§6b – EuGH stoppt deutschen Alleingang

Der Europäischen Union sind 6b-Fonds ein Dorn im Auge. Sie hat vor dem EuGH gegen die Sonderform der geschlossenen Fonds geklagt. Das Ergebnis ist offen. Entweder stehen die Fonds vor dem Aus, oder sie dürfen künftig sogar im Ausland investieren.

Es gibt bislang in der deutschen Fondslandschaft eine kleine, aber stabile Nische der „6b-Fonds“. Die Bezeichnung geht dabei auf § 6b des Einkommensteuergesetzes (ESt)G zurück. Er räumt dem Steuerpflichtigen beim Verkauf von bestimmten, längere Zeit gehaltenen Anlagegütern die Möglichkeit ein, einen Veräußerungsgewinn nicht sofort der Besteuerung zu unterwerfen, sondern von den Anschaffungskosten eines gleichartigen Wirtschaftsgutes abzuziehen. Voraussetzung war dabei, dass das es erneut dem Betriebsvermögen zuzurechnen und damit steuerlich verstrickt war, und die aufnehmende Betriebsstätte im Inland belegen war. Im Kern wird somit die Steuerlast aus dem Veräußerungsgewinn auf den Zeitpunkt eines möglicherweise erzielten künftigen Veräußerungsgewinnes bei Verkauf auch des Ersatz-Wirtschaftsgutes verschoben. Dabei gibt es keine Begrenzung auf eine bestimmte Anzahl von Wiederholungen, so dass die Besteuerung von betrieblichen Veräußerungsgewinnen auf unbestimmte Zeit in die Zukunft geschoben werden kann.

In der Praxis erfolgt die Inanspruchnahme der gewährten Steuerstundung insbesondere in der Landwirtschaft und bei der Veräußerung von Betriebsgrundstücken und -gebäuden; sie ist für die Realwirtschaft somit von erheblicher Bedeutung. Gerade über Generationen gehaltene Betriebsgrundstücke weisen oft stille Reserven auf. Müssten diese versteuert werden, weil der Betrieb zum Beispiel expandiert und sein altes Grundstück veräußert, um am Stadtrand größer neu zu bauen, würde die entstehende Steuerlast häufig die Investition verhindern.

Für die Fondsbranche ist § 6b deshalb interessant, weil nicht jeder Unternehmer, der stille Reserven durch den Verkauf eines der in § 6b genannten Anlagegüter aufdeckt, auch zwingend sofort eine Ersatzinvestition plant. Dafür gab und gibt es 6b Fonds, die eben diesen veräußernden Unternehmern, die vor der Wahl Wiederanlage oder Steuerzahlung standen, eine Alternative anboten. Denn aufgrund des Transparenzprinzips konnte der Unternehmer seine aufgelösten stillen Reserven gedanklich auf den ihm steuerlich zuzurechnenden Anteil an den Anlagegütern eines 6b-Fonds übertragen und so die sofortige Versteuerung der aufgedeckten stillen Reserven vermeiden. Die stillen Reserven wurde somit quasi geparkt.

Die Europäische Kommission hat aufgrund der Bestimmung des § 6b EStG im Jahr 2013 eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 258 AEUV gegen Deutschland vor dem EuGH erhoben. Die Kommission sah es als europarechtswidrig und mit der Niederlassungsfreiheit unvereinbar an, dass der steuerstundende Effekt des § 6b EStG nur bei Übertragung der stillen Reserven auf Ersatz-Wirtschaftsgüter, die in einer inländischen Betriebsstätte gehalten werden, in Anspruch genommen werden kann.

Alle Argumente der Bundesrepublik Deutschland, die Entscheidung sei nicht verhältnismäßig, die Klage verletze formales Recht und die Bundesrepublik in ihrem Besteuerungsrecht, verwarf der EuGH. Er verwies darauf, dass die Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich ein anerkennenswertes Recht habe, Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven in Anlagegütern zu besteuern. Allerdings sei es möglich, dieses Recht zu bewahren und zugleich die Niederlassungsfreiheit zu schützen, wenn dem Steuerpflichtigen ein Wahlrecht eingeräumt werde, entweder sofort zu versteuern oder die Steuerzahlung aufzuschieben. Voraussetzung sei lediglich, dass die Übertragung der stillen Reserven auch auf eine europäische Betriebsstätte ermöglicht werde.

Die Entscheidung ist für Anbieter und Zeichner von 6b-Fonds von großer Bedeutung. Die Bundesrepublik kann sich nunmehr dafür entscheiden, § 6b EStG grundsätzlich abzuschaffen. Dies würde jedoch die Realwirtschaft, insbesondere immobilienhaltende Industrieunternehmen und die Landwirtschaft vor enorme steuerliche Probleme stellen. Denn jede Betriebsverlagerung, die mit einem Verkauf von betrieblichen Liegenschaften verbunden ist, würde künftig zu einer sofortigen Aufdeckung etwaig vorhandener stiller Reserven und einer entsprechenden Steuerlast führen. Die Abschaffung des § 6b EStG würde somit bei anlageintensiven Betrieben zu einem spürbaren Investitionshemmnis werden.

Die Alternative wäre, dass die Bundesrepublik die Übertragung der aufgedeckten stillen Reserven auch auf gleichartige Anlagegüter in einer europäischen Betriebsstätte gestattet. Dies wiederum wäre aus Sicht der Fondsbranche zu begrüßen. Denn es würde die Möglichkeit eröffnen, beispielsweise stille Reserven aus dem Verkauf eines deutschen Betriebsgrundstückes auf einen Immobilienfonds mit Immobilien in Belgien zu übertragen. Die Investoren hätten so einen breiteren Kanon an Anlagemöglichkeiten. Positiver Nebeneffekt: Bei einer Anlage im Ausland kann investorenabhängig eventuell ein Steuerfreibetrag im Ausland oder eine niedrigere Provisionsstufe in Anspruch genommen werden, während in Deutschland häufig bereits eine sehr hohe Provisionsstufe erreicht ist. Preis für die so neu geschaffene Investitionsmöglichkeit im Ausland wäre dann lediglich eine Feststellung der aufgedeckten stillen Reserven im Veräußerungsjahr und wohl der fortgeführte Nachweis, dass das angeschaffte Ersatzwirtschaftsgut noch immer im Betriebsvermögen der ausländischen Betriebsstätte geführt wird. Es bleibt somit spannend, ob der 6b Fonds durch die Entscheidung des EuGH erledigt ist, oder sie ihm zu neuer und noch schönerer Blüte verhilft. ¨



Über den Autor

Markus Gotzi

Chefredakteur „Der Fondsbrief“
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Er ist Träger des Deutschen Journalistenpreises und des Deutschen Preises für Immobilienjournalismus. Viele Jahre lang verfasste der Diplom-Journalist Artikel zu allen Themen rund um die Immobilie und andere Sachwerte in der Financial Times Deutschland. Zudem war Markus Gotzi vier Jahre als Redakteur für das Wirtschaftsmagazin Capital tätig.

Aktuell publiziert er unter anderem in überregionalen Blättern wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und in Branchenmagazinen wie dem Immobilien-Manager. Zudem ist Markus Gotzi Chefredakteur des Fachmediums »Der Fondsbrief«, dem bundesweit auflagenstärksten Newsletter mit Schwerpunkt geschlossene Beteiligungsmodelle und Sachwertinvestitionen.