Senat von Berlin ruft Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung des Zensus 2011 an

 

Der Senat hat mit einem gestern zugestellten Schriftsatz das Bundesverfassungsgericht angerufen. Ziel ist eine umfassende verfassungsrechtliche Überprüfung des Zensus 2011. Der Senat wehrt sich damit gegen ein – aus seiner Sicht – verfassungswidriges Gesetz, das auch erhebliche finanzielle Folgen hat.

Die Umsetzung des Zensus 2011 erfolgte in Deutschland nicht wie bisher durch eine Vollerhebung, sondern mit einer registergestützten Methode. Erstmals wurde bei dem Zensus 2011 ein mathematisches Verfahren angewendet aus einer Kombination der Auswertung der vorhandenen Melderegister und einer Stichprobenhochrechnung.

Die Ergebnisse des Zensus 2011 haben zu teilweise schwerwiegenden (statistischen) Korrekturen der Einwohnerzahlen in den Ländern und Städten geführt. Für Berlin ergab der Zensus 2011, dass die Einwohnerzahl um ca. 180.000 Einwohner nach unten korrigiert wurde.

Der Berliner Senat hat erhebliche Zweifel sowohl an der Richtigkeit der im Zensus 2011 festgestellten amtlichen Bevölkerungszahl als auch darüber, ob diese Feststellung überhaupt auf einer verfassungsgemäßen Rechtsgrundlage beruht. Die Bedenken ergeben sich vor allem daraus, dass das Stichprobenverfahren nur in größeren Städten durchgeführt wurde, während die Einwohnerzahl der kleineren Städte ausschließlich auf der Grundlage ihrer Melderegister bestimmt wurde. Zudem ist das mathematische Stichprobenverfahren überhaupt nicht gerichtlich überprüfbar.

Das Zensusergebnis bestätigt diese Zweifel, weil im Zensus 2011 für Berlin, wie für alle anderen großen Städte, im Verhältnis zu kleinen Gemeinden ein erheblicher (relativer) Verlust der Einwohnerzahlen festgestellt wurde, verbunden mit schwerwiegenden Auswirkungen insbesondere hinsichtlich der Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich.

Die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts durch den Berliner Senat ist geboten, um eine grundsätzliche Klärung der Verfassungswidrigkeit des Zensus 2011 zu erreichen. Im Gegensatz zu den Städten ist ein Bundesland befugt, die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht im abstrakten Normenkontrollverfahren geltend zu machen.

Das abstrakte Normenkontrollverfahren soll auch dazu führen, dass der nächste
Zensus 2021 in einem qualifizierten und validen Verfahren durchgeführt wird, das zutreffende Feststellungen der Einwohnerzahlen gewährleistetet und die schwerwiegenden Ungleichbehandlungen insbesondere der Stadtstaaten ausschließt.

Das Normenkontrollverfahren wird auch für die vielen hundert verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren der Städte bundesweit Rechtsklarheit schaffen.