Das Perpetuum Mobile lebt

… zumindest in den Köpfen der Politik. Wenn es je eines Beweises bedurft hätte, so hat die Pandemie ihn erbracht. Konjunktur und Stimmung lassen sich drucken. Die Branchen überbieten sich in Hilferufen. Der Staat versichert den Wohlstand. Krisengewinnler werden an den Börsen gehypt, die in Simplizissimus-Zeiten Stoff für Satire gegeben hätten. Während ich in früheren Zeiten eher von „Krise ohne Volk“ sprach, weil bis auf Bewegungen der Arbeitslosigkeit die letzten beiden Krisen an der Bevölkerung vorbeigingen, tragen heute Bevölkerung und Mittelstand die Folgen der Krise. Mieten müssen verdient werden. Für Bilanzen, Mietschulden, Sozialabgaben oder Kredite haftet der Mittelständler auch heute noch mit seinem Lebenswerk. Das Zinsniveau ermöglicht es dagegen haftungsfreien Konzernlenkern mit Kapitalmarktzugang durch Bereitstellung von gehyptem „Sachkapital“, Aktien zu drucken oder Anleihen zu begeben. Und irgendwie macht oder prognostiziert niemand bis auf eine Handvoll Signature-Krisenkonzerne richtig Verluste. Leute raus, Steuern weg, Hilfe schreien, Digitalisierung üben, irgendwas mit „E“ versprechen, ein paar Fehler erfinden und grundlegende Änderungen versprechen und schon steht die Strategie-Story („Narrativ“ lerne ich gerade noch auszusprechen). Die Unternehmen sind schnell wieder auf Kurs. China lebt, Industrie lebt. Deutschland lebt. Und für die echt Verpennten liefert Corona das Narrativ, Fehler zu sozialisieren. Und die volkswirtschaftlichen Zahlen beweisen:

Niemand braucht das ganze Kultur- und Kommunikations-Zeugs. Wenn ich der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und den Prognosen für das nächste Jahr glauben kann, dann muss doch das ganze jetzt abgeschlossene, beschäftigungstherapeutische Zeugs wie Reisen, Konzerte, Schauspiel, Kongresse, Events, Messen, Kunst-Ausstellungen, Sportveranstaltungen, Hotels, Kneipen, Handel, Rumsingerei in kleinem oder größerem Kreis, Fitness, Schwimmen, Golfspaziergänge, Rumböllern, sonstiges Vereinshüpfen, volle Tribünen und sogar das älteste Gewerbe der Welt weitgehend neben der Volkswirtschaft herlaufen. Das braucht ja dann auch keiner mehr. Digitalisierung macht’s möglich. Ich frag mich einfach, wie also fast alles, was im Leben Spaß macht, volkswirtschaftlich so völlig überflüssig gewesen sein kann.

Und, Spaß beiseite, ich weiß wirklich nicht, ob alles, was wir uns 2019 noch an selbstauferlegten Zwängen angetan haben, wirklich notwendig ist und wiederkommt. Andererseits ist ein Immobilienjahr ohne Quo Vadis, Mipim, ZIA-Immobilientag oder Expo Real und natürlich unsere Veranstaltungen des Immobilienjournalistenverbandes, immpresseclub e.V., kein Jahr, das in Erinnerung bleibt. Die Zeit ist einfach woanders sinnlos verschwunden.

In 2021 wird es einige Veränderungen geben. An Angela hatte ich mich fast gewöhnt. Eine Schwemme von Möchtegernkanzlern steht an den Startblöcken. Wahrscheinlich werden uns bald auch die täglichen Peinlichkeitsmeldungen aus USA fehlen, obwohl ich nach wie vor glaube, dass da ein paar wichtige Wahrheiten enthalten waren, die jetzt wieder in politischen Umgangsformen Whole-Loan & Mezzanine-Finanzierungen Individuelle Finanzierungen für Ihr Immobilienprojekt vorbeifällt, „bisher ist ja alles gutgegangen“, wird das laufende Jahr analysiert. Auch ich hoffe ja, dass da unten ein Sprungkissen liegt, aber so richtig vorbereitet war ja auf den Corona-Absprung niemand. Nur die Politik verstreut Kissen aus Geld. Vielleicht reicht das ja.

Außerdem wird inzwischen nach den Recherchen der Immobilienmatadore immer klarer, dass die Krise an der Immobilienwirtschaft weitgehend vorbeigeht. Hygiene soll mehr Flächen fordern als Homeoffice freisetzt. Homeoffice fordert dafür aber Wohnflächen. Alles bleibt knapp. Handel und Autos waren einfach zu blöd und werden jetzt abgestraft. Bei Hotels ist die Welt ungerecht. Ich glaube es einfach nicht. In Panik mag ich aber auch nicht verfallen.

