Karstadt-Verkauf: Für die Städte steht viel auf dem Spiel

Ruth Vierbuchen, Chefredakteurin „Handelsimmobilien Report“

Die Immobilienexperten waren sich nach Ausbruch der Subprime-Krise in ihrem Urteil schnell einig: Nach dem Ende der opportunistischen Immobilien-Deals mit dem schnellen Geldverdienen komme die Zeit des Asset Managements, die Phase, in der man mit den Immobilien systematisch arbeiten müsse, um deren Werte zu steigern: Indem neue Mieter mit renditestarken Konzepten gesucht oder die Immobilien durch Revitalisierung aufgewertet werden.

Vor einer Asset-Management-Aufgabe der besonderen Art stehen die Eigentümer der Karstadt-Immobilien, das Highstreet-Konsortium aus Goldman Sachs, Pirelli RE, DB Rreef, Borletti Group und Generali, das in der Boomphase über 80 der 120 Sport- und Warenhäuser für 4,5 Mrd. Euro erworben hatte. Nachdem Niclas Berggruen als möglicher neuer Karstadt-Eigentümer feststeht, wird die Aufgabe nicht leichter. Er hat den Kauf an die Senkung der Mieten geknüpft.

Nachdem Highstreet im Zuge des Insolvenzplanverfahrens bereits auf einen dreistelligen Millionenbetrag in den nächsten 3 Jahren verzichtet hat, bietet das Konsortium nochmals 230 Mio. Euro für die nächsten 5 Jahre an. Es ist jedoch zu erwarten, dass harte Verhandlungen ins Haus stehen, da Berggruen auf die Offerte bislang nicht reagiert hat. Da das Konsortium die Darlehen jedoch verbrieft und an zahlreiche Investoren weiter gereicht hat, sind Entscheidungsprozesse schwierig und langwierig – und nicht nur vom Good-will der Verhandlungsführer abhängig.  

Der Verkauf des Karstadt-Immobilien-Portfolios, das 2006 die spektakulärste Transaktion war, bleibt damit vorerst in den Schlagzeilen. Zum Hintergrund: Die erste Tranche hatte der Goldmann Sachs Whitehall Fund im Frühjahr 2006 für 3,7 Mrd. Euro gekauft, als er sich mit 51% am Karstadt-Immobilien-Portfolio „Highstreet“ beteiligte. Recht geschickt hatte sich der damalige Karstadt-Quelle-Chef Thomas Middelhoff den Boom auf dem deutschen Immobilienmarkt und das große Interesse an deutschen Handelsimmobilien zunutze gemacht und die Objekte, die bereits stark beliehen waren, teuer verkauft, um den verschuldeten Handels- und Tourismus-Konzern zu entschulden.

Der nächste Schritt sollte eigentlich 2007 folgen. Middelhof plante den Verkauf der restlichen 49% des Highstreet-Portfolios an das Konsortium aus Pirelli Re, DBReef und der italienischen Borletti Group, Eigner der Warenhaus-Ketten LaRinscente und Pinault Printemps Redoute (PPR). Die Idee dahinter: Über die Kooperation sollte eine internationale Premium-Warenhaus-Allianz geschmiedet werden, die insbesondere den gehobenen Karstadt-Häusern neuen Schwung – durch neue internationale Marken – verleihen sollte.

Nach Ausbruch der Subprime-Krise im Juli 2007 verzögerte sich der Verkauf bis zum Frühjahr 2008. Mit der italienischen Generali wurde zudem ein weiterer Investor ins Boot geholt. Und der von Middelhoff angekündigte Zielerlös von 800 Mio. Euro konnte nur erreicht werden, indem er für die nächsten 15 Jahre Mieterhöhungen in Kauf nahm. Dem Vernehmen nach plante im Sommer 2007 auch Goldmann Sachs den Verkauf seiner Highstreet-Anteile. Doch die Krise machte die Pläne zunichte. Nachdem auch die Idee von der internationalen Warenhaus-Allianz durch die Schieflage von Karstadt gestoppt wurde, steht das Highstreet-Konsortium heute vor der Aufgabe, aus seinem Immobilien-Portfolio das Beste zu machen.

