Auf ein Wort: „Aktuelle Krise ist für mich nicht Neues“

Thomas Beyerle sieht Grund und Boden als Wachstumstreiber 

Thomas Beyerle hat mehrfach das Unternehmen gewechselt, aber immer seinen Schreibtisch behalten. Zunächst für das Immobilien-Research der Dresdner Bank zuständig, danach für die Allianz-Dresdner-Gruppe, analysiert er die weltweiten Immobilienmärkte nun für Aberdeen Property Investors – aber immer für die Degi, einen Anbieter offener Immobilienfonds. Ungeschminkt und ungefärbt bewertet Beyerle die Entwicklungen, und bleibt auch in der Krise gelassen.

Der Fondsbrief: Macht Ihnen Ihr Job in diesen turbulenten Zeiten noch Spaß?

Dr. Thomas Beyerle

Dr. Thomas Beyerle

Thomas Beyerle: Ich will nicht altersweise klingen, aber die aktuelle Situation ist für mich nichts Neues. Das ist bereits der dritte Zyklus dieser Art. Wir hatten in Deutschland Mitte der 90er Jahre eine Immobilienkrise, als vor allem in den neuen Bundesländern nicht alles so lief wie geplant, und anschließend in den Jahren 2002 bis 2004 als Reaktion auf die geplatzte Blase in der New Economy.

FB: Aber die derzeitige Krise ist anders.

Beyerle: Sie ist keine Krise im klassischen Zyklus. Die Vorgänger waren typische Beispiele für den Schweinezyklus. Es wurde mehr gebaut als benötigt. Jetzt spielt der Finanzmarkt-Einfluss eine gewaltige Rolle. Genau das rettet die deutschen Immobilienmärkte meiner Ansicht nach, denn Deutschland hat in den vergangenen drei Jahren vergessen zu bauen. Der Aufschwung zwischen 2005 und 2007 war rein vom Finanzmark getrieben. Von einem Überangebot kann keine Rede sein. Deshalb werden sich die Fundamentaldaten wie Leerstand, Mieten etc. nur minimal ändern.

FB: Dennoch melden alle großen Maklerhäuser einen gewaltigen Umsatzeinbruch sowohl beim Investment als auch bei den Vermietungen.

Beyerle: Ganz klar: 2007 war ein absolutes Rekordjahr. Das werden wir so schnell nicht mehr erreichen. Gleichwohl erscheint mir hier eine eher kurzfristig ausgemachte Panik zu herrschen. Für die kommenden Jahre rechne ich mit einem Investitionsvolumen von im Schnitt 20 Milliarden Euro für Gewerbeimmobilien, also Einzelhandel, Büros und Logistik. Das entspricht dem Niveau vor den Boomjahren. Auch wird dieser Marktumbruch einen Systemsprung mit sich bringen. Die Kapitalmärkte werden immer stärker das Geschehen an den Immobilienmärkten determinieren. Grundsätzlich muss sich aber auf dem deutschen Immobilienmarkt etwas ändern. Seit Beginn des Wirtschaftsaufschwungs vor 60 Jahren ist bisher kaum Fläche weggefallen. Das ist in den USA und Großbritannien komplett anders. Nach 20 Jahren wird dort ungefähr ein Viertel der Immobilien wieder abgerissen und refurbischt. In Deutschland kalkulieren die Banken dagegen in der Regel mit einer Nutzungsdauer von mindestens 45 Jahren und finanzieren 30 Jahre lang.

FB: Sie halten also neue Bewertungs-Maßstäbe für nötig?

Beyerle: Zumindest muss der Tatsache ins Auge geschaut werden, dass Märkte sich schneller entwickeln – und damit auch die Immobilien und deren Bewertungsauffassungen. Die Immobilie entwickelt sich stärker zum Verzehrgut, das immer mehr an Wert verliert. Die Lebenszyklen werden zudem immer kürzer. Wachstumstreiber wird bei zunehmender Nutzungsdauer daher der Boden sein. Und hier erleben wir in Deutschland erhebliche Differenzen. Meiner Meinung nach ein Trend, der sich verstärken wird. Der Druck auf die Bodenpreise in den Metropolen wird steigen mit den daraus resultierenden Chancen zur Investition, außerhalb der Zentren eher stagnativ.

