Hoffnungsvoller Blick auf das zweite Halbjahr

Der schier endlos scheinende Lockdown im deutschen Nonfood-Einzelhandel zu Beginn dieses Jahres mit seinen Folgen für die Geschäftsentwicklung namhafter Einzelhandelsunternehmen und ein entsprechend schwaches erstes Quartal im Investmentjahr 2021 ließ auch für das zweite Quartal – und damit für die erste Jahreshälfte – keine großen Sprünge erwarten. Allerdings ist der Markt für Handelsimmobilien – wie der Blick auf den Lebensmittelhandel zeigt – zweigeteilt.

Nach einem Transaktionsvolumen im Investmentmarkt für Retail Assets, das die Immobiliendienstleister in den ersten drei Monaten in der Bandbreite von 1,2 Mrd. Euro (Colliers International) und 1,9 Mrd. Euro (CBRE) gesehen haben, summiert sich das Investitionsvolumen nach einem weiteren schwachen Quartal im ersten Halbjahr laut CBRE auf 3,5 Mrd. Euro. Andere Immobiliendienstleister sehen das Volumen mit 3,28 Mrd. Euro (Savills), 3,1 Mrd. Euro (JLL), 2,8 Mrd. Euro (BNP Paribas Real Estate) und 2,7 Mrd. Euro (Colliers International) sogar noch niedriger. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2021 laut BNP Paribas Real Estate (BNPPRE) knapp 24 Mrd. Euro in deutsche Gewerbeimmobilien investiert – 13% mehr als der Zehn-Jahres-Schnitt.

Doch gemessen an dem unerwartet guten Ergebnis im Jahr 2020 mit einem Transaktionsvolumen von 6,9 Mrd. Euro (CBRE) im ersten Halbjahr und einem Gesamtjahresvolumen in der Bandbreite von 10,44 Mrd. bis 12,3 Mrd. Euro, in dem sich die Shutdowns kaum widerspiegelten, sind im ersten Halbjahr 2021 die Folgen der Zwangsschließungen auch im Investmentmarkt für Retail Assets zu spüren.

So konstatiert Jan Eckert, Head of Capital Markets bei JLL Germany, Austria, Switzerland, dass die einzelhandelsgenutzten Immobilien, nach wie
vor sichtlich in Mitleidenschaft gezogen wurden von den strukturellen und konjunkturellen Verwerfungen. Damit koppelte sich der Markt für Einzelhandelsinvestments laut Colliers International vom dynamischeren Wachstum des Gesamtmarktes ab.

Doch Eckert sieht für die zweite Jahreshälfte Grund zur Hoffnung: „Neben den seit einiger Zeit dominierenden Fachmarktprodukten sowie Nahversorgungszentren und Supermärkten/Discountern waren es drei High Street Transaktionen mit jeweils mehr als 100 Mio. Euro, die im zweiten Quartal herausstachen und zumindest andeuten, dass mit dem Ende des Lockdowns und der Wiederbelebung der Innenstädte auch die Immobilieninvestoren zum physischen Handel zurückkehren.“

 

Auch BNP Paribas Real Estate sieht Licht am Ende des Tunnels: Neben den lebensmittelgeankerten Objekten, die seit Ausbruch der Pandemie von den Zwangsschließungen ausgenommen waren und die von der Schließung der Gastronomie profitierten, zeigen nach Feststellung des Immobiliendienstleisters auch einzelne Verkäufe, „dass langsam wieder etwas mehr Bewegung ins Shopping-Center-Segment kommt“.

Denn einig sind sich die Immobilien-Experten, dass sich mit den Lockerungen und den Fortschritten bei der Impfkampagne in Deutschland auch der Immobilieninvestmentmarkt zusehends von der Pandemie erholt. Das lässt – insbesondere im Segment Fachmärkte und Fachmarktzentren – in der zweiten Jahreshälfte im Retail Segment noch auf Besserung hoffen. Zumal die Lebensmittelhändler nach einer Umfrage der GRR Group in den nächsten Jahren weiter expandieren wollen.

