Wie lange hält der Marktzyklus?

Rede von Dr. Frank Pörschke, CEO JLL Germany anlässlich der Jahres-Pressekonferenz am 13.12.2016 in Berlin.

Ihre Frage ist auch meine Frage. Vermutlich gibt es niemanden in der Immobilienbranche, der sich mit diesem Thema nicht auseinandersetzt. Uns alle interessiert, wie lange die Immobilienkonjunktur ihre Dynamik aufrechterhalten oder zumindest das hohe Niveau stabilisieren kann. Aber nur für wenige Unternehmen und Anleger ist eine Strategie sinnvoll, die sich auf den Eintritt nur eines Szenarios verlässt, womöglich auch noch zu einem fest definierten Zeitpunkt. Deshalb gilt es, sich mit verschiedenen Einflussfaktoren auseinanderzusetzen und diese zu bewerten, ohne andere mögliche Entwicklungen aus dem Blick zu verlieren. Getreu dem Motto: Hoffe auf das Beste und bereite Dich auf das Schlechte vor!

Auch ich habe keine eindeutige Antwort. Es spricht aber Einiges dafür, dass die guten Zeiten noch anhalten. Noch immer deuten alle Marktindikatoren auf eine Fortsetzung der Hochphase hin. Das historisch zumindest in unseren Breiten noch nie dagewesene Interesse an Immobilien wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit fortsetzen, und dies in allen Sektoren. Die Assetklasse „Immobilie“ hat erheblich an Reife und Eigenständigkeit gewonnen. Sie ist aus keiner professionellen Anlage-Strategie, aus keinem zukunftsweisenden Portfolio mehr wegzudenken – in welcher Form auch immer, als Direktinvestment oder als Beteiligung, etwa über Fonds oder Aktien. Aber auch für Privatinvestoren sind Immobilien von größter Relevanz – als Vehikel der Altersvorsorge.

Immobilien werden als sicherer Hafen in einer Welt allgemeiner Verunsicherung angesehen. Das gilt in besonderem Maße für Deutschland, das dennoch nicht isoliert betrachtet werden darf. Lassen Sie mich deshalb zunächst etwas weiter ausholen, um meine These von einem nachhaltigen Interesse an der Immobilie zu stützen.

Schauen wir zunächst auf Europa. Der Brexit hinterlässt weiterhin zahllose Fragezeichen und Ungewissheiten, und das knapp sechs Monate nach dem Referendum. Die Finanzmärkte, die wenige Tage beunruhigt waren, haben sich dann überraschend schnell wieder stabilisiert und die Ungewissheit ausgeblendet. Dies kann man von den Immobilienmärkten nicht in gleichem Maße sagen, wo die Transaktionsvolumina um ca. ein Drittel eingebrochen sind.

Die bevorstehenden Wahlen in Frankreich – und Deutschland – sind mit Imponderabilien verbunden. Spanien hält sich nach jahrelangen Irrungen mit einer Minderheitsregierung über Wasser. In mehreren osteuropäischen EU-Ländern werden Pressefreiheit und Gewaltenteilung in zweifelhafter Weise neu interpretiert. Die Türkei, lange als hoffnungsvoller Brückenkopf nach Asien gesehen, wirft grundsätzliche Fragen auf. Und wer glaubt, wir hätten mit Blick auf Griechenland das Gröbste hinter uns, irrt gewaltig.

Als Dauerelend begleiten uns weiterhin die Flüchtlingsströme. Sie werden nicht nachhaltig zurückgehen, auch wenn wir uns dies vor allem für die Flüchtlinge selbst gerne wünschen. Solange die Machtverhältnisse im Nahen Osten politisch wie religiös ungelöst sind und Teile Afrikas ebenfalls politisch sehr instabil sind, werden Flüchtlinge vor Gewalt und Elend fliehen und versuchen, nach Europa zu gelangen. Gar nicht zu sprechen von den Gefahren, die immer noch und dauerhaft vom internationalen Terrorismus ausgehen, allen voran die Protagonisten des sogenannten Islamischen Staates, die Menschen in großer Zahl in die Flucht treiben.

