Riesenrad läuft unrund

 

Einnahmen des Fonds liegen weit unterhalb des Worst-Case-Szenarios

Diese Fahrt mit dem Riesenrad werden die 173 Fahrgäste so schnell nicht vergessen. Am 23. Dezember 2008 saßen sie bis zu sechs Stunden in den Gondeln des 165 Meter hohen „Flyers“ in Singapur fest und mussten in teilweise spektakulären Rettungsaktionen abgeseilt werden. Immerhin – sie sind raus aus dem Riesenrad. Das dürfte sich wohl auch mancher der Fondsanleger wünschen, die sich an dem Investment in Fernost beteiligt haben.

Die ABN Amro-Tochter Delbrück Bethmann Maffei (DBM) hat das Aussichtsrad – „bitte nicht Riesenrad sagen, das erinnert so an Kirmes“ – über einen geschlossenen Fonds finanziert. Vorbild für Singapur war das „London Eye“. Eigentlich nur für den Jahrtausendwechsel aufgebaut, hat sich das Rad an der Themse zu einer der größten Attraktionen in der britischen Hauptstadt entwickelt. Doch Singapur läuft nicht so rund wie geplant. An Ausschüttungen ist – trotz einer Garantie – zunächst nicht zu denken. Riesenrad in Singapur. Als Touristen- Attraktion muss es sich noch etablieren.

Die Pläne waren hoch trabend. Die Erwartungen auch. Einen Lamborghini sollte die für die Vermarktung des Riesenrades vor Ort zuständige Patsy Ong von der Adval Brand Group bekommen. Voraussetzung: Im ersten Jahr drehen vier Millionen statt der erwarteten zweieinhalb Millionen Fahrgäste ihre Runden. Das Luxusauto als Bonus hatte Thomas Bone-Winkel versprochen, bei Delbrück Bethmann Maffei zur Eröffnung des Rades vor rund anderthalb Jahren noch Geschäftsführer.

Vor wenigen Tagen hat Bone-Winkel seinen Abschied aus dem Unternehmen verkündet, und Patsy Ong fährt alles, nur keinen Lamborghini. Ein Zwischenbericht listet 1,4 Millionen verkaufte Tickets für das Geschäftsjahr 2008 auf. Das entspricht einer Zielerreichung von 75 Prozent. Im ersten Quartal 2009 wurden gar nur 175.000 Fahrscheine für den Flyer verkauft.

Singapur Riesenrad

Singapur Riesenrad

An Ausschüttungen ist bei dieser Ertragssituation nicht zu denken. Trotz einer Garantie von Adval, einer Tochter von Singapurs größtem Freizeit- und Touristikunternehmen NTUC Club, das selbst dem regierungsnahen Gewerkschaftsverband National Trade Union Congress angehört. Denn die Garantie sichert nur die Zinsen der Fremdfinanzierung, nicht einmal aber die Tilgung des Darlehens und die Betriebskosten des Rades.

„Singapur hätte besser laufen können“, sagt Harald Junke, ebenfalls Geschäftsführer beim Fondsinitiator und einer der Väter des Riesenrades. Tatsächlich rauchen die Köpfe der Fondsmanager. Denn zwar erlebt Singapur seit seiner Gründung im Jahre 1963 seine erste nennenswerte Krise, die sogar staatliche Stützungsmaßnahmen erforderte. Zwar lassen im Zuge der Rezession immer mehr Touristen und Zwischenstopp-Reisende den Mini-Staat am Zipfel von Malaysia links liegen. Doch scheinen einige Probleme des Flyers auch hausgemacht.

So wurde das Management der Great Wheel Corporation teilweise ausgetauscht. Dieses Unternehmen um Visionär und Ex-Vorstandschef der Internationalmedia AG Florian Bollen hat die Idee mit den Rädern als Renditeobjekte an DBM herangetragen. Doch von herzlichen Umarmungen und Champagnerglas-Klirren, wie noch bei der Jungfernfahrt, ist nun keine Spur mehr. Es hört sich nicht gerade freundlich an, was Junke nun über Bollen berichtet.  Bollen selbst hält sich derzeit in Singapur auf und war für konkrete Nachfragen leider nicht zu erreichen.

Auch die Kredit gebende Bank sei unzufrieden mit der Performance des Great-Wheel-Managements. Die HypoVereinsbank (HVB) nehme aber wohlwollend zur Kenntnis, dass der Fondsinitiator intensiv daran mitarbeitet, die Situation zu verbessern. „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis aufgebaut“, so Junke.

Dennoch: Bereits im März hatte die HVB die „Nichterfüllung von Vertragsbedingungen“ beanstandet. Bis auf weiteres kann die Bank den Kredit jederzeit kündigen, was eine Insolvenz des Fonds zur Folge hätte. Doch daran kann die HVB kein Interesse haben, hat sie doch selbst Anteile daran ihren Kunden vermittelt.

Neue Maßnahmen sollen das Rad retten. Denn die Vermietung der Einzelhandelsflächen unterhalb des Rades bereitet dem Fonds ebenfalls keine Freude. „Darunter sind leider viele Geschäfte, die nicht richtig ziehen“, so Junke. Er möchte dort statt Fußmasseure und Teddybären-Workshops lieber international bekannte Ketten wie beispielsweise Starbucks und Burger King ansiedeln.

Außerdem arbeitet DBM daran, die Macher von Madame Tussauds Wachsfiguren-Kabinett für den Standort zu begeistern. Weitere Überlegungen drehen sich um eine Kartbahn in unmittelbarer Nähe. Singapur ist seit 2008 auch eine Station des Formel-Eins-Zirkus. Im September umkreisten die Boliden auf ihrem Stadtkurs erstmals auch den Flyer.

Doch ohne Spektakel reicht das derzeit größte Riesenrad der Welt als Attraktivität wohl nicht aus. Eine Entwicklung, die so nicht vorhersehbar war, gleichzeitig aber auch die Zeichner eines Nachfolge-Fonds beunruhigen dürfte. Er will den Bau vergleichbarer Räder in Berlin, Orlando und Peking finanzieren. Während in Florida noch nichts passiert ist, befindet sich auf einem Teil des ehemaligen Zoogeländes in Berlin immerhin eine Baugrube. Das Rad in Peking sollte sich eigentlich pünktlich zur Sommerolympiade 2008 drehen, wird nun aber erst voraussichtlich im Dezember 2010 fertig.



Über den Autor

Markus Gotzi

Chefredakteur „Der Fondsbrief“
Tel.: +49 (0) 221 – 97 58 97 75
E-Mail: redaktion@markusgotzi.de

Er ist Träger des Deutschen Journalistenpreises und des Deutschen Preises für Immobilienjournalismus. Viele Jahre lang verfasste der Diplom-Journalist Artikel zu allen Themen rund um die Immobilie und andere Sachwerte in der Financial Times Deutschland. Zudem war Markus Gotzi vier Jahre als Redakteur für das Wirtschaftsmagazin Capital tätig.

Aktuell publiziert er unter anderem in überregionalen Blättern wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und in Branchenmagazinen wie dem Immobilien-Manager. Zudem ist Markus Gotzi Chefredakteur des Fachmediums »Der Fondsbrief«, dem bundesweit auflagenstärksten Newsletter mit Schwerpunkt geschlossene Beteiligungsmodelle und Sachwertinvestitionen.