Allerdings weist Eckert einschränkend darauf hin, dass die Zeit der schnellen Transaktionen mit Ausblick auf hohe Wertzuwächse in kurzer Zeit erst einmal vorbei zu sein scheinen. Zu ungewiss ist der weitere Verlauf der Pandemie mit den Mutanten und der Wirksamkeit der Impfstoffe. Hinzu kommen bei Retail Assets die Folgen der Zwangsmaßnahmen für den Vermietungsmarkt, nachdem viele innerstädtische Nonfood-Händler ihre Expansion zurückgeschraubt und/oder im Rahmen von Insolvenzverfahren Filialen geschlossen haben. Der spektakulärste Fall war Galeria Karstadt Kaufhof im vergangenen Jahr.

Laut Eckert haben politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ungewissheiten bei den Investoren für Unsicherheit gesorgt und da der wirtschaftliche Umschwung noch ausstehe, aber erste Anzeichen von Engpässen und Nachholeffekten sichtbar würden mit Auswirkungen auf Zinsen und Inflation, sei es verständlich, dass Anleger derzeit eine eher abwartende Haltung einnehmen.

Nach Feststellung von Matthias Leube, CEO bei Colliers International, mehren sich aber auch beim Einzelhandel die Anzeichen für eine Trendwende, was er vor allem mit der deutlichen Aufhellung des GfK-Konsumklimas und des Handelsklimas als Teilindikator des Immobilienklimas begründet.

Hinzu kommt, dass es im Einzelhandelssegment auch viele Gewinner der Pandemie gibt, so dass die Ursachen für das schwache Abschneiden im ersten Halbjahr 2021 vielschichtig sind, wie Jan Dirk Poppinga, Co-Head of Retail Investment bei CBRE in Deutschland, erläutert: „Bei lebensmittelgeankerten Objekten wie Nahversorgungszentren und kleineren Fachmarktzentren sowie bei den verschiedenen Typen von Lebensmittelmärkten gibt es kein ausreichendes Produktangebot, um der starken Nachfrage der Investoren zu entsprechen“, stellt er fest.

Auch Jörg Krechky, Director und Head of Retail Investment Services Germany bei Savills, betont, dass die aktuelle Situation im Markt für Retail Assets nicht die Nachfrage der Investoren widerspiegelt, die insbesondere bei lebensmittelgeankerten Fachmärkten ungebrochen hoch sei. Das Ende der Zwangsschließungen und das zunehmend positive Konsumklima lassen aus seiner Sicht aber auch „Immobilien außerhalb des Lebensmittelsektors“ wieder attraktiver werden.

Lichtblicke für den Nonfood-Handel

Dabei ist laut Poppinga bei Shopping-Centern aber zwischen Top-Objekten und weniger gut aufgestellten Einkaufszentren zu unterscheiden: „Während viele Investoren bei den besten Shopping-Centern noch auf das Einpendeln des Mietniveaus nach dem Abschluss der Pandemie warten, bis sie wieder aktiv werden, gibt es bei anderen weniger gut aufgestellten Einkaufszentren kaum Nachfrage“, so seine Beobachtung.

Ein anderes Thema ist, dass im Einzelhandelsimmobilienmarkt große Unternehmensübernahmen oder M&A-getriebene Portfoliotransaktionen einen maßgeblichen Einfluss auf das Transaktionsvolumen haben – wie etwa im ersten Quartal 2020. Nach Poppingas Erfahrung sind solche, von langer Hand vorbereitete Transaktionen meist unabhängig von der aktuellen Marktlage. Dass es in diesem Jahr bislang keine solchen großen Deals gab, sei somit nicht auf eine verhaltene Nachfrage als Folge der Pandemie zurückzuführen. Wie Christoph Scharf, Geschäftsführer der BNP Paribas Real Estate GmbH und Head of Retail Services, darlegt, lag die Zahl der erfassten Deals nur um knapp 12% unter dem Vorjahresniveau, doch war das durchschnittliche Volumen pro Verkauf mit gut 18 Mio. Euro deutlich niedriger als 2020 mit 42 Mio. Euro.

