Bernhard Reiling, Inhaber der Reiling Unternehmensgruppe, im Gespräch mit „Der Immobilienbrief“
„Der Immobilienbrief“: Herr Reiling, ich wusste gar nicht, dass wir in Marienfeld, nahe unserer westfälischen Verlagsheimat, eines der traditionsreichsten und innovativsten deutschen Recycling-Unternehmen mit über 600 Mitarbeitern beheimatet haben, das im Zuge der aktuellen Nachhaltigkeits- und Klimadiskussion immer stärker den Weg in die Immobilienwirtschaft sucht.
Bernhard Reiling: Es ist richtig, dass die Diskussion der letzten beiden Dekaden unsere Unternehmensentwicklung stark beschleunigt hat. Es ist aber auch richtig, dass sich Reiling bereits vor mehr als einem Jahrhundert und lange vor dem Bewusstseinswandel zur Aufgabe gemacht hat, Wertstoffe zu sammeln und effizient in einem optimalen Kreislauf wieder zu verwerten. Als bis heute familiengeführtes Unternehmen sind wir vorwiegend Partner von Industrie, Kommunen, Handel, Gewerbe und dualen Systemen, die wir in der ganzen Bandbreite von Sammlung, Transport und Aufbereitung bis hin zur Lieferung hochwertiger Rezyklate unterstützen.
Europaweit sind wir einer der Marktführer im Bereich Glas-Recycling. Das heutige Umfeld ist dabei ein Turbo für Innovation im Recycling. Das ändert aber nichts daran, dass auch heute noch der überwiegende Teil unseres Geschäftes klassisches Glas-Recycling wie zum Beispiel Behälterglas ist. Andererseits nähern wir uns mit unseren innovativen Produkten immer mehr als Lieferant und Entsorger der Bau- und Immobilienwirtschaft, den regenerativen Energien wie der Solarwirtschaft aber auch der Automobilindustrie an.
„Der Immobilienbrief“: Wahrscheinlich stellen wir uns Glas-Recycling mit Sortieren und Erhitzen etwas einfach vor.
Bernhard Reiling: Ich befürchte, da sind Sie nicht alleine. Moderne Verbundgläser stellen uns vor immer größere Herausforderungen. Je besser die technischen Lösungen werden, desto schwieriger wird ihr Recycling. So haben wir ein gemeinsames Projekt mit Audi, einem der weltgroßen Autohersteller zum Recycling von Autoscheiben aufgelegt. Auch Photovoltaik-Recycling stellt uns vor besondere Herausforderungen. Darüber wollten wir uns ja hier unterhalten.
Aber lassen Sie mir noch einen kleinen Exkurs als Lieferant der Bauwirtschaft. Mit Schaumglasschotter bieten wir eine ökologische Alternative zu erdölbasierten Dämmstoffen. Wir haben letztes Jahr zwei darauf spezialisierte Unternehmen übernommen. Schaumglasschotter ist der einzige Dämmstoff, der als Leichtschüttung eingebracht werden kann und damit erhebliche Zeitersparnis gegenüber Plattendämmungen im Bau erzielt. Schaumglasschotter kann sowohl im Hochbau, im Tiefbau als auch im Verkehrsbau maßgeschneiderte Anwendungsgebiete finden.
„Der Immobilienbrief“: Lassen Sie uns aber noch einmal auf das Solarthema zurückkommen. Je wichtiger die Energiewende wird, und je mehr regenerative Energien – in Deutschland vor allem Sonne und Wind – als Basis der Energiewende erkannt werden, desto emotionaler werden die Diskussionen auch in Bezug auf etwaige Umweltrisiken geführt. Die Entsorgung von Solarzellen ist hier ein Thema, das im September letzten Jahres auch die Tagesschau aufgriff. Solarzellen enthalten vergleichbar mit anderen Elektrogeräten Schwermetalle, die nicht in die Umwelt gelangen sollten. Die sind im Betrieb gebunden, aber bedürfen besonderer Sorgfalt bei der Entsorgung.
Bernhard Reiling: Ja, sehen wir es positiv, das ist ein zukunftsträchtiger Geschäftsbereich von uns. Bei begrenzter Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren kommen schon heute viele Anlagen an ihre Grenzen. Gleichzeitig wächst die Stromerzeugung aus Solarenergie fast exponentiell und leistet einen zentralen Beitrag zur Energiewende mit Ressourcenschonung und CO2 Einsparung. Die Sonne ist statistisch gut berechenbar. Und Solar lässt sich sehr gut auf Gebäude oder auch in die Landschaft integrieren. Ein großer Vorteil der Solarenergie liegt auch darin, dass sie in Städten auf Dächern oder an Fassaden erzeugt werden kann. Die Stromerzeugung durch Photovoltaik fällt dann da an, wo der Strom auch verbraucht wird. Von späteren, riesigen Wüsten-Solarparks, zur Wasserstofferzeugung, wollen wir heute noch gar nicht sprechen. Öffentliche Großprojekte, wie z.B. die Sanierung und Neubau Bundesbank Campus, sollen nach Abschluss des Projektes CO2-neutral sein.