Europa und seine Finanz-Architektur sind weiterhin nicht über den Berg. Versprachen nicht Europas Regierungschefs nach der großen Finanzkrise, weniger Schulden zu machen? Das Gegenteil ist der Fall. Die Gesamtverschuldung der Euro-Länder steigt 2017 weiter und in nicht wenigen Ländern wird die vereinbarte Defizitgrenze einmal mehr missachtet. In Frankreich, Italien, Spanien und Portugal hat die Haushaltssanierung auf der wirtschaftspolitischen Agenda keine Priorität. Unter den großen Mitgliedsstaaten entwickelt sich der Staatshaushalt nur in Deutschland positiv, wenngleich auch hier eher langfristig sehr kostenträchtige Entscheidungen getroffen werden und Strukturreformen nicht oben auf der politischen Agenda stehen. Eine echte Trendwende in Europa ist auch 2017 in gar keiner Art und Weise zu erwarten, zumal populistische Tendenzen eher zunehmen.

Hinzu kommen die Schwierigkeiten im Bankensektor, insbesondere in Italien. Aber nicht nur dort. Nun nämlich ist die Bankenkrise, vor wenigen Jahren noch kaum vorstellbar, auch in Deutschland an- und zurückgekommen. Hätten wir uns vor nicht einmal zehn Jahren vorstellen können, dass deutsche Banken derart unter Druck geraten?

Schauen wir nach Amerika, wird sich erst noch zeigen müssen, wie die wirtschaftspolitischen Ziele des neuen US-Präsidenten zu interpretieren sein werden. Barack Obama hat in dieser Hinsicht wohl nicht ganz ohne Grund eine „jämmerliche Vorbereitung“ diagnostiziert. Die von den Demoskopen nicht erwartete Wahl Donald Trumps und die mit dieser Wahl verbundenen Konsequenzen für Europa und Deutschland werden wir frühestens zur Jahresmitte 2017 und damit nach den berühmten ersten hundert Tagen im Amt realistisch bewerten können. Bis dahin werden Verunsicherung und Ungewissheit die gesamtwirtschaftliche Diskussion beherrschen. Wir dürfen uns aber vor Augen führen, dass auch der mächtigste Mann der Welt kein Alleinherrscher ist. Seine Entscheidungen sind eingebettet in ein engmaschiges Netzwerk demokratischer Institutionen. Die „Checks and Balances“ in der innenpolitischen Entscheidungsfindung des amerikanischen Politikbetriebs können uns zuversichtlich stimmen, dass die Grundregeln eines demokratischen Systems auch unter Donald Trump als Leitplanken künftiger Entwicklungen nicht angetastet werden.

Zu all diesen Ungewissheiten in der „ersten Welt“ gesellt sich als weitere weltwirtschaftliche Belastungsprobe der steinige Weg der sogenannten Schwellenländer – allen voran Brasilien, Russland, Indien und China. China und Indien sind auf einem vergleichsweise erfolgversprechenden Weg – trotz der Unsicherheiten im Hinblick auf die Verschuldungslage und den wirtschaftlichen Umbau im Riesenreich der Mitte sowie der lähmenden Korruption und Bürokratie in Indien. Brasilien und Russland jedoch scheinen den Anschluss verloren zu haben. Russland befindet sich in einer zunehmenden Isolation und Brasilien droht, in einem Korruptions-Sumpf unterzugehen.

Einen „Königsweg“ für Schwellenländer hin zu mehr Wachstum und Wohlstand gibt es nicht. Jedes Land muss einen spezifisch eigenen Weg finden. Diese Problematik, so will es scheinen, gilt nun auch für die Union der europäischen Länder. Die Erosion setzt dem Einheitsgedanken mächtig zu – mit dem Ergebnis, dass wir unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten in allen europäischen Mitgliedsstaaten auch in wirtschaftlicher Hinsicht erleben.

