Verbrannte Erde bei IVG Anlegern und Aktionären

 

IVG EuroSelect 14/The Gherkin-Anleger verlieren über 90 %

Werner Rohmert, Hrsg. „Der Immobilienbrief“, Immobilienspezialist „Der Platow Brief“

Zum Glück blieben die Kollegen der Immobilien Zeitung am Ball. Ansonsten hätte sich die IVG Immobilien AG in der Insolvenz leicht ins Informations-Nirwana schleichen können. So aber brachten die Kollegen zwei brandaktuelle Meldungen, die sonst vielleicht untergegangen wären. 1) Das Landgericht Bonn hat alle Beschwerden gegen den Insolvenzplan der IVG abgelehnt. Die Aktionäre sind ihr Geld ersatzlos los. 2) Die Anleger in den prominenten IVG-Immobilienfonds IVG EuroSelect 14/The Gherkin sind mit sehr großer Wahrscheinlichkeit mehr als 90 % ihres eingesetzten Kapitals los.

Und das ist so, obwohl die Immobilie funktioniert, die Mieteinnahmen plangemäß kommen, die Bedienung des Schweizer Franken Kredites durch Schweizer Franken Mieteinnahmen währungskongruent weitgehend gesichert sind, es keinerlei Zahlungsrückstände gegenüber den refinanzierenden deutschen Banken gibt, keine Zahlungsrückstände zu erwarten sind und last, but not least die verdienten Ausschüttungen der letzten Jahre bereits thesauriert wurden. Wie konnte es dazu kommen?

Nahezu erwartungsgemäß hat das Landgericht Bonn hat alle Beschwerden gegen den Insolvenzplan der IVG abgelehnt. Die Aktionäre sind ihr Geld ersatzlos los. Viele der refinanzierenden deutschen Banken konnten sich mit interner Information ebenso wie anscheinend besser informierte Großaktionäre („Der Immobilienbrief“ berichtete) noch frühzeitig von ihren Krediten bzw. Aktien  trennen. Private Equity Funds, die Kredite und Anleihen übernahmen, sind jetzt Eigentümer der IVG Reste. Damit geht das Filetieren der IVG weiter. Das bringt nur noch Schulterzucken. Interessanter könnten noch die Prinzip-Klagen gegen früheres Management werden. Aber da kennen wir bislang nur Ankündigungen.

Interessanter und für die Fondswelt von größerer Bedeutung ist das Desaster um The Gherkin. Der 2007 aufgelegte prominente Immobilienfonds IVG EuroSelect 14 stellt tradiertes Fonds Know-how und auch Analysemöglichkeiten in Frage. Die Faustregel, dass die Immobilie zählt und der Prospekt nur die Visitenkarte des Fonds ist, wird auf den Kopf gestellt. Lediglich Stefan Loipfinger wies noch in den neunziger Jahren dezent ab und zu darauf hin, dass eine theoretische Chance bestünde, durch unglückliche Vertragsgestaltung und Prospektierung auch einen Fonds mit einer guten Immobilie zu gefährden. Dies interessierte meist aber nicht. So geschah es dann. Die laut Immobilien Zeitung 9.122 Anleger in die Londoner „Gurke“ haben immobilienwirtschaftlich die richtige Entscheidung getroffen, sind aber ihr Geld dennoch los.

Anders als bei vielen anderen Konzernimmobilien-Fonds, neue Bundesländerfonds oder auch Medienfonds, die man mit ein wenig gesunden Menschenverstand gemieden hätte, dürften hier die Anleger von jeder Schuld frei sein. Über den Grad des Dilettantismus der damaligen Fonds-Macher der IVG lässt sich im Nachhinein auch nur schwer spekulieren. Bedenken Sie, dass zum Höhepunkt des letzten Immobilienbooms Non Recourse Finanzierungen und daraus resultierende Finanz-Regeln noch relativ neu waren. Aus menschlicher Betrachtungsweise eines alten Immobilien-Fahrensmannes ist zumindest die Verhaltensweise der Gläubigerbanken, unter anderem BayernLB, Helaba, ING und Landesbank Baden-Württemberg ein wenig schwer zu verstehen. Obwohl alle Kredite ordnungsgemäß bedient worden sind und zukünftig auch bedient werden können, drängen sie auf Rückzahlung der Kredite. Damit sind die Anleger ihr Geld los, obwohl sich bei Stillhalten der Bank wahrscheinlich das gesamte Problem ruhig auflösen konnte, wie der heutige Fondsmanager bestätigt.