Auf jeden Fall werden die größten Zuwachsraten unter den erneuerbaren Energien zu einer ständig steigenden Anzahl ausgedienter Photovoltaik-Module führen. Allein in Deutschland wird das zukünftige Entsorgungsvolumen auf mehrere Millionen Tonnen geschätzt. Seit 2015 schreibt das ElektroG vor, dass PV-Module nur durch zertifizierte Erstbehandlungsanlagen recycelt werden dürfen.
Die Recycling-Herausforderungen entstehen technisch durch die verschiedenen, fest verbundenen Materialien, die zudem für die Abnehmer der sortenreinen Sekundärrohstoffe (Rezyklate) in hoher Reinheit und Qualität zurückgewonnen werden müssen, und durch die zunehmenden Entsorgungsvolumina. Formale Herausforderungen stellt die in Deutschland unvermeidbare gesetzeskonforme Erfassung.
Ziel ist es, wertvolle Rohstoffe aus siliziumbasierten Photovoltaikmodulen einer erneuten Nutzung zuzuführen. Reiling verfügt hier über mehr als 15 Jahre Erfahrung und Fachkompetenz. Wir haben viel gelernt und den Recyclingprozess stetig weiterentwickelt und setzen heute immer weiter verbesserte Aufbereitungsanlagen ein. Ein mehrstufiger Prozess garantiert eine hohe Recyclingquote. Nach der Erstbehandlung erfolgt die Zerkleinerung. Im Hauptprozessschritt werden die Materialien zur Rückführung in den Wertstoffkreislauf aufbereitet und separiert.
„Der Immobilienbrief“: Was hat es denn mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen auf sich. Das sollte doch eigentlich kein Problem sein.
Bernhard Reiling: Na ja, wenn sie sich die Genehmigungszeiten von Windkraft- oder Solaranlagen vor Augen halten, kommen Sie automatisch zu Überlegungen der gesetzeskonformen Entsorgung. Reiling bietet hier neben gesetzeskonformer Entsorgung und Recycling die Ausstellung von Verwertungsnachweisen, die Durchführung der Mengenmeldung bei der Stiftung EAR sowie individuelle Lösungen für zukunftsorientierte End-of-Life Konzepte für Kunden in persönlicher Beratung an. Und für uns selbst gilt in dieser Hinsicht, dass alle Photovoltaik-Recycling Standorte der Reiling Unternehmensgruppe nach dem ElektroG als Erstbehandlungsanlage zertifiziert sind.
„Der Immobilienbrief“: Herr Reiling, vielen Dank, wir haben da aber noch ein paar andere Themen nur flüchtig gestreift. In unseren Gesprächen zur Sanierung von großen Bürogebäuden werden wir oft mit der Entsorgung großer Fensterflächen konfrontiert. Gleichzeitig stellt sich beim vielfach anzutreffenden Dämm-Hype in der Gebäudesanierung oft die Sinnfrage zukünftiger Sondermüll-Entsorgung der Dämmstoffe ebenso wie in Bezug auf das gestörte Gebäudegleichgewicht. Vielleicht können wir da einmal das Gespräch fortsetzen.
Bernhard Reiling: Sie schneiden da en passant noch ein paar Themen an, die uns auch auf der Seele liegen. Leider haben wir keinen Platz mehr. Aber noch für das Protokoll: Schaumglasschotter als Dämmung besteht zu 100% aus recyceltem Material und ist zu 100% recyclebar. Und Flachglas-Entsorgung ist eine ständige Herausforderung für uns. Für die Rückbauunternehmen hat das keine wirtschaftliche Bedeutung. Glas wird einfach mit anderem Schutt entsorgt und so verdreckt und vermischt. Wenn wir dann dazu kommen, sind alle Fehler schon gemacht, so dass die Chancen eines fachgerechten Recyclings vertan werden. Vielleicht ändert sich das, wenn die von der Politik gewünschte Bestandssanierung an Fahrt gewinnt und einige prominente Projekte beispielhaft vorangehen. Vielleicht setzt sich dann auch die Erkenntnis durch, dass ein Gebäude ein Wertstofflager ist. Zunächst möchte ich mich auch für Ihr Interesse bedanken und vielleicht konnten wir ja auch Ihre Leser interessieren.
Informationen unter www.reiling.de,