Interview – „Alte Welt ist noch zu erkennen“

Branche ist in der Regulierung noch nicht komplett angekommen

Das Kapitalanlagegesetzbuch und die BaFin als zuständige Behörde lassen keine Fragen offen, wenn es um die geschlossenen AIF der neuesten Generation geht. Oder? Von wegen. Vieles ist weiterhin Auslegungssache. Martina Hertwig und Aykut Bußian von der Wirtschaftsprüfungs-Kanzlei TPW sind nah dran an den Entscheidern in Verwaltung und Verband.

Der Fondsbrief: Sie werben damit, dass Sie 17 Fonds bei der Markteinführung begleitet haben, seit das Kapitalanlagegesetzbuch in Kraft getreten ist. Kennen Sie das Gesetz besser als andere Berater?

Martina Hertwig: Wir kennen die Historie der geschlossenen Fonds und haben uns sehr früh mit dem Thema KAGB beschäftigt. Uns war klar: Wenn wir weiterhin auf diesem Markt tätig sein wollen, müssen wir uns rechtzeitig der Regulierung widmen. Gemeinsam mit dem Verband BSI haben wir Themen entwickelt und konnten Einfluss nehmen auf das Gesetz. So ist es uns gelungen, manche Ungereimtheit zu glätten. Diese Expertise hat dazu geführt, dass rund 40 Prozent der Anbieter mit uns zusammenarbeiten.

FB: Ungereimtheiten?

Aykut Bußian: Mit Ungereimtheiten meinen wir abstrakte Forderungen der deutschen und europäischen Aufsicht, die dem Wertpapierbereich entlehnt sind. Eigentlich ging es ja zunächst um Hedgefonds. Doch die Vorschriften für Wertpapiere lassen sich so einfach nicht auf Sachwerte übertragen. Wir mussten also andere Lösungsansätze entwickeln. Die BaFin wird das für die Branche nicht machen.

FB: Halten Sie denn jetzt alles für gelungen, oder ist das Gesetz nur ein Kompromiss?

Hertwig: Ich würde es nicht so formulieren, dass alles bestens ist. Das sehen wir ja auch daran, dass sich viele Anbieter schwer tun, vor allem mit Publikumsfonds. Wir registrieren aber auch, dass die alte Welt in den aktuellen Angeboten noch deutlich zu erkennen ist.

Bußian: Ich möchte die Emissionshäuser an dieser Stelle in Schutz nehmen. Alle Beteiligten müssen lernen, mit dem Gesetz umzugehen, was nicht immer einfach ist. Die Kostenklauseln zum Beispiel sind ein komplexes Thema, und bis sie in finaler Form vorlagen, war es ein langwieriger Prozess. Wir können aber auch die BaFin nicht für alles verantwortlich machen. Die Behörde hatte früher mit Ausnahme der offenen Fonds nichts mit Sachwerten zu tun. Dabei ging es anders als bei den geschlossenen AIF immer um Sondervermögen. Um das zu begreifen und zu regeln, ist ein intensiver Austausch nötig.

FB: Dann ist der Regulierungsprozess also noch lange nicht erledigt.

Hertwig: Vieles ist weiterhin fraglich. So können zum Beispiel Zweitmarktfonds lediglich in ihrerseits regulierte Fonds investieren. Das Angebot ist jedoch viel zu klein.

FB: Es gibt doch Zweitmarktfonds, die auch Altfonds kaufen.

Bußian: Das stimmt. Hierzu sind jedoch alternative Konstruktionen erforderlich, welche die Struktur komplexer und kostenintensiver machen. Dies geht zu Lasten der Anlegertransparenz und natürlich der Rendite. Aber dennoch: Wir müssen der BaFin hoch anrechnen, dass sie offen für Lösungsmöglichkeiten ist, die sich im gesetzlichen Rahmen befinden. Die Verantwortung für gesetzliche Unschärfen liegt ja auch nicht bei ihr, sondern beim Gesetzgeber.

Hertwig: Ein anderes Thema ist die Berechnung des Net Asset Value, die Messgröße für die Performance eines Fonds. Hier fehlt eine einheitliche Marschrichtung. Das verunsichert den Vertrieb ungemein und muss gelöst werden. Wir haben gemeinsam mit der Branche Ansätze dazu entwickelt und werden nicht müde, mit der BaFin darüber zu diskutieren.

