BIIS Bewerterverband-Jahrestagung startet Tagungsreigen mit Warnungen

H.-W. Sinn: „Langfristig ist eine funktionierende Wirtschaft mit Negativzinsen nicht vorstellbar“

Werner Rohmert, Hrsg. „Der Immobilienbrief“, Immobilienspezialist „Der Platow Brief“

Traditionell eröffnete am Montag der BIIS Bundesverband der Immobilien-Investment-Sachverständigen e. V. mit ca. 270 Gästen der professionellen Immobilienwirtschaft in Frankfurt den Reigen der jährlichen Immobilienveranstaltungen. Die Erwartung eines noch lange anhaltenden Immobilienwirtschaftlichen Booms ging einher mit Warnungen, die Wirtschaft könne so nicht auf Dauer funktionieren und das Platzen einer Blase benötige nicht einmal eine Zinssteigerung, da gäbe es genug andere Trigger. Warnungen kamen auch aus den eigenen Reihen der Bewerter.

Der Vorsitzende des BIIS Bundesverband der Immobilien-Investment-Sachverständigen e. V., Birger Ehrenberg, nutzte die Gelegenheit des elitären Kreises von Investoren, auf einige grundlegende Probleme der professionellen Bewerterszene hinzuweisen, die sich aus der aktuellen Marktsituation ergäben. Nach wie vor würden Bewertungen angefragt, bei denen es aus Sicht des Auftraggebers z. B. auf Grund hoher Objekt- oder Wohnungszahlen „nicht nötig sei“, die Immobilien einzeln zu besichtigen. Ehrenberg machte deutlich, dass aus den Regularien und den Anforderungen der BaFin ganz klar eine Pflicht zur persönlichen Besichtigung bestehe. Es gehe nicht ohne. Eine Verwässerung dieser Grundregel sei nicht zu akzeptieren.

Darüber hinaus gebe es im aktuellen Marktumfeld durchaus mentale Konflikte zwischen der formalen Bewertung und „eigenem Nachdenken“. Die Bewertung von Immobilien sei aber nun einmal gehalten, „den Markt“ zu bewerten. Preise, die heute tatsächlich gezahlt würden, seien „der Markt“ und müssten Grundlage der Bewertung bleiben. Inwieweit das immer mit den Ergebnissen eigener Überlegungen oder langfristiger Erfahrungen korrespondiere, sei dahingestellt. Bei manchen Entwicklungen von Wohnimmobilien sei durchaus über die Preisentwicklung und deren Determinanten, wie zum Beispiel die Zinswirkungen nachzudenken. Bei Projektentwicklungen von Hotels sei auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass dies derzeit eine stark nachgefragte Assetklasse sei, andererseits der Erfolg einer Projektentwicklung sich erst einige Jahre nach Eröffnung wirklich herausstelle. Bei Logistikobjekten oder Regallagern sei heute noch nicht abzusehen, wie sich Technologie und Standortanforderungen der kommenden Dekade entwickelten. Was nach Auszug eines Mieters mit seiner ganzen Technologie z. B. nach 10 Jahren an Immobilie übrig bleibe, stehe in den Bewerter-Sternen. Es sei aber mit Blick auf die Entwicklung der letzten 10 Jahre sicher, dass heutige Technologien in 10 Jahren überholt sein werden.

Diese Liste lässt sich aus „Der Immobilienbrief“-/“Der Platow Brief“-Sicht noch weiter fortführen. Wir stellten Ihnen schon viele mentale Dissonanzen zum Markt vor. Aber die aktuelle Zins- und Anlagesituation stemmt sich gegen die Immobilienmathematik und -logik, so dass Warnungen nach wie vor vom Markt falsifiziert werden.          Aber auch Stefan Wundrak, Chefresearcher von nuveen Real Estate macht deutlich, dass es im Management, in der Strategie und in der Bewertung darauf ankäme, Wendepunkte nicht zu verschlafen.  Das zeigt der Chart bezogen auf UK-Einzelhandelsimmobilien auf. Er macht deutlich, dass sich der Total Return von Handelsimmobilien trotz langfristiger Bedenken, die der Autor in „Der Platow Brief“ und Vorträgen bereits seit 1996/97 mit Blick auf E-Business deutlich machte, langfristig auf breiter Front positiv entwickelte. Von 2015 auf 2016 änderte sich die Entwicklung in GB, aber auch auf Deutschland übertragbar, abrupt, ohne dass es eigentlich neue Erkenntnisse oder Markt- oder Konsumbewegungen gegeben hätte.