Dabei gelten innerstädtische Handelsimmobilien in Top-Lagen zweifellos als sichere Anlage, weil die Nachfrage nach solchen Standorten in der Regel groß ist. Doch im Segment Warenhäuser besteht der Nachteil, dass die Zahl der Nachmieter resp. Betreiber überschaubar ist, wie die Suche von Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg nach einem kompetenten Käufer und Betreiber belegt. Das macht es so schwer, den – zweifellos hohen – Wert innerstädtischer Warenhäuser zu heben.

 Vor diese schwierige Aufgabe sieht sich das Highstreet-Konsortium nach der Insolvenz von Karstadt und dem geplanten Verkauf der Karstadt Warenhaus GmbH an Niclas Berggruen nun gestellt. Indem der Verkauf an „eine abschließende Vereinbarung des Käufers mit dem Vermieter Highstreet“ geknüpft wird, wie es in der Pressemitteilung heißt, schiebt der Insolvenzverwalter im Grunde allein dem Konsortium die Verantwortung für das Gelingen des Verkaufs zu.

Ob das zielführend ist bei dem Versuch, Karstadt durch Verkauf aus der Insolvenz zu führen, darf ernsthaft bezweifelt werden. Denn im Extremfall entsteht dieselbe Gemengelage wie im Fall Hertie, obwohl Highstreet – ganz anders als Dawnay, Day – von Anfang an bereit war, im Interesse der Karstadt-Rettung Kompromisse einzugehen und Mietminderungen zu akzeptieren. Mit dieser Lösung riskiert der Insolvenzverwalter, dass der Karstadt-Verkauf doch noch scheitert.

Zumal keine Waffengleichheit besteht. Denn das Problem aus Sicht der Immobilieneigentümer, die darauf angewiesen sind, dass die Karstadt-Warenhäuser erfolgreich geführt werden, ist, dass ein Investor bei Übernahme des Geschäftsbetriebs mit einer überschaubaren Summe im zweistelligen Millionenbetrag einsteigt und im Falle des Scheiterns nur wenig zu verlieren hat. Bei Highstreet geht es um 4,5 Mrd. Euro.

Und auch für die betroffenen Städte steht sehr viel auf dem Spiel. Sollte der Verkauf noch scheitern, weil eine Einigung nicht möglich ist, dann würde wohl der Kaufhof mit seiner „Deutschen Warenhaus AG“  zum Zuge kommen und 40 bis 60 Karstadt-Häuser übernehmen. Das würde bedeuten, dass neben den 45 bereits leer stehenden Hertie-Häusern weitere 60 bis 80 Karstadt-Häuser auf den Markt kommen. Das wären dann 100 bis 120 leer stehende Warenhäuser in deutschen Innenstädten mit all ihren fatalen Folgen für den angrenzenden Einzelhandel.

Wenn Prof. Wolfgang Christ, Vorsitzender des Beirats der Urban Index Institut GmbH darauf hinweist, dass das Warenhaus in der Gründerzeit an der Stadt mit gebaut und die Stadt geprägt hat, weil die Objekte an exponierter  Lage in die Stadt integriert wurden, dann wird verständlich, wie sehr die Krise der Warenhäuser auch den Nerv der Städte und ihrer Bewohner trifft.

Dass im Falle Karstadt – insbesondere mit Blick auf die von Middelhoff zuletzt vereinbarte Mieterhöhung für 15 Jahre – die Höhe der Mieten für einen neuen Betreiber eine elementare Rolle spielt, liegt natürlich auf der Hand. Je niedriger die Mieten, umso leichter ist das Warenhaus-Geschäft. Andererseits hat Middelhoff einen ordentlichen Preis für die Immobilien vereinnahmt. Dass er das Geld nicht eingesetzt hat, um die Zukunft von Karstadt zu sichern, kann Highstreet nicht angelastet werden.

Da Niclas Berggruen aber in TV-Interviews immer wieder gerne betont, wie sehr ihm die Rettung des  traditionsreichen Warenhaus-Konzerns am Herzen liegt, sollte es möglich sein, eine einvernehmliche Lösung zu finden, mit der beide Parteien leben können. Zumal es auf Dauer sinnvoll wäre, wenn er als Warenhaus-Betreiber auch Miteigentümer der Immobilien wäre. Denn das würde die Bonität von Karstadt erheblich steigern. Insofern könnte etwa vertraglich geregelt werden, dass Berggruen im Zuge der höheren Mietzahlungen Anteile am Immobilienvermögen erwirbt. Für Highstreet wäre das zweifellos nicht die schlechteste Lösung. Und für Karstadt auch nicht.