Wie schon einmal ausgeführt: Corona ist anders. Natürlich kommt die Wirtschaft nach den Corona-Ferien zurück. Natürlich bleibt Deutschland best in class. Natürlich ist Alternativlosigkeit und Nullzins bis zur Weltschulden- und Weltwährungsreform in einigen Jahrzehnten zementiert. Aber es ist zu befürchten, dass unser Leben nicht mehr ganz so werden wird, wie es war. Überall ein wenig weniger kann sich multiplizieren. Das muss sich an den Vermietungsmärkten bemerkbar machen. Unser Heimatblättchen, dass eine Reihe von Gemeinden abbildet, zeigt auch in unserer wohlhabenden westfälischen Region untergehen. Irgendwie bin ich da von gestern. Ich laufe lieber mit einem Gewehr durch unbekanntes Terrain als mit einem sichtbaren Goldbarren. Für mich ist eine USDemokratie näher als ein chinesisches Big Data Leben. Glaubensrichtungen oder sonstige diverse Ausprägungen sind mir als Altliberalem bis zur Gleichgültigkeit egal. Ich wünschte mir nur, ich wäre auch den anderen egal. Trotzdem finde ich, Deutschland ist ein christlich geprägtes Land. Diese Prägung hatte Einfluss auf unseren rechtlichen und sozialen Rahmen. Natürlich gehören alle Glaubensrichtungen seiner Bewohner zu Deutschland – allerdings nur, wenn sie bereit sind, eben diesen Rahmen anzunehmen oder zumindest zu akzeptieren. Und ich lasse mir nicht verbieten, den meisten von Ihnen ein Frohes Weihnachtsfest zu wünschen und anderen Mitbürgern zu anderen Tagen ein anderes frohes Fest. Und, sehr geehrte Damen und Herren, ich werde mir nicht mit „liebe Leser*innen“ die Zunge verbiegen und ich werde weiter auf die Suche nach Herrentoiletten gehen. Die Immobilienwirtschaft lebt vor allem von Stimmungen und Erwartungen. Aktuell mehren sich die Anstrengungen der immobilienwirtschaftlichen Researcher und Matadore, sich am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Im Optimismus des Dachdeckers, der gerade an der 1. Etage überall riesige Haushaltseinbrüche auf. Das Geld fehlt irgendwo. Geld- und Verschuldungspolitik hatten vor Corona schon das volks-wirtschaftliche „Modell Schlaraffenland“ im neuen geldpolitischen 3D-Druck begonnen umzusetzen.

Thomas Mayer, Flossbach von Storch, zuvor Chefvolkswirt Deutsche Bank, hat letztens in WELT vorgerechnet, dass die EZB trotz Staatsfinanzierungsverbotes mit ihren Kaufprogrammen dieses Jahr schon 90% der Neuverschuldung der Euro-Staaten finanziert hat. Deren Budgetdefizit betrage lt. IWF ca. 10%. Eine Billion EZB-Staatsanleihekäufe seien 9% des BIP. Nächstes Jahr dürfe die EZB weitere 1,4 Billionen Euro indirekte Staatsfinanzierung drucken. Mayer-Fazit: „Der auf die Spitze getriebene Versicherungsstaat kann allen und jedem Geld schaffen. Ob sich die Bürger dann damit noch etwas kaufen können, ist aber zweifelhaft.“

Manche Entscheidungen der Politik führen zum Nachdenken. An der Notwendigkeit des Lockdowns lässt die Infektionsmathematik wenig Zweifel. Dass aber die Ankündigung vor der Länderchef-Tagung und danach eine 2-tägige Einkaufsrestzeit vor Weihnachten zum Vergessen aller Abstandregeln führen würde, war durchaus zu erwarten. Gleichzeitig haben die Infizierten des Lockdown-Shoppings an Weihnachten das höchste Ansteckungspotential, das dann wiederum Silvester die beste Verbreitung findet. Zur Entscheidung über die Verlängerung des Lockdowns dürften die selbst gemachten Zahlen dann die Statistik tunen. Engel & Völkers Commercial hat die Zahlen recherchiert (S. 16). Hotels sind heute ein Schwerpunkt. Die Pandemie lässt der Politik keine Wahl. Hotels als Assetklasse haben deshalb den stärksten Stimmungsabschwung zu erleiden. Es geht dabei um die Frage, ob der geschäftliche Reiseverkehr trotz geändertem Arbeitsplatz- und Messe- bzw. Kongress-Umfeld in alter Höhe zurückkommt. Bei voller Projektpipeline hat ein etwaiges Überangebot nicht nur Auslastungs-, sondern auch Preis- und Wettbewerbsfolgen. Ich verstehe die Hilferufe der Hoteliers und Immobilieneigentümer. Was aber andererseits völlig unverständlich ist, ist das komplette Ausblenden der Volatilität des Hotelmarktes auf Einzelereignisse und Epidemie Ängste nach den Erfahrungen der dramatischen Folgen des „9/11“ in 2001 oder wenige Jahre später Vogelgrippe und SARS. Ich frage mich, wofür man „Berater“ bezahlt

Ach so, ab Morgen gilt das neue Maklerrecht (Der Immobilienbrief Nr. 490 Seite 10). Statt Logik gibt es wieder Politik. Natürlich kommen heute auch wieder Experten zu E-Mobilität (DIB Nr. 490 S. 25), den US-Märkten (S. 23), Wohnungsinvestments (DIB Nr. 490 S. 19 und S. 27) oder Logistik (DIB Nr. 490 S. 21) zu Wort. Interessant ist auch der Aspekt der Verhandlungsstrategie (DIB Nr. 490 S. 28). Und natürlich darf die jährliche Weihnachtsmarkt-Analyse von Thomas Beyerle nicht fehlen. (DIB Nr. 490 S. 6) Natürlich hat mich Corona und die perspektivreiche Wohnungsmarktsituation auch auf neue Ideen gebracht. Ich investiere jetzt in ein nachhaltiges, Ressourcen schonendes, klimaneutrales und klimaregulierendes Tiny Hobbit House Projekt in Valladolid, Mexiko. Mein Investment Partner hat da einen sicheren Zweitjob. Er schreibt die weiblichen Texte auf einer Dating- und Sex-Plattform. Ich hatte eigentlich immer gedacht … , naja, eigentlich habe ich da gar nicht drüber nachgedacht. Aber es ist schließlich logisch, dass man immer im Kopf seiner Zielgruppe denken muss. Das klappt natürlich besser, wenn man das selber ist.

Frohe Weihnachten und ein erfolgreiches 2021.

Werner Rohmert