Vermieter stehen vor schweren Entscheidungen

Der Umsatz im deutschen Einzelhandel ist in den ersten fünf Monaten 2020 – angetrieben vom Lebensmitteleinzelhandel – zwar nominal um 4,6% und real um 3,8% gestiegen, doch ist die Bilanz für die typischen Mieter in innerstädtischen Einkaufsstraßen und in Shopping-Centern aus dem Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Lederwareneinzelhandel mit einem Minus von nominal 32,4% und real von 32,6% und im „Sonstigen Einzelhandel“, zu dem Waren- und Kaufhäuser gerechnet werden, mit einem Rückgang von nominal 16,0 und real 16,7% ernüchternd.

Das zeigt, wie stark der Shutdown im März/April und die verzögerte Lockerung der Öffnung für großflächige Einzelhändler die Entwicklung dieser für Vermieter und
Innenstädte wichtigen Branchen beeinträchtigt hat, so dass nun viele Unternehmen in Schutzschirm- oder Insolvenzverfahren versuchen, diese Umsatzverluste abzufedern. Das Ziel: Kosten zu senken, vor allem für die Mieten. Prominentester Fall ist derzeit Galeria Karstadt Kaufhof. Nach dem Schutzschirmverfahren vom 1. April bis 30. Juni ist das Unternehmen seit 1. Juli im Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung.

Wie der neue Vorsitzende der Geschäftsführung, Miguel Müllenbach, in einem Brief an die Mitarbeiter schrieb, wurden in dieser Zeit „alle vorgesehenen Schritte des Schutzschirmverfahrens wie die fristgerechte Erarbeitung und Vorlage des Insolvenzplanes“ erreicht. Bei der vorliegenden Liste mit 62 geplanten Filialschließungen handelt es sich laut Müllenbach um Standorte, bei denen „die Verbindung von überdurchschnittlich hohen Mieten und soziodemographischen Standortnachteilen sowie anhaltend geringer Frequenz und Kaufkraft“ aus Sicht der Unternehmensführung keine „wirtschaftliche Fortführungsperspektive“ mehr bestand.

Dabei hängt offenbar vieles an der Miete, wie der Tatsache, dass inzwischen sechs Häuser wieder von der Schließungsliste genommen wurden, zeigt. Es sei dem Warenhausbetreiber mit vereinten Kräften und im Schulterschluss mit dem Eigentümer Signa in schwierigen Verhandlungen gelungen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für diese Standorte so anzupassen, dass sie nun doch fortgeführt werden könnten, teilte Galeria Karstadt Kaufhof mit. Dabei handelt es sich um den Kaufhof in Chemnitz, Karstadt in Dortmund, Karstadt in Goslar, Kaufhof in Leverkusen, Karstadt in Nürnberg Lorenzkirche und Karstadt in Potsdam.

Für die übrigen 56 Karstadt- und Kaufhof-Filialen, darunter prominente Standorte in Hamburg, Düsseldorf, Essen und Frankfurt/M. konnte Müllenbach noch keine positiven Nachrichten übermitteln. Allerdings laufen auch hier Verhandlungen zwischen den Vermietern und der Unternehmensführung. So informierte die ECE als Betreiber von zwölf von den geplanten Schließungen betroffenen Shopping-Centern, darunter der Limbecker Platz in Essen, dass sie zwischen Center-Eigentümern und Unternehmensführung vermittelt. Wie Steffen Eric Friedlein, ECE-Geschäftsführer Vermietung, berichtet, hat das Unternehmen „mit viel Engagement und großem Einsatz zwischen Galeria Karstadt Kaufhof und den Eigentümern unserer Center vermittelt und sehr weitreichende Lösungsangebote erarbeitet“. Die Verhandlungen dauern noch an. Auch bei der Karstadt-Filiale in der Düsseldorfer Schadowstraße wird noch verhandelt. Das dürfte auch noch für viele andere Standorte gelten.

Dabei müssen viele Eigentümer zweifellos ausloten, wie viel Mietnachlass sie verkraften können, was sie ein Leerstand kostet und welche Alternativen es überhaupt gibt. Denn auch viele Mieter aus dem Textil-, Bekleidungs-, Schuh- und Lederwarenhandel, die für eine Geschäftshaus-Lösung in Frage kämen, befinden sich in Schutzschirm- oder Insolvenzverfahren, um durch Kostenreduktion ihre Existenz zu sichern.

Insofern steht der Vermietungsmarkt bei Retail Assets – jenseits der Nahversorger – derzeit stark unter Druck. Zumal auch die Gastronomie-Konzepte, die für Modehändler einspringen und für Aufenthaltsqualität sorgen sollten, von den behördlich angeordneten Restriktionen stark tangiert werden. Hinzu kommt für die Vermieter der großen Warenhausflächen das Klumpenrisiko. Außer Galeria Karstadt Kaufhof gibt es für die großen Flächen kurzfristig keine direkten Nachmieter.

So bedauert auch Thomas Görner, Ansprechpartner bei der Interessengemeinschaft Schadowstraße in Düsseldorf, dass der Kaufhof und der Karstadt am oberen Ende der Einkaufsmeile, die lange durch den Bau der U-Bahn und des neuen Kö Bogens 2 beeinträchtigt wurde, auf der Schließungsliste stehen. Er setzt aber darauf, dass die Neugestaltung der Einkaufsmeile und die Eröffnung des Kö Bogens der Schadowstraße neuen Auftrieb geben und die Frequenz deutlich steigern werden.

Darüber hinaus hofft er, dass sich die Informationen „aus verschiedenen Kreisen“ bewahrheiten, wonach es alternative Nutzungskonzepte und Interessenten gebe, die eine Mischnutzung mit Einzelhandel, Gastronomie, Kultur und Hotel planten. Das dürfte sich primär auf den Kaufhof beziehen, denn bei Karstadt wird noch verhandelt. In Düsseldorf gebe es sehr wenige große Flächen, so dass hier eine Chance auf einen positiven Neuanfang bestehe, so Görner. Das habe auch die Politik begriffen.

Die Realisierung und Vermietung solcher Großprojekte mit Mischnutzung wird aber vom weiteren Verlauf der Konjunktur abhängen. Aus heutiger Sicht ist schwer abzuschätzen, wie viele der angeschlagenen Unternehmen – nicht nur aus dem Handel – die Krise gut überstehen werden. Wie tief der konjunkturelle Einbruch in diesem Jahr ausfällt, wird sich wohl erst im Herbst abzeichnen und zum Jahresende klar feststehen. Davon wird abhängen, um wieviel die Arbeitslosenzahlen steigen werden, ob die Einzelhändler ihre Umsatzverluste aus dem ersten Halbjahr ausgleichen können und wie sich etwa auch die Nachfrage nach Büroflächen in den Cities entwickelt.

Denn vor der Corona-Krise war das Interesse an der Umnutzung von Einzelhandelsflächen in den oberen Etagen innerstädtischer Top-Lagen sehr hoch. Ob sich dieser Trend fortsetzt und welche Expansionspläne die sehr gebeutelte Hotelbranche in der nächsten Zeit hat, wird sich erst zeigen. Davon wird aber abhängen, welche Nachnutzungen für leer stehende Warenhäuser möglich sind.