Kommentar des Tages

19.6.19

Werner Rohmert, Hrsg. „Der Immobilienbrief“, Immobilienspezialist „Der Platow Brief“

 

Rot-rot-grüner Berliner Senat beschließt mit Mietendeckel Abkehr von der Marktwirtschaft

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn ich in der Vergangenheit die volkswirtschaftliche Unsinnigkeit von „Nullzinsen“ verdeutlichen wollte, erläuterte ich: Zinsen sind das Entgelt für die Nutzung von Geldkapital, so wie Mieten das Entgelt für die Nutzung von Realkapital ist. Zum einen sind Gegenstände, deren Nutzung nichts kostet nichts wert. Was heißt das für unser Geld? Zum anderen könnte doch niemand auf die absurde Idee kommen, in einer Marktwirtschaft die Mieten abschaffen zu wollen. Den ersten Schritt hat die Politik jetzt getan.

Blödheit und ökonomische Inkompetenz in Verbindung mit der Unfähigkeit, aus Fehlern der Vergangenheit und Fehlern anderer zu lernen, sterben nicht aus. Noch niemals hat eine Marktlenkung durch Preisfestsetzungen unterhalb der Herstellungskosten plus Risiko-Marge einen Mangel beseitigt. Der Mietendeckel, schreibt sogar Neuvermietungen von Vermietern fest, die eben ihre Nieten nicht immer, anders als professionelle Wohnungsgesellschaften, dem gesetzlich erlaubten Maximum angepasst haben. Die Nachvermietung muss dann auch bei besonderem Renovierungsbedarf unterhalb der sowieso eher niedrigen Vergleichsmieten und der allgemeinen Regelungen zu Mieten bei einer notwendigen Neuvermietung erfolgen. Das enteignet den privaten „Gutmenschen“. Die Wohnungs-Großkonzerne, die eigentlich getroffen werden sollten, sind sowieso mit ihren Mieten regelmäßig auf gesetzlich zulässigem Niveau. Für die ist das Eckpunktepapier lästig, trifft sie aber nicht besonders. Betroffen ist der private Vermieter, der, aus welchen Beweggründen auch immer, seine Mieten nicht regelmäßig angepasst hat. Das können wie z.B. beim Autor, der seiner remanenten über 80igjährigen Mieterin eine Neubauwohnung in guter Berliner Lage nach wie vor rentenverträglich für halbe Neuvermietungsmiete von gut 5 Euro vermietet, langfristige Mietverhältnisse mit besonderen Rahmenbedingungen sein. Davon dürfte es in Deutschland Millionen Vermieter geben.

Politisches Fazit ist ganz klar: Wer Rücksicht auf seine Mieter nimmt, ist dämlich!

Früher hätte ich derartige politische Aktionen und Absichten lediglich außerhalb des klassischen Spektrums der „demokratischen Parteien auf dem Boden des Grundgesetzes“ verortet. Das interessiert heute aber niemanden mehr. Das Interimsmanagement der SPD, so eine Art „Franz Gans“ der SPD („Nicht-Disneyasten“ finden Bilder im Internet) entblödet sich auch nicht, eine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht verfassungskonforme Regelung für das gesamte Bundesgebiet vorzuschlagen. Es dürfte in internationalen Gesprächen sowieso schon schwer werden, Großinvestoren, auf deren Weltkarte Deutschland so groß wie ein Daumenabdruck ist, zu erläutern, dass Berlin zwar Bundeshauptstadt ist, aber dennoch intellektuell völlig autonom agiert und ähnliche Regelungen in Nordrhein-Westfalen, Hessen, BW oder Bayern für deren Metropolen nicht möglich sein würden. Inzwischen bin ich mir da selber auch nicht mehr sicher.

Mit dem Beschluss des rot-rot-grünen Senats am Dienstag ist jetzt die Voraussetzung für die Erarbeitung eines Gesetzesentwurfes gegeben. Dieser soll für alle freien Bestandswohnungen einen fünfjährigen Mieterhöhungstopp beinhalten. Selbst eine durchschnittliche Intelligenz fragt sich, wie in fünf Jahren ein Mietenstopp aufzulösen sein soll, wenn gleichzeitig die Knappheit weiter zugenommen hat, Investoren fernbleiben, alte Mieterhöhungspotenziale privater Vermieter auch bei Mieterwechsel nicht aufzuholen waren und neue Mieterhöhung Potenziale hinzugekommen sind. Die Aufhebung des Mietendeckels müsste zwangsläufig zu einer brutalen Mieterhöhungswelle führen, die politisch egal von welcher Partei nicht hinzunehmen sein wird. Das bedeutet dann einen Einstieg in eine immer weitere Regulierungskaskade mit immer weiteren negativen Folgen für den Neubau.