Aus Analystensicht war die Immobilie bei Fonds-Emission zweifellos erstklassig und dürfte eine der bekanntesten Core-Landmark-Immobilien überhaupt sein. Die Vermietungssituation war gut. Der Kaufpreis war naturgemäß sehr hoch, konnte aber auf den ersten Blick währungskongruent geleveraged werden. Risiken sah der Autor selber eher bei den Nebenkosten, der Instandhaltung und möglicherweise späteren Erneuerungsmaßnahmen. Da die Bedienung des Schweizer Franken Kredites weitgehend durch Mieteinnahmen in Schweizer Franken gesichert war, schien das Währungsrisiko der SFR-Kredite recht gut abgesichert. Damit blieben für den externen Analysten die üblichen Risiken einer jeden Fremdwährungsdiversifizierung. Den Kreditvertrag hat naturgemäß kein Externer gelesen.

Eine Würdigung der Kreditrisiken wäre aus deutscher Sicht auch nur schwer möglich gewesen, da bis zur Umstellung der Finanzierungskonditionen nach angelsächsischen Vorbild in Non Recourse Finanzierungen, die ausschließlich auf das Objekt und nicht auf die Haftung von Gesellschaftern abstellen,  deutsche Banken regelmäßig stillhielten, solange Kredite ordnungsgemäß bedient wurden und Kreditausfälle nicht absehbar waren. Somit blieb auch für den normal informierten Anleger, den Analysten und auch die Vertriebe ein Investment in The Gherkin ein Investment in eine zwar recht teure, dafür aber nicht reproduzierbare, erstklassige Landmark-Immobilie an einem hervorragenden Standort mit hervorragenden Mietern in der besten Bürometropole der Welt.

Im Zuge der Finanzkrise lernten wir dann alle dazu. Durch die Kreditvertragsbedingungen der Non Recourse-Finanzierungen, deren ökonomische Gefährlichkeit und Unsinnigkeit „Der Immobilienbrief“ schon 2006/7 aufdeckte, erhielten die Banken nach angelsächsischen Vorbild deutlich größere Einflussmöglichkeiten. Über so genannte Covenants wurden Rahmenbedingungen festgelegt, deren Verletzung den Banken Handlungsmöglichkeiten einräumte. Mit LTV-Regeln (Loan to value) wurde meist festgelegt, dass der Schuldenstand einen bestimmten Prozentsatz des aktuellen Immobilienwertes nicht überschreiten dürfe. Ähnliches gilt für Eingriffsmöglichkeiten der Banken wenn die Mieteinnahmen bestimmte Relationen zum Kapitaldienst unterschreiten. Auch diese Klauseln nahm in Deutschland zunächst niemand ernst, da auch alle alten deutschen Kreditverträge regelmäßig beinhalteten, dass bei negativen Informationen oder bei „der Schuldenregelung dienenden Verfahren“ Banken Kündigungsrechte erhielten. Regelmäßig wurde, solange die Kredite bedient wurden, ein dazu passender Schriftverkehr meist sorgfältig abgelegt. Bei The Gherkin wurde das dann erstmalig öffentlichkeitswirksam zum Desaster.

In der Finanzkrise geschah nun drei Dinge gleichzeitig. Der SFR erreichte auch gegenüber dem Euro ungeahnte Höhen. Das britische Pfund brach dazu noch gegenüber dem Euro dramatisch ein. Gleichzeitig führten kleinere Krisen-Vermietungsprobleme und natürlich der hoch volatile Londoner Büromarkt zur deutlichen Pfund-Abwertung der Immobilie. Die Effekte multiplizierten sich. Das verletzte die Kreditvertragsregelungen, so dass der Bestand des Fonds gefährdet war. Im Krisenmanagement gelang es dann der damals noch mächtigen IVG, die Situation zu stabilisieren und die Banken über Thesaurierung der geplanten Ausschüttungen ruhig zu halten.

Mit der darauf folgenden Beruhigung des Schweizer Franken, der rasanten Erholung des Londoner Immobilienmarktes und auch der Erholung des Britischen Pfund (GBP) hätte sich die Situation eigentlich in Wohlgefallen auflösen müssen. So ist nach Recherche der Immobilien Zeitung für The Gherkin, die in der Hochpreisphase des Jahres 2007 für 575 Millionen GBP erworben wurde, heute durchaus ein Wert von 650 Millionen GBP zu erwarten. Allerdings haben die Anleger in keinem Fall etwas davon. Ihr Geld ist jeder der aktuellen Alternativen weitgehend weg.