FB: Widerspricht das nicht dem Anspruch, den vor allem private Investoren an Immobilien haben? Das Objekt und die Lage sind zweitrangig, entscheidend ist ein langer Mietvertrag, möglichst mit einem staatlichen Nutzer.

Beyerle: So lange der Vertrag läuft, dürfte nichts anbrennen. Aber dann? Der Föderalismus beginnt zu bröckeln. In Kürze wird es nur noch wenige Zentren geben, langfristig nur noch Berlin als Hauptstadt und Frankfurt als Finanzplatz und Verkehrknotenpunkt. Berlin wird eine ähnliche Bedeutung bekommen wie London oder Paris.

FB: So etwas hat die Regierung doch schon einmal versucht – ohne Erfolg.

Beyerle: Steuer getrieben gelingt so etwas nicht. Aber auch ohne künstliche Anreize wird die Entwicklung in genau diese Richtung gehen.

FB: Sie sind für einen Anbieter offener Immobilienfonds tätig. Ein anderes Unternehmen, Morgan Stanley, hat kürzlich sein Immobilienportfolio um knapp 14 Prozent abgewertet. Ist das ein Signal für die Branche?

Beyerle: Ich denke, das ist eine hausgemachte Sondersituation. Ein neues Unternehmen kann nicht so breit diversifiziert sein wie ein Anbieter mit jahrzehntelanger Historie. Das bedeutet eine höhere Rendite, aber auch ein höheres Risiko. Außerdem hat Morgan Stanley viel vor allem in Japan investiert und in ein großes Objekt in Frankfurt, und das zu Zeiten hoher Preise. Als zusätzliche Frage taucht natürlich auf, wie wir mit den Ergebnissen von Ratingagenturen zukünftig umzugehen haben.

FB: Ein Einzelfall also? Werden andere Fonds ihr Portfolio nicht ähnlich abwerten?

Beyerle: Morgan Stanley insofern keine Signalwirkung haben, gleichwohl sehe ich erneut die Diskussion zu den deutschen Bewertungsverfahren heraufziehen. Die offenen Fonds bewerten ihre Bestände sowieso zweimal im Jahr, und dabei hat sich nichts Gravierendes abgezeichnet.

FB: In London etwa sind die Preise aber um mehr als ein Drittel eingebrochen.

Beyerle: Meist aber nur auf einem virtuellen Markt. In Großbritannien haben die Marktteilnehmer mit dem IPD Property Index einen monatlichen  Immobilienindex. Der DIX/IPD in Deutschland wird jährlich aktualisiert. Außerdem hat der Markt in Großbritannien im ersten Quartal 2009 wieder gedreht. Wer zu diesem Zeitpunkt investiert hat, dürfte alles richtig gemacht haben.

FB: Ist es jetzt bereits wieder zu spät?

Beyerle: Nicht unbedingt, es gibt weiterhin gute Gelegenheiten vor dem Hintergrund der jeweiligen Fondsstrategie. Aber wer bis 2012 mit einer Verdoppelung der Immobilienwerte rechnet, der liegt falsch.



Über den Autor

Markus Gotzi

Chefredakteur „Der Fondsbrief“
Tel.: +49 (0) 221 – 97 58 97 75
E-Mail: redaktion@markusgotzi.de

Er ist Träger des Deutschen Journalistenpreises und des Deutschen Preises für Immobilienjournalismus. Viele Jahre lang verfasste der Diplom-Journalist Artikel zu allen Themen rund um die Immobilie und andere Sachwerte in der Financial Times Deutschland. Zudem war Markus Gotzi vier Jahre als Redakteur für das Wirtschaftsmagazin Capital tätig.

Aktuell publiziert er unter anderem in überregionalen Blättern wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und in Branchenmagazinen wie dem Immobilien-Manager. Zudem ist Markus Gotzi Chefredakteur des Fachmediums »Der Fondsbrief«, dem bundesweit auflagenstärksten Newsletter mit Schwerpunkt geschlossene Beteiligungsmodelle und Sachwertinvestitionen.