Wie die Immobilien Zeitung aufschlüsselt, soll bis Oktober 2019 ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet werden. Ab kommendem Jahr könnte das Berliner Mietengesetz in Kraft treten. Das wird dann ein Landesgesetz sein. Vorgesehen ist neben einem Mieterhöhungsmoratorium eine Begrenzung der Wiedervermietungsmiete auf die Höhe, die der Vormieter-Haushalt bezahlt hat. Zudem ist die Einführung von Mietobergrenzen geplant. Entsprechend müssten bestehende hohe Mieten gesenkt werden können. Stichtag wird wohl, wie wir Ihnen in „Der Immobilienbrief“ Nr. 451 letzte Woche schon versprachen, der 18. Juni sein. Nach einem Aufruf von „Haus & Grund“, Berlin, war in den letzten Tagen vor Beschluss des Eckpunktepapier bereits eine Vielzahl von Mieterhöhungen durchgeführt worden. Es wird interessant sein, zu sehen, inwieweit diese Mieterhöhungen vor den Gerichten Bestand haben werden. Lediglich neugebaute Wohnungen, die zum ersten Mal bezogen werden, sind von der Regelung ausgenommen. Laut IZ sind etwa 1,5 Millionen Mietwohnungen in Berlin von dem Mietengesetz betroffen.

Bei der Verabschiedung von Thomas Hegel als CEO der LEG AG ergaben sich eine Reihe von Möglichkeiten für Background-Gespräche mit Vorständen großer Wohnungsgesellschaften. Zum einen wurde bestätigt, dass unsere Argumentation aus „Der Immobilienbrief“ Nr. 451 weitgehend korrekt ist. Betroffen sind vor allem private Vermieter auf der einen Seite und Randgruppen-Meter auf der anderen Seite. Professionelle Wohnungsgesellschaften sind in ihrer Mietgestaltung regelmäßig auf aktuellem Niveau. Lediglich private Vermieter hinken hinterher. Randgruppen sind zukünftig in der Wohnungssuche noch mehr als bisher benachteiligt und jetzt völlig chancenlos. Es ist schließlich aus Vermietersicht nicht einzusehen, dass bei einer Festlegung der Miete in einer Knappheitssituation der Vermieter auch noch ein Bonitätsrisiko oder eingehen soll. Rational dürfte es immer schwieriger werden, an Familien mit Migrationshintergrund oder alleinerziehende Personengruppen zu vermieten. Insgesamt wird nicht eine einzige Wohnung geschaffen. Notwendige Instandhaltungsmaßnahmen werden durch den Mietendeckel ausgesetzt. Insgesamt war als Fazit der Background-Gespräche festzuhalten, dass für die großen Unternehmen der Mietendeckel in Berlin zwar lästig aber durchaus beherrschbar ist, dass jedoch die allgemeine politische Stimmung und die Lösung von marktwirtschaftlichen Prinzipien immer mehr Sorgen bereitet.

Natürlich sieht das Senatorin Lompscher nach IZ-Zitat das ganz anders. Sie freut sich über die Verabschiedung des Eckpunktepapiers. Wohnen sei ein Grundbedürfnis, bei dem die Preisgestaltung in der Verfassung festgeschrieben sein müsse. Man wolle dem gravierenden Mietanstieg der letzten Jahre Einhalt gebieten und den überhitzten Mietenmarkt in Berlin beruhigen, entblödet sich die Senatorin nicht, der IZ mitzuteilen. Sogar sehr einfachen Menschen fallen übrigens durchaus eine Reihe anderer Grundbedürfnisse an, deren Preisgestaltung in diesem Zusammenhang zu regulieren wäre.

Interessant waren in diesem Zusammenhang auch durchaus Gespräche, in denen deutlich wurde, wieweit die aktuellen Matadore der Immobilienwirtschaft heute von der historischen Entwicklung entfernt sind. Mieten in Berlin sind heute nicht höher als 1993 – nominal, noch ohne Berücksichtigung der Inflation. Mit 7,62 Euro Durchschnittsmiete und rund 10 Euro durchschnittlicher Neuvermietungsmiete ist Berlin mit Sicherheit eine der billigsten Metropolen der Welt und auch im deutschen Großstadtvergleich eher preiswert. Andererseits werden von durchaus erwachsenen Gesprächspartnern als Beispiele für die rasante Mietentwicklung in Berlin Neuvertragsmieten von 20 Euro in der Nähe des Gendarmenmarktes als Beispiel der rasanten Mietentwicklung erwähnt. Hier ergibt sich allerdings die Frage, inwieweit Wohnen in der Nähe des Gendarmenmarktes ist ein Menschenrecht ist, das per Gesetz zu regulieren ist. Es wäre volkswirtschaftlich sogar egal, wenn die Mieten für die kleine Gruppe, die da unbedingt hin will und es sich leisten kann, bei 200 Euro pro qm lägen, solange es für Normalbürger Neubezugsmieten von 10 Euro in Stadtlage gibt. Zum zweiten sollte durchaus daran erinnert werden, dass 1993 die Neuvermietungsmieten in der Nähe des Kurfürstendamm und einige Jahre später in der Nähe des Gendarmenmarkt durchaus auch bei 40 DM lagen.

Fazit des Autors: Deutschland ist einen weiteren großen Schritt in Richtung „Abkehr von der Marktwirtschaft“ weitergekommen.