Mit etwas Spaß am Rande bemerkt: Neben Wissenschaft und Erfahrungen aus der Praxis zeigen solche Tagungen auch gesellschaftliche Trends auf. Die Immobilienwirtschaft wird digital und modern. Das zeigt sich auch in Bekleidungstrends. Die Zeiten, in denen Immobilienbanker schon die Verwendung von Rindsleder für Budapester Schuhe für fehlgeleitet hielten, sind vorbei. Das zeigt auch das Podium. Strümpfe oder auch nicht, werden zur modischen Aussage. Raten Sie einmal, welche der hier abgebildeten 6 Schuhpaare Bankenhintergrund (3) haben. Für 2 Richtige gibt es ein Gratis-Abo. Aber das Ganze soll Sie natürlich nur darauf hinweisen, dass ich die letzte Mipim selber schon in Adidas ablief und jeden Morgen zwischen den tradierten Pferdeleder-Treterchen und Ultraboost zu entscheiden hatte. In Zukunft brauche ich mich auf der Mipim nicht mehr in jedem Gespräch für Adidas, Geox oder ugg’s, die mich heute in 95% meiner Zeit begleiten, zu entschuldigen. Vernunft setzt sich durch. Das führt dann auch zum nächsten Thema.

„Ich kann mir keine auf Dauer funktionierende Volkwirtschaft mit Negativzinsen vorstellen“

„Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist ein ‚Verarmungsprogramm‘ für die Welt zu Gunsten des Klimas“

„Der Euro ist letztlich ja auch nichts anderes als ein Euro-Bond für die Hosentasche“

Der ehemalige ifo-Chef, Professor Hans-Werner Sinn, machte in seinen Vortrags-Statements, die der pointierten Aussage willens vielleicht nicht in jedem Detail auf die Goldwaage zu legen sind, nachhaltig deutlich, dass über einige Entwicklungen intensiv nachzudenken sei. Die folgenden Statements sind hier nach Vortragsmitschrift wiedergegeben. Die zugehörenden Charts gibt Sinn traditionell nicht frei, sind aber überwiegend im Internet zu finden bzw. von uns fotografiert.

Insgesamt habe sich die Erwartung zum Weltwirtschaftsklima jeweils zu den kommenden sechs Monaten in den letzten beiden Jahren deutlich abgekühlt. Dies gelte, obwohl die USA einen riesigen Wirtschaftsaufschwung seit der Finanzkrise hinter sich hätten. Die US-Arbeitslosenquote läge heute mit 3,5% niedriger als zum bisherigen Rekord zum Höhepunkt der Internet-Euphorie zur Jahrtausendwende mit damals 3,8% und sie sei auch deutlich niedriger als zum Höhepunkt des Booms vor der Finanzkrise mit ca. 4,5% im Jahr 2007. Für Europa sei bedenklich, dass mit der Neuverhandlung der Abkommen zwischen den USA und China jetzt die Möglichkeit bestünde, dass sich Donald Trump wieder Europa zuwende. Das war am Montag noch eine These, die 2 Tage später in Davos mit Trump-Drohungen Realität wurde.  Deutschland als Exportnation sei erpressbar und könne im Hegemonial-Kampf zwischen USA und China zerrieben werden.

Europa sei sich nicht einig genug, um sich als Gegengewicht zu positionieren. Ein Modell für Europa sei in der deutschen Politik nicht zu erkennen. Das käme nur von Frankreich. Etwaige Genugtuung über den Brexit sei deshalb völlig fehl am Platze. Ökonomisch habe Großbritannien eine höhere wirtschaftliche Bedeutung in der EU gehabt, als die kleinsten 18 Länder der EU zusammen. Die Sperrminorität des nördlichen Blockes sei durchbrochen. Das Gleichgewicht innerhalb der EU sei kollabiert. Deutschland habe in der EU nicht mehr viel zu sagen. Die Rolle Frankreichs als neuer Atomwaffen-Monopolist mit seinen grundsätzlich planwirtschaftlichen Ansätzen werde gewichtiger. Der Weg in die Transferunion sei vorgezeichnet. Der Euro sei letztlich ja auch nichts anderes als ein Eurobond für die Hosen- oder Handtasche.