FB: TPW ist mit Schiffsfonds groß geworden. Davon ist nicht viel übrig geblieben.

Hertwig: Unsere Kompetenz umfasst zunächst sowohl die Schifffahrt ganz allgemein, mit Reedereien, Hafen- und Transportlogistik als auch die Branche der geschlossenen Fonds. Schließlich haben wir uns aber auch immer schon mit sämtlichen gängigen Assetklassen im Bereich der geschlossenen Fonds beschäftigt, zum Beispiel auch mit Immobilien und Private Equity. Wir verstehen uns als Strukturierungspartner mit Branchenexpertise und sehen gleichwohl auch in der Schifffahrt KAGB-konforme Lösungen. Aber auch individuelle Finanzierungsstrukturen werden in Zukunft, gerade im institutionellen Bereich, immer wichtiger werden.

FB: Wie kann sich die Branche der Fondsanbieter besser aufstellen?

Bußian: Sie muss neue Investorengruppen erschließen. Damit meine ich nicht, dass sie geschlossene Fondskonstruktionen gängiger Art direkt professionellen Investoren anbietet. Sondern sie muss – ausgehend von der individuellen Anlegersituation wie beispielsweise den Eigenmittel-, Reporting- und Risikomanagementobliegenheiten von Basel III und Solvency II – passgenaue Anlagelösungen entwickeln, wie es Wertpapierfonds seit längerem für institutionelle Investoren tun. Kurz: Die
Investoren müssen von Anfang an darin ein-gebunden sein, die passenden Produkte
zu entwickeln.

FB: Warten die Institutionellen tatsächlich auf neue Anbieter?

Hertwig: Das Interesse an Sachwerten ist gewaltig. Um sich breiteren Anlegerkreisen zu öffnen, muss sich die Branche jedoch  mit den Anforderungen der institutionellen Investoren befassen. Ein Beispiel ist das Kündigungsrecht. So etwas hat der geschlossene Fonds nicht, sonst wird er per KAGB-Definition sofort zum offenen Fonds. Um offene Fonds aufzulegen, fehlt den meisten allerdings die Lizenz. Das ist ein Fehler im System, hier müssen wir die BaFin mit überschaubarem Aufwand überzeugen.

FB: Kann das gelingen?

Bußian: Ich kann nur noch einmal wiederholen, dass wir die Behörde stets gesprächsbereit und offen für Lösungen empfunden haben.

FB: Welchen Rat haben Sie für die  Branche?

Hertwig: Der Bedarf der öffentlichen Hand ist enorm. Zur Finanzierung von Infrastruktur-Projekten ist privates Kapital dringend nötig. Chancen sehe ich daher für langfristige Fonds mit Rückhaltefristen für Infrastruktur.

Bußian: Die Anbieter müssen sich neuen Strukturen öffnen. Ich kann in Sachwerte nicht nur über geschlossene AIF investieren, sondern über offene Fonds, direkt oder über Managementgesellschaften, aber auch über Indizes, also in Wertpapiere, die von Sachwerten abhängig sind. Die Branche sollte sich breiter aufstellen, damit sie die gesamte Palette anbieten kann. Gefragt ist der Assetmanager mit Strukturierungskompetenz, wie es auch die Branchenvertretung der geschlossenen Fonds formuliert. ¨

 



Über den Autor

Markus Gotzi

Chefredakteur „Der Fondsbrief“
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Er ist Träger des Deutschen Journalistenpreises und des Deutschen Preises für Immobilienjournalismus. Viele Jahre lang verfasste der Diplom-Journalist Artikel zu allen Themen rund um die Immobilie und andere Sachwerte in der Financial Times Deutschland. Zudem war Markus Gotzi vier Jahre als Redakteur für das Wirtschaftsmagazin Capital tätig.

Aktuell publiziert er unter anderem in überregionalen Blättern wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und in Branchenmagazinen wie dem Immobilien-Manager. Zudem ist Markus Gotzi Chefredakteur des Fachmediums »Der Fondsbrief«, dem bundesweit auflagenstärksten Newsletter mit Schwerpunkt geschlossene Beteiligungsmodelle und Sachwertinvestitionen.