Die Nominierung für den MIPIM Award 2020 in der Kategorie „Bürogebäude“ würdigt das zukunftweisende Konzept des Bauens nach dem Kreislaufprinzip.
Bereits zwei Jahre ist es her, dass auf dem Gelände der Kokerei Zollverein der gemeinsame Verwaltungsneubau für die RAG AG und die RAG Stiftung fertig gestellt wurde, insofern ist das Gebäude keine Projekt im Wortsinn mehr. Bisher aber ist es noch kaum publiziert. Umso mehr überrascht jetzt die Bewerbung um den MIPIM Award – und der Mut wird gleich mit der Nominierung belohnt! Das von langer Hand vorbereitete Neubauvorhaben mit der Adresse „Im Welterbe 10“ als Modellvorhaben nach dem Prinzip Cradle to Cradle C2C (von der Wiege zur Wiege) ist ein Statement für den neuen Umgang mit Energie am Standort der einst größten Zeche Europas. Umgesetzt wurde es von RAG Montan Immobilien noch unter Hans-Peter Noll als Geschäftsführer und den Essener Projektentwicklern Kölbl Kruse nach Plänen der Aachener Architekten kadawittfeld. An der Konzeption waren Michael Braungart als Begründer des C2C-Prinzips und der Projektsteuerer Drees & Sommer beteiligt. C2C meint dabei, dass alle Werkstoffe danach ausgewählt werden, dass sie nach „Gebrauch“ (nicht Verbrauch!) am Objekt ein Ressourcedepot für Neues darstellen. Demnach dürfen Baustoffe keine unlösbaren Verbindungen eingehen, d.h. die sonst beliebten Verbundmaterialien z.B. zur Wärmedämmung sind jetzt verpönt oder müssen demontierbar konzipiert sein. Im extremen Fall sind sie sogar nur ausgeliehen wie hier die CO2-bindenden Teppichbodenfliesen. Das Leasing von Bau- und Ausbauteilen entwickelt sich bereits zu einem völlig neuen Geschäftsmodell im Bauen.
Der winkelförmige, nur zweigeschossige Bürobau bietet ca. 9400 qm BGF rings um drei begrünte Innenhöfe und ist nach DGNB Platin zertifiziert. Das Besondere ist neben der sorgfältigen Auswahl der Baustoffe und dem Energiekonzept mit Nutzung von PV die Einbettung in die Industrielandschaft von Zeche und Kokerei. Wie ein unendlicher Spaziergang verbinden Treppen außen und in den Höfen das Bodenniveau mit dem Dachgarten und seinen Wegen. Auch dort laden Stufen zum Verweilen ein und zum Ausblick über das weitläufige Gelände – und zur Abflugrampe für Fledermäuse, denen in der Aufzugsüberfahrt Nistkästen eingerichtet worden sind.
Die Konkurrenz bei MIPIM Award ist allerdings nicht unbeträchtlich. Unter den vier Nominierten in der Kategorie ist neben zwei ebenfalls mit Begrünung operierenden Bürokomplexen in Paris am Gare Saint Lazare, einem Projekt der Carlyle Group, und dem Elektrownia Powiśle – Office in Warschau von White Star Real Estate mit Tristan Capital ein zweites C2C-Projekt: das neue Head Quarter des IOC in Lausanne, in Eigenregie erbaut (weil das am effizientesten sei) nach Entwürfen von 3XN Architekten aus Kopenhagen, die im Wettbewerb siegten, weil sie u.a. besonders teamfähig arbeiteten! Auf dem Grundstück am Genfer See stand ein Vorgängerbau und bereits dessen Material wurde zu 90 % wieder verwendet. Im Neubau sind jetzt alle Teile, von der Deckplatte bis zum Fassadenglas für Reparaturen austauschbar bzw. wieder verwendbar. In Sachen sorgfältiger Planung scheint noch Luft nach oben.