Nach der Pleite der IVG hat die DFH das Fondsmanagement übernommen. Die bestätigte erneut der IZ, dass es während der gesamten Kreditlaufzeit ist nicht eine einzige Störung bei der Bedienung des Kapitaldienstes gegeben hätte und auch zukünftig eine Störung nicht zu erwarten sei, da die Top-Immobilie in London vollvermietet sei und Gewinne erwirtschafte. Würden die Finanzierungen einfach weitergeführt, müssten sich laut DFH-Vorstand Tobias Börsch ohne Schaden für alle Beteiligten die derzeitigen Buchwertthemen automatisch auflösen. Durch das Bankenverhalten, dass auf kurzfristiger und vollständiger Rückzahlung der Darlehen bestehe, dürften die Anleger wohl über 90% verlieren. Nach DFH Abrechnungen bleiben für die Anleger, wenn die Banken die Immobilie übernehmen und für 650 Millionen GBP vermarkten, durch die höhere Rückführung der Schweizer Franken Kredite und wahrscheinlich auch durch Kosten und Verzugszinsen, die Banken in solchen Fällen gerne in Rechnung stellen, solange genug Geld da ist, für die Anleger gerade noch 3,6% Mittelrückfluss.

Aktuell besteht die Möglichkeit, dem Joint Venture Partner für 15 Millionen GBP alle Anteile des Fonds an der Objektgesellschaft zu überlassen. Dann ergäbe sich ein Mittelrückfluss von 10,5% des Eigenkapitals. Unter Berücksichtigung von 5% Agio der damaligen Kapitalbeteiligung ist das ein Gesamtverlust von rund 94% für die Anleger. Unter Berücksichtigung von anfänglich geflossenen Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 8,25%, die allerdings heutige Entscheidungssituation nicht mehr beeinflussen, sieht die Welt für den Anleger minimal besser aus.

Fazit des Autors: Natürlich lässt sich lange darüber diskutieren, ob man vor dem Kredit-Hintergrund das Investment überhaupt hätte initiieren dürfen und ob man möglicherweise die Kreditverträge sorgfältiger hätte lesen müssen. Andererseits ist dann die Antwort zu erwarten, dass die damals gewählte Finanzierung marktüblich gewesen sei. Die Diskussion ist müßig und bestenfalls rechtsrelevant. Die damaligen Geschäftsführer, die heute in anderen Funktionen Immobilienkapitalanlagen konstruieren, werden daraus gelernt haben und die Anlegerposition heute vielleicht besser überdenken. Vergessen wir aber die Vergangenheit. Die IVG Immobilien AG dürfte sowieso sowohl unter Managementsicht als auch unter Sanierungssicht eines der düstersten Kapitel der nicht kriminellen Geschichte des deutschen Immobilienmarktes darstellen.

Was bedeutet das aber für die Fonds-Perspektiven, die seit dieser Woche mit einer neuen Welt konfrontiert sind? Bei internationalen Fonds ist nur zu hoffen, dass über Eigenkapitalquote und Professionalität des Initiators die aus der Finanzierung resultierenden Risiken gemindert werden. Aber auch deutsche Fonds sind inzwischen im Zuge der Internationalisierung der Kredit-Rahmenbedingungen entsprechend gefährdet. Alle Fonds mit Schweizer Franken Finanzierung haben Probleme sowohl hinsichtlich des verbleibenden Vermögens durch die Erhöhung der Schuldenlast als auch – anders als bei den IVG – auch noch durch den erhöhten Kapitaldienst. Banken dringen auch hier auf Auflösung des Engagements. Dies führte in Einzelfällen bereits zu Verwerfungen.

Aber auch bei reinen währungskongruenten Finanzierungen könnten den Anlegern auch in deutschen Gewerbefonds Unbill drohen. Wenn abzusehen ist, dass ein zentraler Mieter nach Mietvertragsauslauf den Mietvertrag nicht verlängern wird, ist vor dem Hintergrund der notwendigen Sanierungs- und Nachvermietungskosten bei einer neuen Fremdvermietung davon auszugehen, dass Banken Risiken wittern werden und so bereits nach fünf oder sechs Jahren Ausschüttungen verhindern könnten. Damit gilt die alte Regel, dass nach zehn guten Ausschüttungsjahren der Anleger schon weitgehend aus dem Risiko ist, auch für deutsche Fonds nicht mehr. Daran ändert auch keine Regulierung etwas. Der regulierungskonforme, „gestreute“ Drei-Objekt-Fonds ist sogar durch die Ansteckungsgefahr einzelner Immobilienprobleme noch stärker gefährdet als der klassische Ein-Objekt-Fonds. Darüber hinaus macht IVG-EuroSelect 14 deutlich, dass der alte Spruch, bei einer Pleite des Initiators sei der einzelne Fonds eine Insel, auch eher praxisfern ist. Ohne die Macht eines Initiators, im going concern einen vorübergehenden Schwierigkeit befindlichen Fonds zu stützen, sieht der Anleger relativ alt aus.