PokéStops, Augmented Reality und Standortdaten

 

Wenn die Monster auf die Immobilienbranche treffen

Dr. Thomas Beyerle

 

Aktuell können wir einem Strukturwandel quasi live beiwohnen: Millionen von Menschen ziehen über den Planeten, auf Hausdächer, in Fußgängerzonen, auf Friedhöfe, in U-Bahnen oder auch in Shopping Center und jagen Monster mit teilweise kaum aussprechbaren Namen. Pokémon Go ist innerhalb von Wochen eine globale Bewegung geworden, welche die 2.0 Version dessen ist, was die Eltern noch mit dem Sammeln der besagten Pokémon Karten erlebten. So weit so gut. Kopfschütteln über „diese Jugend“ mag die natürliche Reaktion der „Alten“ sein. Die Jungen sind allerdings endlich an der frischen Luft, anstatt vor der Spielkonsole im dunklen Zimmer und bewegen sich sogar noch dabei. Doch bei der Analyse und einem Blick auf die Standort der Häufung der Jagdwilligen ahnt der Immobilienmensch sofort, dass auch die Branche davon profitieren kann.

 

Dazu ist allerdings zunächst eine Portion technisches Grundverständnis von Nöten – über dem zunächst freilich eine entscheidende Erkenntnis steht: ohne (Geo)Daten geht gar nichts. Das Spiel basiert auf zwei Pfeilern. Erstens, auf Kartenmaterial vom Online-Kartenanbieter Google Maps, auf welchen die virtuelle Spielwelt aufgebaut wird. Zweitens auf einem eigenen Datenpool aus Geocaching-Daten – also auf Datenpunkten der realen Welt welche Objekte und Orte verknüpfen. Gesammelt wurden diese durch das Spiel „Ingress“ welches – ebenfalls vom Spielentwickler „Niantic Labs“ programmiert – als spielmechanischer Vorläufer von Pokémon Go angesehen werden kann. Ingress nutzte ebenfalls Google Maps Daten um eine virtuelle Umgebung zu konstruieren. Ziel der Spieler war es, möglichst viele Punkte auf der Karte für ihr Team zu erobern, indem sie diese Orte real aufsuchten. Nutzer konnten dabei eigene Vorschläge für Orte einreichen. Diese Datenbank nutzt Niantic bei Pokémon Go zur Positionierung von „PokéStops“ – Orte, an denen Spieler wichtige Spielgegenstände sammeln können – sowie Arenen – Orte, an denen Spieler mit ihren Pokémon gegeneinander antreten können.

 

Neben dem Aspekt der Geodaten verhilft Pokémon Go einer weiteren Innovation der Verschmelzung von Realität und Virtuellem zur Verbreitung als Massenmedium. Mit Hilfe der Kamera sowie Lagesensoren des Smartphones lässt die Applikation die virtuellen Pokémon verblüffend realistisch auf dem Display in der realen Umgebung erscheinen. Für viele Nutzer ist dies der erste reale Kontakt mit der Argumented Reality (AR) Technologie und daher ein „wow“ Erlebnis. Letztlich ist dieser Aspekt allerdings eher nebensächlich und durch den Nutzer deaktivierbar. Der zentrale Punkt ist die gigantische Datenbank von nutzergenerierten Standortdaten. Dies zu verstehen ist von grundlegender Bedeutung für die Übertragbarkeit auf immobilienwirtschaftliche Belange.

 

Es ist interessant, darüber nachzudenken, wie Immobilieneigentümer bzw. Unternehmen diese für sich nutzen könnten. Der nächste logische Schritt in dieser Entwicklung lässt die Einbindung gesponserter Orte in das Spiel vermuten. Unternehmen könnte die Möglichkeit angeboten werden, dafür zu bezahlen, eine reale Anlaufstation in der virtuellen Welt zu werden und dadurch einen Anreiz für Laufkundschaft zu schaffen. Bereits jetzt sind viele größere Gebäude und Sehenswürdigkeiten die oben beschriebenen PokéStops oder Arenen. Das führt dazu, dass viele Ladenbetreiber aktuell ungewollt große Besucheranstürme überstehen müssen. Doch ist dies nicht geradezu ein Vorteil gemäß dem alten IKEA Motto: „Wenn ich schon einmal da bin…“?

 

Aus dieser Gemengelage wird Niantic nun Profit schlagen und Unternehmen die Chance geben von den Monster-Jägern zu profitieren. Bezahlt wird auf „Cost per Visit“-Basis – also für jeden Pokémon-Trainer, der aufgrund des Spiels das reale Geschäft betritt, zahlt der Shop-Besitzer. Das könnte sich gerade dann für Niantic lohnen, wenn sich seltene Pokémon in einem Laden aufhalten. Und auch die Abrechnung und Identifizierung der Spieler kann problemlos vonstattengehen, da Pokémon Go zum Spielen ein aktiviertes GPS-Signal benötigt. Damit kann jeder Nutzer und jedes Gerät klar lokalisiert werden. Ob die Nutzer wegen seltener Pokémon oder kostenlosen Items in den Läden nach erfolgreicher Jagd auch einkaufen werden, wird sich erst nach dem Rollout zeigen. Um die Attraktivität des Formats für Shop-Besitzer zu steigern, könnte Niantic natürlich gezielt seltene Pokémon in Malls oder Geschäften oder öffentlichen Räumen platzieren welche die Plattform wiederum bietet weitere kostenlose und kostenpflichtige Dienstleistungen anzubieten.

 

Aktuell lassen sich etliche Beispiele von Unternehmen aus Japan, Korea und den USA belegen, welche diese Köder verwenden (ein virtuelles Objekt, das Pokémon an einen bestimmten Ort lockt), um die Menschen zu ihren Verkaufsstellen zu ziehen und zu halten. Nach dem Auslegen eines Köders haben gerade gastronomische Betriebe aber auch „Standorte mit Ladestationen“ im Schnitt 25% mehr Umsatz am Tag gemeldet, durch Konsumenten welche ein Pokémon in oder in der Nähe dieser gastronomischen Einrichtungen gefunden haben.

 

Fazit: Zugegeben, diese kurzfristige schnelle Entwicklung lässt die Vermutung nahelegen, dass sich dieser Hype auch bald wieder legen kann. Das kann sein, auch das „Second Life“ mit den Avataren – quasi ein Vorläufer aus dem Jahr 2003 – tanzte nur einen Sommer – vielleicht aus heutiger Sicht zu früh. Doch die Technologien, vor allem aber die Fähigkeit gigantische Datenmengen zu verknüpfen – Stichwort Big Data – verdeutlicht dem Strategen und Weitsichtigen, dass sich durch die Verknüpfung der Elemente Daten, Raum/Immobilie und der Echtzeitdarstellung erstmalig eine reale in der virtuellen Welt abbilden lässt. Eine perfekte Symbiose gerade für Developer, Städteplaner oder ShoppingCenter Betreiber und Investoren mit sog. Landmark Buildings. Auch King Kong hing 1933 auf dem Empire State Building. Allerdings bedarf es eines völlig neuen Verständnisses von Datenerfassung, Datenqualität und der Ableitung von Algorithmen. Hier ist die Immobilienbranche per se sicher etwas zurückhaltend. Der Fokus von der Hardware der Gebäude muss sich zwingend eine Erweiterung finden auf die Software der Immobilien. Derjenige welcher die Daten(Punkte) hat, bestimmt scheinbar die zukünftige Frequenz in Räumen, auf Plätzen und Immobilien.