Die brandaktuelle Studie „Empty spaces and hybrid places“ des McKinsey Global Institute, die den Metropolen der Welt 20% und mehr Leerstand prophezeit, hat zwar in Deutschland nur München analysiert, jedoch geht die Logik natürlich nicht an Frankfurt oder den übrigen Metropolen vorbei. Die genannten weltweiten Metropolen-Leerstände von 20% sind, selbst wenn sie eintreten, nach Erfahrungen von „Der Immobilienbrief“, bei weitem nicht so dramatisch, wie sie sich anhören und medial ausgewertet werden. Für München könnte lt. McKinsey der Bedarf an Büroflächen 2030 im negativen Szenario mehr als ein Viertel (27%) niedriger sein als vor der Pandemie 2019. Bei Einzelhandelsflächen könnte die Nachfrage um 11% sinken. Mit 3,5 Bürotagen pro Woche lägen die Münchner im weltweiten Durchschnitt. In London ist die Präsenz mit durchschnittlich 3,1 Tagen niedriger, in chinesischen Städten wie Peking mit 3,9 Tagen höher. Im mittleren Szenario läge der Bedarf an Büroflächen 2030 um 16% niedriger als vor der Pandemie in 2019. Bei Einzelhandel läge dann das Minus bei 4%.
Zumindest den Mid-Case kennen wir allein aus zyklischen Entwicklungen auch in Deutschland schon aus der Erfahrung. Frankfurt, München und Düsseldorf konnten schon in diesem Jahrtausend nach Internet-Euphorie und Finanzkrise auf satte zweistellige Leerstände verweisen. In den USA sind wir jetzt schon fast so weit. Da gelten aber 8% Leerstand als knapp oder normal. In Deutschland machen traditionell 5% Fluktuationsreserve Sinn. Auf die neuen Bundesländer mit Leipzig, Dresden und Ost-Berlin mit Leerständen bis zu weit über 30% zur Jahrtausendwende, von denen in der letzten Dekade kein Mensch mehr sprach, wollen wir wegen der Sondersituation gar nicht verweisen. Die Verwerfungen der neuen Bundesländer machen nur insofern bedenklich, dass heute Gesamtdeutschland einer Vielzahl von Sondersituationen und einem gesellschaftlichen Wandel ausgesetzt ist, der nachdenklich macht. Gleichzeitig sind die aktuellen Entwicklungen der Mobilität des Arbeitens, des Homeoffices und einer veränderten Rolle der Büroarbeit mit Wirkung auch auf andere Assetklassen logisch. „Der Immobilienbrief“ skizzierte das bereits in den 90ern. Es bedurfte lediglich mehr Zeit als erwartet und besonderer Katalysatoren wie des Smartphones bzw. Tablets und zuletzt Corona. Aber bereits damals verwiesen wir schon auf das Beharrungsvermögen tradierten Verhaltens und der Notwendigkeit des Heranwachsens einer neuen Generation des „digital native“.
Insofern lässt sich die Metropolen-Ist-Analyse von McKinsey nicht beliebig hochrechnen. Und die Logik ist alt. „Der Immobilienbrief“ bleibt bei der Schätzung aus Beginn der Corona-Zeit, dass 10% des Büroflächenbestandes nicht mehr gebraucht werden. Das geht auf der einen Seite in länger laufenden Mietverträgen und notwendigen Klima-Sanierungen in einer Dekade unter. Auf der anderen Seite sind 10% des Bestandes natürlich sehr viel Flächen. Die Dramatik liegt aber in der Zukunft in geänderter Nachfrage-Psychologie und geändertem Zukunftsverhalten. Langfristig vorausschauende Nachfrage verschwindet in Erwartung eines Überangebotes. Projekte verschwinden in Schubladen. Neubauten kommen auf den Markt. Sinkende Bestandsmieten führen automatisch zu Druck auch auf Neubaumieten. Vertragstreue bei Vorvermietungen und Projektverkäufen werden nach alten Erfahrungen auch bei prominenten Adressen auf den Prüfstand gestellt. Oft finden sich Lücken in Verträgen. Oder Termine, Kosten und vereinbarte Vermietungen laufen aus dem Vertrags-Ruder. Die Marktmacht der Mieter ist oft größer als die der Entwickler, denen Zinsen, Zeit und Banken im Nacken sitzen. Für Neuvermietungen werden mehr Flächen im Bestand frei. Investoren und Banken werden vorsichtig. Die Zukunft schwindet im Vergleich der Vor-Corona-Erwartungshaltung. Das schreibt die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung neu. Branchen-, Unternehmens- und Lebensplanungen müssen neu geschrieben werden. Aber das ging vielen Industrien in Deutschland schon so. Jetzt muss einfach die Immobilienwirtschaft neu nachdenken. Und da stellt die Energiewende für Bau und Immobilien eine neue Jahrhundert-Aufgabe bereit. Das nimmt manche Dramatik heraus.
Die McKinsey-Studie hat die Auswirkungen der durch die COVID-19-Pandemie auf den Immobilienmarkt verursachten Verhaltensänderungen in „Superstar“-Städten in den Vereinigten Staaten, Europa und Asien untersucht. McKinsey sieht durch die direkten Wirkungen und die Umfeldwirkungen die Lebendigkeit der Städte in Gefahr. Hybride Arbeitsformen würden sich durchsetzen. Die Bürobelegung habe sich um 30% unter Vor-Corona eingependelt. Die jetzt erkennbaren Auswirkungen der Hybridarbeit seien in den Supermetropolen der Welt beträchtlich. Ohne Büro-Präsenszwang und mit verbesserter Flexibilität am Wohnort sei erkennbar, dass die Bewohner die Stadtzentren verlassen und ihre Einkäufe verlagern. Die Stadtkerne von New York und San Francisco hätten zwischen Mitte 2020 und Mitte 2022 ca. 5% bzw. 6% der Bevölkerung verloren. Die Büro-Leerstandsquoten seien in die Höhe geschossen. Die Passantenfrequenz in den Einkaufsstraßen der Superstädte bleibe 10 bis 20% unter Vor-Corona. Je nach Szenario sinke die Nachfrage nach Büro- und Einzelhandelsflächen in Superstar-Städten brutal. Im moderaten Szenario gebe die Nachfrage nach Büroflächen um 13% nach. Das läge unter den Erwartungen vieler Untersuchungen. In einem schweren Szenario sinkt die Nachfrage im Maximum um 38%. Andererseits gebe es erhebliche Unterschiede in Stadtstrukturen und Regionen. Zudem könnten sich Städte und Gebäude unter Verfolgung hybrider Ansätze anpassen.
„Der Immobilienbrief“- Fazit: Der Verdienst der McKinsey-Studie liegt vor allem in der detaillierten Aufarbeitung des Ist-Zustandes in über 80 Seiten und Charts und den daraus zu entwickelnden nachhaltigen Veränderungen auch über den Bürobedarf hinaus. Die Szenarien selber liegen in der inzwischen anerkannten Bandbreite. Denn der Ursprungsoptimismus des „kommt alles wieder zurück“ ist längst in der Realität untergegangen.