Brexit Day, weder Grund zum Feiern noch zur Panik

Der 31. Januar 2020 ist ein historisches Datum für Europa und die europäische Immobilienwirtschaft. Zur Panik gibt es keinen Anlass. Nach drei Brexit-Jahren ist er überall eingepreist. Allerdings könnte sich aber gerade ein lockeres Ablaufen des Brexit in Großbritannien selber zum Desaster für Europa entwickeln und Futter für die Renationalisierungstendenzen in Politik und Bevölkerungen geben. Dann wird sich zeigen, wie stark die Klammer des Euro, in der die Briten allerdings niemals verhaftet waren, wirklich ist. Aus deutscher Sicht ist der Brexit in jedem Fall durch Bedeutungsverlust in Europa, wie zuletzt noch einmal der ehemalige ifi-Präsident Hans-Werner Sinn deutlich machte, ein Desaster. „Schadenfreude“ ist definitiv nicht angesagt.

Die erwartet Massenflucht der Banker aus UK, die die kontinentaleuropäischen Büro- und Wohnimmobilienmärkte der Finanzmetropolen zum Überlaufen bringen sollte, erwies sich als leichtes Schwappen, das locker durch die Strukturveränderungen in der Bankenlandschaft aufgefangen wurde. So erwartete das Helaba Research im Oktober, dass die wesentlichen Wirkungen schon gesehen wurden und die Konsolidierung im hiesigen Bankensektor lediglich bis Ende 2021 durch die zu erwartenden Brexit-Banker noch überkompensiert würden. Mittelfristig werde jedoch die Konsolidierung einen deutlichen Abbau von Beschäftigten mit sich bringen. Der Gipfel der Bankbeschäftigten in Frankfurt würde voraussichtlich Ende 2021 mit 64 500 Beschäftigten erreicht.

Umgekehrt stellt sich natürlich die Frage des Brexit auf den Immobilienmarkt London, in den als internationalsten Markt der Welt auch viele deutsche Institutionelle investiert sind. Schließlich erwarten Wirtschaftswissenschaftler und Politik überwiegend deutliche Anpassungsfriktionen in Großbritannien. Das sehen die Engländer, die den letzten Freitag mit großen Befreiungsfeiern an die weltberühmten Bilder zum Ende des 2. Weltkrieges „erinnerten“, begingen, sicherlich anders. Auch der Autor hat schon vor längerem deutlich gemacht, dass es nach anfänglichen Anpassungsproblemen sicherlich nicht ausgemacht ist, dass ein weitgehend unregulierter Finanzmarkt in einer der bedeutendsten und attraktivsten Finanzmetropolen der Welt in einer Flugstunde oder in Zugentfernung von Kontinentaleuropa entfernt zum Verlierer des Brexit werden sollte. Derzeit geistert das Bild eines „Singapur“ vor Europas Haustür durch die Medien. Aber seien wir ehrlich. Was bleibt Boris anders übrig? Der Brexit muss zum Erfolg werden. Das werden die Börsen dann honorieren.

Zwar berichtete JLL letzte Woche, dass die britische Hauptstadt, die in den letzten 6 Jahren weltweit dreimal die Rangliste der direkten gewerblichen Immobilieninvestitionen angeführt habe, in 2019 einen Rückgang um 41% und mit gut 22 Mrd. US-Dollar auf den 4. Platz der weltweiten Top-Investmentziele erlitten habe, jedoch sollte sich das aus JLL-Sicht schon 2020 wieder ändern. Ausländische Investoren könnten jetzt das Renditegefälle zwischen London und den anderen großen europäischen Märkten ausnutzen. Zudem sei auch 2019 mit rund 12 Mrd. US-Dollar das meiste grenzüberschreitende Kapital europaweit in Londons Gewebeimmobilien geflossen.

Auch eine brandaktuelle Umfrage von Union Investment unter 150 institutionellen Immobilien-Investoren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien hat für Großbritannien eine deutliche Verbesserung des „Klimabarometers“ um satte 5,5 Punkte auf 64,4 Punkte ergeben. Der Wert überstiege damit zum ersten Mal seit langer Zeit wieder den Stimmungsindex für den deutschen Markt. Auch Immobilien-Researcher Andreas Wellstein, DekaBank, der nach 2021 für Europa die Bodenbildung bei den Renditen und nur noch verhaltene Mietwachstumsperspektiven für Europa sieht, erwartet in dieser Phase für die britischen Standorte überdurchschnittliche Ertragsaussichten. Einen völlig anderen Grund für die Eröffnung einer großen Niederlassung in London zeigte Thomas Oliver Müller, Vorstand Deutsche Finance Group, auf. Er finde in London international qualifiziertes Asset Management Personal. Der Markt in Deutschland sei völlig leergefegt.