Wirtschaftlich betrachtet schneidet Frankreich zum Bespiel beim European Regional Economic Growth Index unserer Schwesterfirma LaSalle Investment Management vergleichsweise gut ab. Allerdings gilt es zu bedenken, dass die scheinbar positiven Aussichten für unser Nachbarland mit Steuergeldern unterlegt und folglich subventioniert worden sind. Großbritannien wird nach dem Brexit einen Sonderweg beschreiten müssen – mit ungewisser, aber hoffentlich stabiler Zukunft. Wie es politisch in den osteuropäischen Staaten weitergehen wird, bleibt abzuwarten. Solange der russische Bär unberechenbar bleibt, herrscht im Osten Europas Verunsicherung vor – in der Ostukraine sogar nach wie vor Krieg.

Soweit ein Blick auf die Welt um uns herum. Gewiss alles eher bedrückend als beruhigend. Aber eben dies erklärt die Sehnsucht nach Sicherheit und Unumstößlichkeit, wie sie die Immobilie glaubwürdig verspricht. Kommen wir nun also zu unserem Thema, das uns hier zusammenführt – dem deutschen Immobilienmarkt und unserer Rolle als Player in diesem Markt.

JLL ist in Deutschland gut aufgestellt. Wir haben den Anspruch, der professionellste, größte breit aufgestellte Immobiliendienstleister in Deutschland zu sein. Wir sind Marktführer und beabsichtigen, diese Position weiter auszubauen. Wir wachsen und es gelingt uns, unsere Marktposition weiter zu stärken, obwohl wir uns in einem sehr wettbewerbsintensiven Umfeld bewegen. Dieses strategische Vorhaben innerhalb einer sich auch in Deutschland konsolidierenden Branche werden wir vor allem über organisches, im Einzelfall aber auch über anorganisches Wachstum voranbringen. Im Streben nach noch mehr Dienstleistungs-Exzellenz qualifizieren wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter systematisch. All dies dient dem Ziel, unseren Kunden den denkbar bestmöglichen Service anzubieten. Im Wettbewerb um Talente gehört hierzu ausdrücklich, dass wir unserem Beratungsansatz auch in eigener Sache gerecht werden wollen. Neben unseren anstehenden Umzügen in Hamburg und Köln wollen wir unser Verständnis von neuen Arbeitswelten auch in einem eigenen Bürogebäude in Frankfurt verwirklichen. Wir sind davon überzeugt, dass ein solches Gebäude identitätsstiftend wirken und unserer Markenbildung in Deutschland zusätzliche Schubkraft geben wird.

Die von uns zum Jahresbeginn übernommene Acrest Property Group haben wir erfolgreich integriert und im Herbst den Namenswechsel zu JLL Retail Asset Management vollzogen.

Mit der jüngst kommunizierten Übernahme der Zabel Property AG setzt JLL seine Strategie des punktuellen anorganischen Wachstums in ausgewählten, zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern fort. Die weltweit und auch in Deutschland zu beobachtende Urbanisierung macht Wohnimmobilien zu einem äußerst interessanten Wachstumsfeld für unser Unternehmen. Die Dienstleistungen von JLL und Zabel ergänzen sich perfekt. Gemeinsam können wir die Beratung und den Vertrieb von Wohnimmobilienprojekten zyklusübergreifend, vom Grundstück bis hin zum Einzelvertrieb der Wohnungen, abbilden. Wir bieten damit Entwicklern und Bestandshaltern alle Leistungen aus einer Hand. In Großbritannien hat JLL dieses Geschäftsmodell seit vielen Jahren erfolgreich etabliert und wir versprechen uns auch in Deutschlands Metropolen exzellente Marktchancen.

