Das Finanzierungsverhalten bleibt vorerst sehr selektiv

Für Investoren ist es derzeit die Frage aller Fragen: „Expansion im erschwerten Umfeld – Was finanzieren Banken heute noch? Denn während aktuell immer noch neue Shopping-Center, die in besseren Zeiten leicht zu finanzieren waren, kontinuierlich auf den Markt kommen und auch das Transaktionsvolumen auf dem Investmentmarkt wieder steigt, ist die Zahl der Neuentwicklungen eher moderat. Grund genug für Claus-Jürgen Cohausz, Vorstand der Westdeutschen Immobilien Bank AG (WestImmo), auf dem 6. Handelsimmobilien Kongress in Berlin die Sicht der Banken auf das Thema „Finanzierung von Handelsimmobilien“ aufzuzeigen.

Von den Darlehen für Gewerbeimmobilien, die sich laut Cohausz bis Ende September 2009 hierzulande auf 314,7 Mrd. Euro summierten, flossen 29,4% in Handelsimmobilien und Lagerflächen. Hinter Büro- und Verwaltungsgebäuden mit 46,7% der Anteile rangiert das Retail- und Lager-Segment damit auf Rang 2. Gegenüber 2008 sind die Darlehenszusagen in den ersten drei Quartalen 2009 bei Handels- und Lagerimmobilien mit 52% jedoch am deutlichsten zurückgegangen. Bei Büro- und Verwaltungsgebäuden lagen die Zusagen 38% unter den ersten drei Quartalen 2008. Bei Hotels- und Gaststätten wurde das Niveau um 44% unterboten (siehe Grafik WestImmo).

Was hält viele Kreditinstitute von der Darlehensbewilligung ab – abgesehen von Gründen wie knappe Ressourcen? Einer der Gründe ist die Unsicherheit über die weitere Entwicklung des Einzelhandels. Nachdem sich der private Konsum im Vorjahr – gemessen an vielen anderen Wirtschaftszeigen wie Autoindustrie und Maschinenbau – als recht stabil erwiesen hat, macht sich inzwischen eine gewisse Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Einzelhandelskonjunktur breit. Denn die Stimmung der Konsumenten hatte sich – gemessen im GfK-Konsumklima-Index – zuletzt etwas abgekühlt. Viele Verbraucher schätzen die Konjunktur laut GfK aktuell weniger positiv ein und überdenken ihr Ausgabeverhalten.

Auch die Schwierigkeiten der traditionellen Bekleidungskaufhäuser, wie die  Insolvenz von Sinn-Leffers und Wehmeyer, die inzwischen jedoch überwunden wurde, sowie  von Woolworth und Karstadt sowie die Liquidation von Hertie, veranlassen einige Banken, die gesamte Branche in Sippenhaft zu nehmen. Hinzu kommt laut Cohausz, dass einige Kreditinstitute womöglich selbst negative Erfahrungen gesammelt haben mit betroffenen Branchen und Unternehmen.

Das erhöht die Unsicherheit über die Bonität des Einzelhändlers als Mieter und die Sorge, dass die Neuvermietung schwierig werden könnte. Denn immerhin stehen eine ganze Reihe der von den Unternehmen im Zuge der Insolvenz geschlossenen Immobilien leer, weil der Standort oder das Objekt nicht optimal oder die Kaufpreise zu hoch sind. Das sorgt naturgemäß für starke Irritationen im Markt.   

Das spiegelt sich dann in den geänderten Finanzierungsbedingungen wider – auch wenn Handelsimmobilien insbesondere bei institutionellen Anlegern grundsätzlich wichtiger Bestandteil der Portfolio-Strategie bleiben. Es gilt jedoch die Spreu vom Weizen zu trennen. Und sehr genau zu prüfen, um die guten Standorte mit Wertsteigerungsperspektiven und großem Einzugsbereich zu finden.  Denn Nebenlagen, darin sind sich die Immobilienmakler einig, sind derzeit nur schwer zu vermarkten.

Außerdem legen die Kreditinstitute bei ihrer Prüfung – neben den hohen Renditen und Renditeperspektiven – Wert auf langfristige Mietverträge mit Indexierung, bonitätsstarke Mieter sowie geringe Verwaltungs- und Bewirtschaftungskosten.

Gleichzeitig beobachte Cohausz die Abkehr von großvolumigen Sale-and-Lease-Back-Portfolio-Transaktionen. Hier sei an den Verkauf des Karstadt-Portfolios an das Highstreet-Konsortium in mehreren Tranchen von 2006 bis Frühjahr 2008 gedacht, der heute nicht mehr möglich wäre. Dagegen legen die Banken viel Wert auf namhafte Einzelhändler als Mieter und sie konzentrieren sich auf die Top-Lagen der deutschen Großstädte. Denn hier zeigen sich die Mieten laut Kemper’s Jones Lang LaSalle auch in dem aktuell schwierigen Umfeld sehr stabil. Hoch im Kurs stehen laut Cohausz auch innerstädtische Shopping-Center in mittleren Städten, die  bislang nur eine unterdurchschnittliche Zentralität aufweisen. D.h. hier wird die Chance gesehen, die Kaufkraft vor Ort durch das neue Center zu binden.

