Der Lockdown hinterlässt erste Bremsspuren am Bürovermietungsmarkt

Ein noch nie dagewesener „Lockdown“ versetzte die Wirtschaft in eine Zwangsstarre mit ungewissem Ausgang, leitet JLL das heute Morgen erschienen Zahlenwerk zu den deutschen Büromärkten ein. Welche Form, „L“-, „U“- oder „V“-Form, die Erholung einnähme, werde erst die nächsten Wochen entschieden, wenn das gesamte Ausmaß der Rezession ersichtlich sei und die Unternehmen nach Auslauf der staatlichen Hilfspakete wieder auf sich selbst angewiesen seien. Aktuell stehe zunächst einmal die akute Krisenbewältigung im Vordergrund. Nach vorliegendem Zahlenwerk sind derzeit fast alle deutschen A-Standorte im Vorjahresvergleich dramatisch eingebrochen.

Für Helge Scheunemann, Head of Research JLL Germany, ist es wenig überraschend, dass Unternehmen aus fast allen Bereichen (Handel, Dienstleistungen und Bau) ihre Beschäftigungspläne gestoppt oder auf Eis gelegt haben. Das ifo-Beschäftigungsbarometer habe im März den größte Absturz seit Beginn der Erfassung 2002. Über eine anstehende Rezession herrsche inzwischen Einigkeit. Den Lockdown spüren im Übrigen auch die Maklerhäuser selber. Jll berichtete von freiwilligen Gehaltskürzungen des Managements, wobei die unteren Einkommensgruppen auch in Kurzarbeit wohl gut abgefedert werden. Bei anderen Häusern weht der Wind rauer. Hier sind auch Entlassungen durchgeführt worden. Ob sich die Abwerbung ganzer Gruppen oder Abteilungen der letzten Monate mit zum Teil unüblichen Gehaltserhöhungen bei den Gewinnern des Kampfes um Köpfe auszahlt, sei dahingestellt. Benötigt man im Moment wirklich ein Hotelteam? Aber zurück zu den Büromärkten.

Aus „Der Immobilienbrief“-Sicht verfestigt sich im vorliegenden Zahlenwerk aber das Bild, dass die Büroflächenmärkte sich schon vor Corona auf der schiefen Ebene befanden. Corona gibt jetzt einen Tritt, dessen harte Auswirkungen erst in den Zahlen der kommenden Quartale zu sehen sein werden. Bedenken Sie dabei eine in der letzten Dekade vergessene Grundweisheit des Krisengeschehens. Eine echte Immobilienkrise entsteht immer durch Nutzermangel. Eine Immobilie ohne Nutzer ist eine Ruine. Niedrige Zinsen verringern und verschieben nur die Konsequenzen. Typisch für Krisen ist die Fertigstellung der Baupipeline in konjunkturell abnehmenden Bedarf bei gleichzeitigem Verschwinden längerfristiger Nachfrageplanungen in den Unternehmensschubladen. Wenn der Abbruch kurzfristiger, als sicher verbuchter Umsätze dazu kommt, wird es besonders bitter. Bei großen Flächen ist der Markt oligopolistisch. Das erhöht den Preis- und Qualitätswettbewerb, da die wissenschaftliche Alternative der Preisabsprachen in einem Vermietungsmarkt, der immer nur einen Sieger und sonst nur Verlierer kennt, den Marktteilnehmern nichts bringen kann. Die Corona-Krise hat anders als die Finanzkrise zumindest das Potential, von allen Seiten anzugreifen.

Die Büromärkte – alle Märkte mit Minus

Über alle Big 7 (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart) hinweg ergibt sich im ersten Quartal 2020 ein kumuliertes Umsatzvolumen von 701.000 qm (-30% im 12-Monatsvergleich). Das entspricht in etwa auch den Werten von German Property Partners (GPP), dem Netzwerk von Grossmann & Berger, Anteon Immobilien, GREIF & CONTZEN Immobilien, blackolive und E & G Real Estate mit einem Minus von 25%(siehe Tabelle). Auch BNPPRE kommt zu ähnlichen Zahlen und Trends. Damit ist lt. JLL der umsatzschwächste Dreimonatszeitraum seit Q3 2014 zu bilanzieren. Der 10-Jahresschnitt der jeweiligen ersten Quartale ist um 15% unterschritten. Keine der Hochburgen konnte sich dem Rückgang entziehen. Das sei ein ungewohntes Bild, nachdem es über 10 Jahre fast immer nur positive Zahlen gegeben habe, meint Scheunemann.

Leerstand wird kräftig steigen

München führt mit 184.000 qm (-6%) wieder die Statistik an. Die stärksten Nachfrageeinbußen mussten Köln mit einem Minus von 60% und Stuttgart mit einem Rückgang von 61% hinnehmen. Selbst im erfolgsverwöhnten Berlin reduzierte sich die Nachfrage um gut ein Viertel auf 172.000 qm. Nachdem die Leerstände in den letzten Jahren deutlich weiter gesunken waren, scheint nun ein Tiefpunkt erreicht zu sein. Insgesamt stehen jetzt in den Big 7 ca. 2,85 Mio. qm (-11%) zur Verfügung. Die über alle Hochburgen gemittelte Leerstandsquote liegt damit nach wie vor bei 3%.

