Lobbyverbände laufen Sturm
„Erhöhen Sie unbedingt bis zum 17. Juni die Miete! Nach dem 17. Juni werden Sie in Berlin womöglich Ihre Miete nicht mehr erhöhen können! Für lange Zeit!“ So zu lesen auf der Homepage des Eigentümerverbandes Haus & Grund Landesverband Berlin. Und dann wird die noch verbleibende Zeit heruntergezählt, zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Zeilen waren es noch 4 Tage, 16 Stunden, 12 Minuten, 23 Sekunden. Auch was der einzelne Vermieter zu tun hat, um eine Mieterhöhung noch rechtzeitig an den Mieter zu bringen, wird erläutert. Nach dem 17. Juni soll es nämlich für Vermieter in Berlin heißen: „Rien ne va plus“, nichts geht mehr.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und ihr Umgang mit der Presse
Warum diese Panik? Alle, aber auch alle Lobbyverbände der Wohnungswirtschaft laufen Sturm gegen ein Papier, das es offiziell nicht gibt. Aber seit zwei Wochen sprechen alle darüber und zitieren daraus, als ob es bereits beschlossene Sache sei. Hat jemand in der Senatsverwaltung kalte Füße bekommen ob der Brisanz?
Als ordentliche und dort akkreditierte Journalistin hat sich die Autorin bei der Pressestelle der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen um dieses Papier „Eckpunkte für ein Berliner Mietengesetz“ bemüht und von der Pressesprecherin Katrin Dietl eine Abfuhr erhalten mit der Begründung, dass es ein solches Dokument nicht gebe und sie das demzufolge nicht aushändigen könne. Mit großen Fragezeichen in den Augen, aber mit wachem Verstand versuchte ich mir Klarheit zu verschaffen, denn im Fernsehen Berlin, in den großen Berliner Tageszeitungen, den Pressemitteilungen der immobilienwirtschaftlichen Verbände von ZIA bis Haus & Grund und sogar der Ratingagentur Moody’s waren und sind die „Eckpunkte“ das alles beherrschende Thema, bis heute.
Aber: Nein, ein solches Ding gibt es nicht, Dietl immer wieder. Ich kam mir vor wie Palmström/Christian Morgenstern: „Das nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Erst auf der Senatssitzung am 18. Juni solle ein Eckpunktepapier für ein Mietengesetz vorgelegt und beschlossen werden und dann, ja dann … . Der Entwurf sei “durchgestochen“ worden, versuchte sich Dietl herauszureden, wie hochnotpeinlich ihr die Sache war, war zu spüren. Und wie ernst die Lage ist, zeigt auch der Umstand, dass an der Börse die Aktien der Deutschen Wohnen, Vonovia, Ado Properties u.a. in Berlin beheimateter Wohnimmobilienkonzerne um 6 bis 8% verloren.
Nun. „Der Immobilienbrief“ kann nun über das „durchgestochene“ Papier mit gebotener journalistischer Sorgfalt berichten und die Reaktion und Empörung alle darauf erscheint umso verständlicher. Doch wie die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ihre Presse- und Öffentlichkeitsarbeit versteht, ist mehr als fragwürdig.
Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) sieht die „Eckpunkte“ als generelles Mietmoratorium. Demnach dürfen stadtweit die Mieten fünf Jahre nicht erhöht werden. Nicht betroffen sind lediglich bisher unvermietete Neubauwohnungen und Sozialwohnungen, für die ohnehin eigene Regelungen greifen. Bei der Neuvergabe von Wohnungen soll die zuletzt vereinbarte Miete aus dem vorherigen Mietverhältnis Bestand haben. Modernisierungsumlagen unterliegen einer besonderen Genehmigungs- und Anzeigepflicht. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 500.000 Euro. Das Konzept könnte im Januar 2020 in Kraft treten. Kritiker aus der Wohnungswirtschaft äußern Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens mit der Verfassung. Fachkreise und Verbände sollen erst bis zum 13. September 2019 gehört werden.