Ohne Frage sind unsere Kunden, Nutzer genauso wie Investoren, anspruchsvoller geworden. Deren Interessen im Einzelfall zu bedienen heißt, als Unternehmen ganzheitlich aufgestellt zu sein und die Palette integrierter Immobiliendienstleistungen in Vollendung anbieten zu können. Nur auf diese Weise, nämlich über kompromisslose – und überlegene – Qualität, kann es gelingen, dem zunehmenden Preisdruck in der Immobilienberatung glaubwürdig zu begegnen.

Hela Hinrichs und Helge Scheunemann werden Ihnen anschließend die wichtigsten Fakten der deutschen und internationalen Märkte im Detail präsentieren. Lassen Sie mich Ihnen vorweg einige Highlights vorstellen.

• Nach sechs Anstiegen in Folge (2010-2015) wird der Investmentmarkt für Gewerbeimmobilien in Deutschland in diesem Jahr eine Verschnaufpause einlegen. Das Transaktionsvolumen wird sich voraussichtlich bei rund 48 Mrd. Euro bewegen, im Jahresvergleich entspricht dies einem Minus von 13 Prozent. Dennoch bilanziert 2016 als drittbestes Jahr in der deutschen Immobilieninvestment-Geschichte.

 

• Ähnlich verhält es sich mit dem Investmentmarkt für Wohnungs-Portfolios. Die bis Ende 2016 voraussichtlich investierten rund 13 Mrd. Euro sind zwar gleichbedeutend mit einem Rückgang um fast 50 Prozent gegenüber 2015. Dennoch wird das Jahr 2016 den 10-Jahresschnitt um mehr als zwei Mrd. Euro übertreffen.

• Zwar bleibt das historisch niedrige Zinsniveau nach wie vor die Triebfeder für den enormen Anlagebedarf sämtlicher institutioneller Investoren. Es wird jedoch immer schwieriger, adäquates Produkt für den enormen Kapitalanlagebedarf der Investoren zu finden. Das gilt sowohl für gewerblich genutzte als auch für wohnwirtschaftliche Immobilien. Letztendlich ist das Ergebnis des im Jahresvergleich rückläufigen Transaktionsvolumens ausschließlich auf diesen Angebotsmangel zurückzuführen.

• Im Zuge der hohen Nachfrage werden die Preise für Immobilien, vor allem für Core-Produkte, weiter steigen. Für alle gewerblichen Assetklassen war und ist ein starker Renditedruck zu erkennen.

 

• Rund 80 Prozent des in Büroimmobilien investierten Kapitals wird 2016 in eine der Big 7-Metropolen fließen. In anderen Märkten wird demzufolge eher verhalten gekauft. Dies resultiert aus dem auch dort geringen Angebot, macht aber auch deutlich, dass die Marktteilnehmer nicht bereit sind, jedes Risiko einzugehen.

• Neben dem eklatanten Mangel an Investmentprodukten in allen Segmenten wirkt die nach wie vor eher konservative Finanzierungshaltung der Banken als weiteres Marktregulativ. Eine immer stärker werdende Regulierung der Aufsichtsbehörden bremst die Kreditvergabe für Finanzierungen außerhalb des klassischen Core-Produkts.

• Das Vertrauen der ausländischen Investoren in den deutschen Investmentmarkt blieb auch 2016 über alle Assetklassen hinweg erhalten. Ausländische Investoren werden ihre Aktivitäten in Deutschland sogar noch aus- und Bestand aufbauen. Ihr Anteil bezogen auf das gewerbliche Transaktionsvolumen wird sich zum Ende des Jahres bei rund 45 Prozent bewegen.

 

• Ein Blick voraus: ich rechne für 2017 mit einem Transaktionsvolumen auf ähnlichem Niveau wie 2016 in der Spanne zwischen 45 und 50 Mrd. Euro.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.