Bei den Beruhigungsmeldungen, der kräftig angezogene Neubau träfe auf mindestens vergleichbare Nachfrage – „Der Immobilienbrief“ hatte dies nach Erfahrungen und Bauchgefühl seit einiger Zeit bezweifelt und mehrfach auf Leerstandsrisiken insbesondere auch durch die Verhaltenskomponente hingewiesen – sei vor Corona immer nur die Neubaukomponente entscheidend gewesen, wird Scheunemann jetzt skeptisch. Ein für den Leerstand ausschlagebenes Nachgeben der Nachfrage habe nicht im Plan gestanden. Das werde sich nun ändern. Bei deutlich nachlassenden Dynamik der Nachfrage würden die Leerstände jetzt ansteigen. Auch Untervermietungen könnten wieder auf die Agenda der Büronutzer gesetzt werden, vermutet Scheunemann.

Volumen der Fertigstellungen wird sich reduzieren – 1,55 Mio. qm im Bau

Im 1Q 2020 wurden Büroflächen im Volumen von insgesamt knapp 220.000 qm fertiggestellt. Davon waren zum Zeitpunkt der Fertigstellung nur noch 6% unvermietet. Inwiefern sich der positive Trend der Vorvermietungen in projektierten Büros aber fortsetzen werde, bleibe abzuwarten. Im Bau befindliche Büros könnten auch zeitlich verschoben oder gar auf Eis gelegt werden. Noch stünden für die kommenden drei Quartale in allen sieben Hochburgen insgesamt rund 1,55 Mio. qm in der Pipeline, die sich bereits im Bau befänden. Auch hiervon sei der überwiegende Teil bereits vorvermietet. Die meisten Verträge seien jedoch deutlich vor März 2020 abgeschlossen worden. Die Pipeline sei auch für die nächsten Jahre aktuell noch prall gefüllt. Scheunemann geht aber davon aus, dass längst nicht alle Neubauprojekte auch realisiert werden. Sinkende Vorvermietungsquoten könnten bei einer entsprechend konzipierten Projektfinanzierung zu einem Stopp von Projekten führen.

Spitzenmieten in den Big 7 bleiben stabil

Woher JLL vor diesem Hintergrund die Annahme von stabilen Spitzenmieten nimmt, bleibt „Der Immobilienbrief“ schleierhaft. In einem oligopolistischen Markt würde das Volkswirtschaftslehre neu schreiben. Das dürfte eher eine reine Ist-Betrachtung sein. Aus JLL-Sicht gab es zum Ende des Q1 dennoch ausreichend Belege, die Spitzenmieten in allen Hochburgen unverändert gegenüber dem letzten Quartal 2019 zu belassen. Der JLL-Spitzenmietpreisindex verharrt im Vergleich zum vierten Quartal 2019 entsprechend bei 218,1 Punkten, dem nach wie vor höchsten Stand seit 1992. Davon ausgehend, dass der Höhepunkt des Zyklus erreicht ist, lohnt lt. Scheunemann ein Vergleich mit dem letzten Zyklushöhepunkt und der darauffolgenden globalen Finanzkrise.

Der aktuelle Indexwert liegt mit einem Plus von 32% deutlich über dem letzten Höhepunkt im 4Q 2008. Intuitiv könnte man daraus nun ein hohes Rückschlagspotential vermuten. Hierbei dürfe allerdings nicht vergessen werden, dass die durchschnittliche Leerstandsquote in den Big 7 in der Aufschwungphase bis Ende 2008 lediglich auf 8,6% abgesunken war. Diesmal stütze die Flächenknappheit die Mieten, vermutet Scheunemann. Nach der Finanzkrise sei der Mietpreisindex 7 Quartale zurückgegangen, bevor die Erholung eintrat. Der Gesamtrückgang betrug damals lediglich 5%, am stärksten trat er 2008-2010 in Berlin (-10 %, damals von 22 auf 20 Euro) und in Frankfurt (- 9 %, 37 auf 33 Euro) auf. „Der Immobilienbrief“ muss hierbei jedoch ergänzen, dass wir in internationalen Metropolen und auch in Deutschland nach 1993 durchaus Halbierungen der Spitzenmieten gesehen haben, wie z. B. in Frankfurt von über 40 Euro auf ca. 20 Euro. Hinzu kommt, dass auch lt. JLL jetzt schon viele vorwiegend kleinere Unternehmen bereits begonnen haben, Nachverhandlungen mit ihren Vermietern zu führen. Bei großen Corporates sähen JLL aktuell noch keine solche Aktivitäten. Hier stünden Umzugsfragen im Rahmen einer langfristiger Strategien, die nicht so schnell aufgegeben würden.

Wie kann es weitergehen?

Die mit Hilfe des Ende März neu entwickelten JLL-Thermometers befragten Unternehmen befürchten zu mehr als 50% nachhaltig große Auswirkungen der Corona-Krise mit sinkenden Flächenbedarfen auf ihr Kerngeschäft. Mehr als die Hälfte bestätigt, dass es jetzt schon zu einer Vertagung von Entscheidungen kommt. Optimierung der eigenen Flächensituation auch unter dem Aspekt Home Office sei die nächste Stufe. In der aktuellen Wirtschaftslage weist Scheunemann darauf hin, dass es für beide Seiten – Eigentümer und Nutzer – angebracht erscheint, zu sinnvollen und nachhaltigen Lösungsmodellen zu kommen.