Deutschland sei nach dem Höhepunkt der Konjunktur im Winter 2017, die ein zweites Nachkriegs-Wirtschaftswunder abschloss, knapp an einer formalen Rezession vorbeigekommen. Die Industrie befinde sich aber inzwischen in der Rezession, wobei die Automobilindustrie bereits ihre Wirkung entfache. Deutschland bleibe grundsätzlich mit vier Problemen konfrontiert: 1. Schwäche der Weltkonjunktur und Handelskonflikte träfen die Exportnation. 2. Donald Trump habe die Beziehungen zu den USA auch ökonomisch auf ein anderes Level gebracht. 3. Der Ausstieg Großbritanniens mit seiner hohen Vergleichbarkeit zu Deutschland habe Deutschland innerhalb der EU stark geschwächt. 4. Die Energiewende stelle die Wirtschaft vor große (unlösbare) Herausforderungen durch gleichzeitigen Ausstieg aus der Atomkraft und der Kohle-Verstromung.

Die Thesen der Politik, die Energiewende sei ein ungeheures Konjunkturprogramm, sei Unsinn. Der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen sei ein „Verarmungsprogramm“ für die Welt und insbesondere auch für Deutschland zu Gunsten des Klimas. Im Vergleich zu energetischen „Schummel-Verordnungen“ der EU für die geplanten Flottenverbräuche befände sich der VW-Diesel-Skandal zumindest auf einem moralisch höheren Niveau. Die-Autos würden zunächst einmal wieder schmutziger werden. E-Mobilität bei gleichzeitigem Atom- und Kohle-Ausstieg, müssten zu einem Import von Atomstrom oder Kohlestrom führen.

Zudem sei zu bedenken, dass erst die Verwendung fossiler Brennstoffe die Entwicklung der Menschheit bzw. auch die Bevölkerungsentwicklung möglich gemacht habe. So konnten zwei Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche für die Ernährung der Menschheit freiwerden. In der Konsequenz befände sich die deutsche Industrie eindeutig im Abschwung. Dies beträfe insbesondere auch die deutsche Produktion im Fahrzeugbau. Darüber hinaus müsse immer bedacht werden, dass CO2, das in Deutschland eingespart werde, durch den Preiseffekt regelmäßig in andere Länder wandere und dort freigesetzt werden. Für das Weltklima ergebe sich nahezu kein Effekt.

„Ein Immobilienboom dauert durchschnittlich 17 Jahre – Alles spricht für eine Fortsetzung“

„Alles hängt von den Zinsen ab“

Neben den wirtschaftlichen Themen stellt sich für Hans-Werner Sinn die Frage nach der Dauer des aktuellen Immobilienbooms und der möglichen Preisentwicklung. Zu bedenken sei, dass der theoretische Preis einer Immobilie bei einem Zins von „Null“ automatisch unendlich sei und bei negativen Zinsen noch steigen müsste. „Der Immobilienbrief“ hat schon oft genug darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung von Lebenszyklen, sich ändernden technischen Ansprüchen sowie laufender Verwaltung und Instandhaltung viele Immobilien bereits negativ verzinst seien und im Erfolg von Wert- und Mietentwicklungen abhängen. Insofern begrenzen die laufenden Kosten natürlich die theoretische Immobilienmathematik. Darüber hinaus beträgt laut Sinn die durchschnittliche Dauer eines Immobilienbooms zwar etwa 17 Jahre, könne aber auch durchaus 10 oder auch 25 Jahre erreichen. Ein aktueller Wendepunkt sei nicht abzusehen, er sei aber kein Hellseher.

Letztlich hänge alles von den Zinsen ab. Seit der Finanzkrise habe Deutschland bei den Immobilienpreisen den Euroraum weit abgehängt. Lediglich die Schweiz könne noch knapp mitteilten. Andererseits gibt „Der Immobilienbrief“ dabei zu bedenken, dass nach Euro-Einführung mit Zinskonvergenz auf deutsches Niveau der Finanzkrise eine Preisexplosion von Immobilien im Euroraum bis hin zur Versechsfachung vorangegangen war, während Deutschland parallel von 1993 bis etwa 2004/5 eine lange Phase der Stagnation hinter sich hatte.