Echo zum „Eckpunktepapier“ des Senats
- Haus & Grund sieht Verstoß gegen europäisches Recht
Der Mietendeckel, wie der vom Berliner Senat geplante, werden nach Einschätzung von Haus & Grund Deutschland mittel- bis langfristig dazu führen, dass der Mietwohnungsmarkt zusammenbricht. Das zeigten Vergleiche mit Spanien oder anderen europäischen Ländern, in denen solche Maßnahmen ergriffen wurden. „Immer mehr Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt und dann selbst genutzt. Diejenigen Mieter, die sich das nicht leisten können – und die eigentlich von dem Mietendeckel profitieren sollen! –, werden dabei in die Röhre gucken“, warnt Verbandspräsident Kai Warnecke.
Er weist darüber hinaus darauf hin, dass eine solche Maßnahme auch gegen europäisches Recht verstoßen würde. „Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bezüglich eines Falls aus Polen entschieden, dass Vermietung wirtschaftlich sein muss. Wenn ein Mietendeckel eingeführt wird, ist genau das nicht gegeben“, so Warnecke.
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- ZIA: Berliner Mietendeckel: Fatales Signal
Die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat ein Eckpunktepapier vorgelegt, das ein auf fünf Jahre befristetes Mietenmoratorium vorschlägt, das für alle nicht preisgebundenen Wohnungen gelten soll. „Ein solcher Mietendeckel wirkt sich in allen Belangen negativ auf die Stadtentwicklung Berlins aus“, sagt Niclas Karoff, Sprecher der ZIA-Region Ost. „Der Vorschlag eines Mietendeckels unterliegt dem Irrglauben, dass hierdurch Wohnungsmärkte entlastet werden. Stattdessen aber wird es durch eine solche Maßnahme für Investoren unattraktiv zu bauen. Sie schadet daher auch den Mietern. Für Berlin und die hohe Nachfrage nach Wohnraum ist dies ein fatales Signal nach außen. Zudem werden so Modernisierungen von Bestandswohnungen verhindert. Wenn die Mieteinnahmen stagnieren, führt dies bei steigenden Bewirtschaftungskosten zu mehr und mehr verwahrlosten Wohnungen, weil die dringend benötigten Investitionen ausbleiben.“
Darüber hinaus hatte bereits vor einigen Wochen Professor Thomas Dünchheim, Lehrstuhlinhaber für Staats- und Verfassungsrecht sowie öffentliches Wirtschaftsrecht an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht, in einem Gutachten zur Mietpreisbegrenzung unter anderem Verstöße gegen die Berufsfreiheit gewerblicher Vermieter als auch gegen die grundgesetzlich gewährleistete Vertragsfreiheit beider Mietvertragsparteien festgestellt. Außerdem fehle dem Land die entsprechende Gesetzgebungskompetenz. Karoff fordert daher das Land Berlin auf, sich ebenso gesetzeskonform zu verhalten, wie es dies beispielsweise auch von den Wohnungsunternehmen verlangt.
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- BFW: Erlass eines Mietendeckels in Berlin ist Verstoß gegen die Verfassung und massiver Eingriff in das Eigentumsrecht
Die Einführung eines Mietendeckels durch das Land Berlin wäre verfassungswidrig. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten, das die renommierte internationale Rechtsanwaltskanzlei Greenberg Traurig im Auftrag des BFW Landesverbandes Berlin/Brandenburg erarbeitet hat. Demnach fehlt dem Berliner Gesetzgeber allein schon die erforderliche Gesetzgebungskompetenz, heißt es in dem Gutachten. Denn der Bund habe von seiner Gesetzgebungskompetenz bereits erschöpfend Gebrauch gemacht und das Mietpreisrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Berlin ist nicht zuständig. Daher ist die Einführung eines Mietendeckels durch das Land Berlin schon formell verfassungswidrig, so das Gutachten.