Die Volumina der Deals waren 2021 kleiner

Größter Deal des zweiten Quartals, der laut Colliers International zugleich als einziger über 200 Mio. Euro lag, war der anteilige Verkauf des Büro- und Geschäftshaus-Ensembles Gloria Galerie in Berlin durch den Entwickler Centrum an den US-Investor RFR-Holding. Zu den großen Deals gehörte zudem der Verkauf von sieben Karstadt-Warenhäusern durch die RFR an Apollo im ersten Quartal. Ins zweite Quartal entfiel die Mehrheitsbeteiligung am ehemaligen Mutschler-Center in Neu Ulm für 120 Mio. Euro durch den österreichischen Investor und Entwickler Hallmann.

Wie schon die Präferenzen der Investoren vermuten lassen, erreichten Lebensmittel-geankerte Objekte wie Fachmärkte (Verbrauchermärkte, Supermärkte, Discounter) sowie Fachmarkt- und Nahversorgungszentren im ersten Halbjahr den höchsten Anteil am Transaktionsvolumen, wobei die absolute Höhe unterschiedlich gesehen wird. BNPPRE liegt mit einem Volumen von 1,6 Mrd. Euro und einem Anteil von 57% vor Colliers International mit 53% und CBRE mit 44%. Savills sieht Fachmarktzentren allein bei einem Anteil von 33%.

Einig waren sich die Berater, dass Geschäftshäuser in Top-Lagen mit einem Anteil von etwa einem Drittel auf dem zweiten Platz lagen. Nach Beobachtung von Jan Schönherr, Co-Head of Retail Investment bei CBRE, ist „die Nachfrage nach 1A-Einzelhandelsimmobilien in Top-Lagen sehr groß. Aber auch Objekte in weniger guten Lagen finden Investoren – dann meist mit Strategien, die auf Umnutzungen abzielen.“ Der Anteil von Shopping-Centern lag, darin waren sich die Berater einig, bei unter 10%. Denn viele Investoren warten offenbar erst einmal ab.

Spuren hat der Anlage-Druck im Fachmarkt-Segment auch bei den Spitzenrenditen hinterlassen, die laut Anne Gimpel, Senior Director Valuation Advisory Services bei CBRE in Deutschland, bei den besonders gefragten Lebensmittelmärkten gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 1,3 Prozentpunkte auf 3,9% gesunken sind. Savills-Director Krechky rechnet bei Supermärkten und Discountern denn auch mit weiteren Rendite-Kompressionen. JLL sieht die Renditen für Fachmarktzentren bei nur noch 3,75% und für Fachmärkte bei 4,5%.

Bei Shopping-Centern haben die Spitzenrenditen gegenüber dem ersten Quartal 2021 mit 5,1% laut Gimpel wieder leicht auf 5,0% nachgegeben. Während sich Krechky vorstellen kann, dass die Renditen bei Geschäftshäusern und Shopping-Centern weiter steigen, hält die CBRE-Expertin mit Blick auf die steigende Impfquote und die voranschreitende Belebung der innerstädtischen Einkaufslagen und der Shopping-Center im Jahresverlauf einen weiteren Rückgang bei den Renditen für möglich.

Das stimmt für die zweite Jahreshälfte optimistisch. Zumal laut Dirk Hoenig-Ohnsorg, Head of Retail Investment bei Colliers in der zweiten Jahreshälfte der Abschluss einiger größerer Paketverkäufe zu erwarten ist. „Die Dynamik des Einzelhandelsimmobilieninvestmentmarkts dürfte im weiteren Jahresverlauf an Fahrt gewinnen“, ist auch Schönherr angesichts der zu erwartenden Transaktionen überzeugt. Auch Christoph Scharf geht davon aus, dass ein reges Geschäft im Fachmarkt– und Lebensmittelsegment, die Wiederbelebung des Highstreet-Einzelhandels und der hohe Anlagedruck bei Investoren eine gute Basis für eine deutlich bessere zweite Jahreshälfte bieten. Ob dabei die 10 Mrd. Euro-Marke erreicht werden kann, ist laut Hoenig-Ohnesorg noch nicht sicher.