Besonders nachdenklich stimmte ein anderer Chart von Sinn. Bei der langfristigen Betrachtung der Zinsentwicklungen gab es in den letzten 150 Jahren zwei Phasen annähernder Nullzinsen. Mit dem Erreichen des bis dahin niedrigsten Zinsniveaus Anfang der 30er Jahre mit vorangegangenen Aktienboom und der Aufgabe des Goldstandards in den USA entstand die Weltwirtschaftskrise. Die führte zu politischen Veränderungen, die letztlich im Zweiten Weltkrieg endeten. Danach stiegen die Zinsen bis in die frühen achtziger Jahre bis zur Weltschuldenkrise weit über 10% und sanken danach infolge des Anschlags auf das World Trade Center und die Lehman-Krise wieder auf heute 0% ab. Wie lange das Zinsniveau anhalte, sei offen. Derzeit benötigten alle Bilanzen von Unternehmen und Banken hohe Assetpreise, die wiederum auf niedrigen Zinsen beruhten.

Konsequenz sei die Zombifizierung der Wirtschaft. Was 1990 in Japan angefangen habe, habe Europa erreicht. Nur mit Nullzinsen schleppten sich Firmen und Banken durch. Da keine politische Bereitschaft bestehe, eine große Krise in Kauf zu nehmen, läge der weitere politische Weg in Negativzinsen. Dem widerspräche nur die Möglichkeit der Bargeld-Hortung. Durch Abschaffung hoher Geldscheine könnten die Lagerkosten erhöht werden. Zudem sei nach seinen Informationen eine Mehrheit im EZB-Rat bereits heute für eine Abschaffung des Bargeldes. Und im EZB-Rat habe jedes Land eine Stimme, obwohl von der ökonomischen Bedeutung her die Mehrheit gegen die Abschaffung des Bargeldes sei. Die Konsequenz sei eine duale Währung, in der nur noch EZB-Buchgeld offizielles Zahlungsmittel sei und Bargeld jährlich in Höhe der Negativzinsen abgewertet würde. Das gibt laut Sinn zwar niemand offiziell zu, aber es sei bekannt, dass die EZB bereits das Buchgeld bzw. direktes Notenbankengeld vorbereite.

Insofern spräche alles für einen langen Bau- und Immobilienboom. Die Welt von heute sei ein Spiegelbild der Welt, wie er sie kenne. Es sei eine total verrückte Welt. Insofern kommt Sinn zu dem Fazit, er könne sich keine funktionierende Volkswirtschaft mit Negativzinsen vorstellen. Das funktioniere vielleicht für ein paar Jahre, aber nicht auf Dauer. Er könne nur warnen.

UBS: „Für das Platzen der Blase benötigt man keine Zinssteigerungen“

Claudio Saputelli, Chief Investment Officer Global Real Estate bei UBS, relativiert die Immobilienboom-Erwartungen und die Zinsabhängigkeit des Platzens einer Immobilienblase. Zwar sei eine Blase erst erkennbar, wenn sie geplatzt sei, jedoch habe die UBS mangels Definition einer „Immobilienblase“ einen eigenen Index zu Blasengefahren entwickelt. Deutschland sei aktuell in der Phase wie die Schweiz vor 3 oder 4 Jahren. Der UBS Bubble-Index sieht München seit Jahren an der Spitze des hoch gefährdeten, roten Bereiches vor Toronto, Hong Kong, Amsterdam, Frankfurt als Neuling, Vancouver und Paris. Zürich, London, San Francisco, Tokio und Stockholm folgten im lediglich „überbewerteten“ gelben Bereich. Deutlich Richtung Bubble verschlechtert hätten sich in der Eurozone Frankfurt, Madrid und Paris, während München und Amsterdam schon länger hoch gefährdet seien. Grundsätzlich gelte, Preise könne man nicht beliebig in die Höhe treiben. Eine Preiskorrektur bedürfe auch keiner Zinssteigerung.

Das zeigten die „correction triggers“ vergangener Korrekturen. Irrationaler Überschwang, Grenzen der Bezahlbarkeit, ökonomische Abschwächung oder Regulierung bzw. Besteuerung könnten Korrekturphasen einleiten. „Der Immobilienbrief“ macht zudem regelmäßig auf zyklische Angebotsentwicklungen und Lemminge-Effekte in der Realisierung absehbaren Überangebotes mit kumulierten Fluchteffekten aufmerksam. Hinzu kommt, dass sich viele Anlagemodelle z. B. der Altersvorsorge nur durch Wertentwicklung rechnen, die aber auf immer weiter steigenden Werten in Verbindung mit immer weiter fallenden Zinsen beruhen. Solche Modelle könnten sich als endlich erweisen. Aktuell haben sich z. B. internationale Anleger aus den deutschen Wohnungsmärkten zurückgezogen.