„Der öffentlich-rechtliche Mietendeckel – wie auch immer er künftig bezeichnet wird – ist verfassungswidrig und juristisch massiv angreifbar. Unser Rechtsgutachten kommt zu der eindeutigen und klaren Aussage: Berlin hat in dieser Frage keine eigene Gesetzgebungskompetenz. Es bleibt daher zu hoffen, dass der Berliner Senat nicht kurzsichtig aus politischer Opportunität handelt und sehenden Auges ein verfassungswidriges Gesetz durch das Abgeordnetenhaus peitscht. Das würde einem ,verfassungsrechtlichen Voodoo‘ gleichkommen“, sagt Susanne Klabe, die Geschäftsführerin des BFW Landesverbandes Berlin/Brandenburg e.V.
Die Kappung der Mieten stellt laut Rechtsgutachten auch eine unverhältnismäßige Beschränkung von Grundrechten, insbesondere eine Verletzung der Eigentumsfreiheit nach dem Grundgesetz dar. „Ein Mietendeckel würde unter mehreren Gesichtspunkten gegen das Grundgesetz verstoßen, zumal er massiv in das Eigentumsrecht eingreift“, sagt Klabe. Der BFW Landesverbandes Berlin/Brandenburg plant daher bereits, seine Mitgliedsunternehmen bei etwaigen rechtlichen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Berliner Mietendeckel zu unterstützen.
- IHK: Überlegungen zum Mietendeckel treffen die Falschen – Mietrecht ist Bundesrecht
„Die Überlegungen zur Einführung eines Mietenstopps aus dem Haus der Senatorin Lompscher stehen rechtlich auf wackeligen Füßen, binden Verwaltungskapazitäten die an anderer Stelle besser investiert wären und würden am Ende die Falschen treffen. So liegt dem Bundestag bereits ein eigenes Gutachten vor, das zu dem eindeutigen Ergebnis kommt, dass es für die Länder keine Möglichkeiten einer eigenen gesetzlichen Regelung gibt. Mietrecht ist Bundesrecht. Einzig der öffentlich geförderte Wohnungsbau kann auf Landesebene gesteuert werden und stünde für neue Regulierungen offen. Es bleiben also starke Zweifel wie ein Mietenstopp überhaupt rechtswirksam umgesetzt werden sollte.
Abgesehen von den rechtlichen Fragen sind die geplanten Regulierungen viel zu undifferenziert, weil sie unabhängig von der konkreten Situation – beispielsweise Lage, aktuelle Miethöhe und Zustand der Immobilien – alle Vermieter unterschiedslos über einen Kamm scheren. Der begrenzte Handlungsspielraum für die Senatsverwaltung auf diesem Gebiet und die falsche Prioritätensetzung lassen den Verdacht aufkommen, dass es eher um den politischen Effekt als um echte Entspannung auf dem Berliner Wohnungsmarkt und für die Mieterinnen und Mieter geht. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht. Gut gemacht wäre, neue Wohn- und Gewerbeflächen zu erschließen und den Bau preiswerter Wohnungen auch durch Private zu ermöglichen.“
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- Moody‘s warnt
Die Ratingagentur Moody’s warnt vor den Folgen, die der geplante „Mietendeckel“ für den Berliner Wohnungsmarkt haben könnte. Sollte das Gesetz verabschiedet werden, gehe die Agentur davon aus, dass Immobilienkonzerne ihre Investitionen für die Modernisierung zurückfahren würden. Auch der Neubau würde sich verringern als eine Konsequenz dieser vermieterunfreundlichen Regulierung, so Moody’s. Die Konsequenz wäre eine „steigende Unterversorgung in der Stadt“ mit Wohnimmobilien, was wiederum den sozialen Druck weiter erhöhe, heißt es in dem Marktkommentar, aus dem Medien zitieren.
Die Ratingagentur schließt sich damit der US-Bank Morgan Stanley an, die bereits am vergangenen Freitag vor den Konsequenzen des „Mietendeckels“ für die Immobilienbranche gewarnt hatte. Ein Analyst des Finanzinstituts hatte prognostiziert, dass eine solche Gesetzgebung für die Deutsche Wohnen gefährlich werden könnte. „Die Situation ist äußerst ungewiss“, schrieb er in einer am Freitag veröffentlichten Studie. Die Bank stufte das Unternehmen daher von „Overweight“ auf „Equal-weight“ ab und senkte das Kursziel von 50 auf 39 Euro.