Dass die Banken bei der Finanzierung heute mehr Eigenkapital verlangen, ist schon seit langem bekannt. Großvolumige Finanzierungen gehen laut Cohausz nur noch über Club Deals, bei Prolongationen und Refinanzierungen sind Forderungen nach Eigenkapitalzuschüssen und der Aufstockung von Sicherheiten möglich. Neben den üblichen Prüfkriterien wird bei Handelsimmobilien noch eine Bedarfsanalyse durchgeführt, die sich mit Kriterien wie Kaufkraft, Zentralität, Einwohnerzahl, Bevölkerungsstruktur, Arbeitslosigkeit und der Angebotsstruktur im Umfeld der Immobilie und die Position des Mieters in diesem Umfeld beschäftigt. Bei Shopping-Centern gilt es die Güte des Mieter- und Branchenmixes zu prüfen, das zur Stadt und zum Umfeld des Centers passen muss. Zudem ist das Center-Management wichtig.

Experten erwarten in diesem Jahr die Trendwende

Bei Projektentwicklungen liegen die Eigenkapitalanforderungen laut Cohausz heute bei 5 – 25%. Auf Senior Loans (erstrangig zu bedienende Bankverbindlichkeiten) entfallen 50 – 65% und die bestehende Finanzierungslücke von 10 – 45%, die heute oft zum Finanzierungshemmnis wird, lässt sich aus Sicht des Experten durch eine Mezzanine-Finanzierung, Private Equity oder  Venture Capital schließen.

In diesem schwierigen Umfeld hat die Westdeutsche ImmobilienBank ihr Finanzierungsvolumen 2009 – gegenüber dem Vorjahr – laut Cohausz jedoch ausgeweitet: Und zwar von rd. 5,5 Mrd. Euro auf über 6 Mrd. Euro – vor allem, indem sie – gegen den Branchentrend – die Finanzierung von Handels- und Logistik-Immobilien von 20% (2008) auf 34% des Volumens erhöhte. Denn beim Blick auf die Entwicklung 2010 erwartet Cohausz eine Stabilisierung der Konjunktur und der Einzelhandelsumsätze.

Auch für die NORD/LB-Tochter Deutsche Hypo ist die Finanzierung von Einzelhandelsimmobilien eines der Hauptgeschäftsfelder. Andreas Pohl, Vorstand der Deutsche Hypo, sieht in den vergangenen Monaten eine deutliche Belebung des Investmentmarktes von Handelsimmobilien. „Das Transaktionsvolumen hat 2009 seinen Tiefpunkt erreicht. Für 2010 erwarten wir eine deutliche Zunahme der Investments.“ Pohl schätzt, dass sich das Transaktionsvolumen in etwa auf das Durchschnittsniveau der Jahre vor dem Boom bewegen werde.

Die positive Einschätzung für den Einzelhandel teilt auch Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands HDE. Nachdem der Umsatz im klassischen Einzelhandel (ohne Kfz, Kraft- und Brennstoffe sowie Apotheken) 2009 nominal um 1,6% und real um 1,9% auf 392,1 Mrd. Euro gesunken ist, erwartet er für 2010 eine Stabilisierung auf dem aktuellen Niveau: „Die Mehrheit der Handelsunternehmen schätzt dies ähnlich ein“, so Genth. „Das zeigen erste Ergebnisse unserer Konjunktur-Umfrage.“ Das sei zwar kein Grund zum Jubeln, so der Handelsexperte, und verlange von der Branche noch viel  Durchhaltevermögen. Doch zeigte das Weihnachtsgeschäft, dass Branchen wie Uhren, Schmuck, Kosmetik (Foto), Körperpflegemittel, Schuhe und Möbel von dem Wunsch der Konsumenten profitierten, sich zumindest einen kleinen Luxus zu gönnen.

Beim Blick auf 2010 erwartet Cohausz, dass die hochwertigen Objekte preisstabil bleiben, dass sich auch die Liquiditätssituation der Banken verbessert und sich der Wettbewerb verstärken wird, weil frühere Player in den Markt zurückkehren. Die Finanzierungsvolumina werden aber unter dem Niveau von 2007/08 bleiben und das Finanzierungsverhalten bei Handelsimmobilien werde sehr selektiv bleiben. Eine deutliche Verbesserung des Investitionsklimas für Handelsimmobilien sei noch nicht erkennbar.