Bürger sollen aufs Land ziehen

Der Bau-Absturz in Charts

Quelle „Lieblingsstatistiker“ von „Der Immobilienbrief“, bearbeitet durch Werner Rohmert

Statt wie versprochen 400.000 Einheiten jährlich neu zu bauen, sollen jetzt die Bürger aufs Land ziehen. Nach den aktuellen Unkenrufen des ifo Instituts kommen 2026 wohl nur noch 175.000 Wohnungen hinzu. Da hat Klara Geywitz (Jahrgang 1976), im Bund ministeriell für Wohnungsbau zuständig, eine tolle Idee. Die Wohnungssuchenden sollen doch einfach aus den heiß umkämpften Märkten in kleinere Städte oder aufs Land ziehen. Sie hat nämlich entdeckt, dass irgendwo in deutschen Landen zwei Millionen Wohnungen leer stehen sollen.

„Wir werden daher Ende des Jahres eine Strategie gegen den Leerstand vorlegen“, gibt sich Geywitz entschlussfreudig, schon „im November sollten wir so weit sein“. Dann will sie „ein ganzes Maßnahmenbündel“ präsentieren, um die Bundesbürger für die Nutzung von leerstehenden Wohnraum zu interessieren. (Quelle: WELT, https://www.welt.de/wirtschaft/article252738804/Ifo-Prognose-Trauerspiel-ohne-Ende-2026-nur-noch-175-000-neue-Wohnungen.html und: https://www.welt.de/politik/deutschland/article252724636/Wohnungsmangel-Bauministerin-Geywitz-will-Menschen-zum-Umzug-aufs-Land-ueberreden.html)

Das ist genial. Der IT-Fachmann, der in München keine erschwingliche Wohnung finden kann, zieht einfach ins nur gut drei Fahrradstunden entfernte Kolbermoor um. Sein Kollege aus Berlin hat es in Dallgow-Döberitz nur eineinhalb Fahrradstunden westlich, noch viel bequemer. Die 10.850 Einwohner dort empfangen ihn sicherlich mit Kusshänden. Und aus der Naturlandschaft Döberitzer Heide hat er auch einen guten Ausblick in Richtung seines Arbeitsplatzes. Das Argument für den Umzug ist aus Ministermund einfach: „Gerade in kleinen und mittelgroßen Städten ist das Potenzial groß, weil es dort auch Kitas, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Ärzte gibt“, so die Klara zur „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Aber natürlich ist mit Homeoffice und KI da etwas dran, wie Werner Rohmert mit seiner 25 Jahre alten 90er Jahre Prognose zu den Folgen des Internet mit „Ersatz der Wochenendehe durch den Kollegenmittwoch“ schon deutlich machte.

Mal im Ernst: Wie auch schon Vonovia-Chef Rolf Buch diese Woche deutlich machte (s. 3 ff. und S. XX), hängt die Malaise am Bau ursächlich stark an den explodierten Kosten, deshalb ist auf den Baustellen nichts mehr los. Und in den nächsten Jahren dürfte das Bauen nach Ansicht des Ifo-Baufachmanns Ludwig Dorffmeister noch einmal teurer werden: „Der Baukostenindex des Statistischen Bundesamts zeigt, dass die vormals stark gestiegenen Materialkosten nicht sinken, sondern sich eher stabilisieren, während die Arbeitskosten in großen Schritten nachziehen.“ Der Tarifabschluss im Bauhauptgewerbe werde in den kommenden Jahren weitere Kostenzuwächse zur Folge haben. So steht nach Beobachtungen seines Instituts bei Befragungen der Branche inzwischen der Auftragsmangel als Sorgenkind ganz vorne. Vergessen sind die Zeiten, als Materialmangel die Baulust empfindlich dämpfte. Nach Dorffmeister sind die Baukosten schon bislang völlig aus dem Ruder gelaufen und verhindern eine Erholung des Marktes. Und er merkt an: „Längerfristig dürfen die Zinsen eigentlich nicht als Ausrede für die schwache Bautätigkeit dienen, da sie sich jetzt wieder auf einem normalen Niveau befinden.“

Ein Vierteljahr ist es her, da hatte die Ministerin, Lehrerstochter in der DDR und studierte Politologin, bereits eine Verbesserung in der Baubranche ausgemacht. Auf der Immobilienmesse in Cannes hätten nach ihrem Eindruck „die Fachleute eigentlich nur noch die Frage diskutiert, ob es schon ab dem Sommer deutlich nach oben geht oder ob die Branche bis 2025 durchhalten muss“. Ihrer Ansicht nach standen im März/April alle Zeichen auf den Baustellen auf Aufschwung. „Wir sehen auch, dass sich das Preisniveau in einigen Bereichen wieder normalisiert hat, beispielsweise bei den Baumaterialien“, so die SPD-Politikerin. Zumindest bisher ist von alledem wirklich gar nichts zu sehen. Der Trend bei den Baugenehmigungen für Mehrfamilienhäuser zeigt weiter kräftig nach unten. Von der Spitze Mitte 2022 ist er im Schnitt um ein sattes Drittel gesunken. (Quelle für Zitate: https://www.oldenburger-onlinezeitung.de/nachrichten/geywitz-sieht-in-baubranche-anzeichen-der-erholung-127169.html ). Und die Liebhaber von Einfamilienhäusern scheinen dabei zu sein, die Flinte endgültig ins Kornfeld neben den Bauplätzen zu werfen. In den letzten drei Jahren gingen ihre Baugenehmigungen im Schnitt um 59 Prozent zurück.

Gerade will Geywitz auch die Axt an die Wurzel vielen Übels am Bau legen: der Superbürokratie und Ordnungswut. In Berlin erklärte sie vor ein paar Tagen: Architekten und Bauherrn könnten künftig rechtssicher von kostenintensiven Standards abweichen. Möglich seien etwa der Verzicht auf einen Keller, eine niedrigere Zahl an Balkonen oder geringere Lärmschutzvorkehrungen. Die Bundesregierung wolle die nötigen Gesetzesänderungen für den sogenannten „Gebäudetyp E“ auf den Weg bringen. (Quelle: Deutschlandfunk, 23.7.24, https://www.deutschlandfunk.de/bundesministerin-geywitz-legt-leitlinien-fuer-einfacheres-bauen-vor-100.html). Nach Angaben von Wohnungsbauverbänden wird bislang oft nach höchsten Standards gebaut, um rechtliche Probleme zu vermeiden. Dies führt demnach aber dazu, dass die Wohnungen für viele Menschen unbezahlbar sind. Im Grunde keine schlechte Idee mit der Vereinfachung, aber der Bau ist so teuer, dass möglicherweise der Verzicht auf ein paar Balkönchen nicht reichen werde, so unser „Lieblingssatistiker“.