweit der vorgetragene Nachhaltigkeitsansatz auf einer Denkhistorie von wenigen Jahren und Marketingüberlegungen beruht oder ob der Nachhaltigkeitsaspekt bei der Investition Teil einer über mehr als 100 Jahre währenden Firmenphilosophie ist. Energieeffiziente Immobilien nach modernen Zertifizierungsstandards lassen sich an jeden beliebigen Standort bauen. Solche Gebäude erfüllen alle Marketingaspekte. Nachhaltige Immobilien dagegen müssen langfristig ökonomischen Sinn machen. Hier spielen Standort- und Lageaspekte ebenso wie Kriterien des Wohlfühlens, der Mitarbeiteridentifikation und der Arbeitseffizienz eine ebenso große Rolle wie die Einhaltung von Standards der Energie- und Entsorgungseffizienz und des CO2-Fußabdrucks. Gerade vor dem Hintergrund technologischen Wandels unterliegen technische Hardfacts eher einem Wandel als weiche Faktoren.

Nachhaltigkeit ist ein umfassendes Konzept, das weit über Energiesparen hinausgeht. Gerade Gebäude sind auf Grund ihrer Langlebigkeit, der großen Bedeutung für unser Leben, des hohen Anteils an Energieverbrauch sowie ihrer großen ökonomischen Bedeutung geradezu prädestiniert für die Anwendung von Kriterien zu nachhaltigen Investments. Gerade bei Immobilieninvestitionen ist ganzheitliches und langfristig orientiertes Denken gefragt. Der Nachhaltigkeitsansatz hilft, attraktive Gebäude und Standorte zu identifizieren.