Der Hertie-Deal trägt alle Züge der aktuellen Krise

 Am Ende sind die letzten Hoffnungen der Bürgermeister von Hertie-Standorten an der Unnachgiebigkeit des Dawnay-Day-Managers Chris Hancock zerschellt. Dawnay, Day hat die Immobilien im Jahr 2005 als reiner Investor gekauft – und zufällig noch ein Warenhausgeschäft dazu erworben, wie es ein Branchenkenner treffend formulierte. Und als Investor will Hancock das Problem offensichtlich auch lösen: In dem er die Immobilien wieder verkauft.

Dass Chris Hancock nicht die Absicht hatte, ernsthaft über die Rettung des operativen Hertie-Geschäfts nach zu denken, dafür spricht schon, dass er beim letzten Gespräch am 26. Juni unter Moderation von Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen erst den Insolvenzverwalter Biner Bähr, dann den Hertie-Vorstand und den Hertie-Betriebsrat auslud und schließlich auch noch versuchte, Wesselings Bürgermeister Günter Ditgens fern zu halten. Das ganze zeugt vor allem von dem Chaos, das beim ebenfalls insolventen britischen Investor Dawnay, Day herrscht. Und es bildete von Anfang an eine denkbar ungünstige Voraussetzung für die Rettung des Hertie-Konzerns im Rahmen des Insolvenzverfahrens.

Und dass die Deutsche Bank, die seinerzeit den Kredit für die Übernahme der Karstadt-Kompakt-Warenhäuser organisiert und die Hypothek weiter verbrieft hatte, schließlich erklärt, sie habe ja eigentlich nichts mit der Angelegenheit zu tun, obwohl sie offenbar noch die Sicherheiten an den Immobilien hält, rundet das Bild ab: Der gesamte Deal mit den 74 früheren Karstadt-Kompakt-Kaufhäusern, die nunmehr Hertie heißen, trägt alle Züge der aktuellen Krise. Unternehmen und Menschen werden zum Spielball in einem völlig undurchsichtigen Finanzsystem, in dem anschließend niemand mehr die Verantwortung trägt.

G. Ditgens

G. Ditgens

Das Schlimme sei, so stellt Günter Ditgens, Bürgermeister von Wesseling ernüchtert fest, dass nach solchen Ereignissen von vielen das gesamte System in Frage gestellt werde, wenn die Verantwortlichen so weiter machten wie bisher.

Nach dem letzten gescheiterten Rettungsversuch geht es für die betroffenen Bürgermeister nun um die Frage, wie sie jetzt weiter kommen. Sie würden versuchen, Käufer zu finden, schätzt Ditgens, der von Anfang an versucht hatte, die Aktionen der Bürgermeister zu koordinieren. Denn die Furcht vor leer stehenden Warenhaus-Immobilien und ihre Auswirkungen auf die Innenstädte ist groß.

Atisreal, die sich inzwischen BNP Parisbas Real Estate nennt, hat nach eigenen Angaben bisher 11 Hertie-Immobilien veräußert. Insgesamt hatte Hertie zuletzt 73 Filialen geführt, davon gehörten Dawnay, Day 62 Immobilien. Auch die Hertie-Filiale in Wesseling gehört zu den Standorten, die mit der Bonner Phoenix development einen neuen Eigentümer gefunden haben. Erfreulich auch für die Mitarbeiter: Nach Zusage der Arbeitsagentur soll allen Hertie-Mitarbeitern ein Angebot unterbreitet werden, denn Einzelhandelskräfte sind in der Region sehr gesucht.

Dass für diesen Standort wieder ein anspruchsvolles Einzelhandelsangebot gefunden wird, ist aus Sicht von Bürgermeister Ditgens für Wesseling von elementarer Bedeutung. Nach seiner Kenntnis hatte sich das Geschäft im Hertie-Warenhaus zuletzt verbessert, nachdem das Unternehmen im Zuge der Umstrukturierung mit der Qualität seines Angebots nach oben gegangen war. Dem Management sei es sogar gelungen, so hebt Ditgens hervor, neue Lieferanten zu gewinnen. Das spricht aus seiner Sicht dafür, dass Hertie mit seinen verbliebenen 54 Häusern – 19 hatte der Insolvenzverwalter im Zuge der Umstrukturierung geschlossen – auf einem guten Weg gewesen sei.

Das Hertie-Haus in Wesseling liegt in zentraler Lage direkt an der Fußgängerzone  Flach-Fengler-Str. in der Nähe des Bahnhofs. „Das ist die wichtigste Stelle der Fußgängerzone“, betont Ditgens. Um die Stadt, die es mit ihrer Sandwich-Position zwischen den Oberzentren Köln und Bonn nicht leicht hat, weiter voran zubringen, hat die Verwaltung einen Masterplan und ein Einzelhandels-Konzept (von Dr. Donato Acocella) erstellen lassen. Demnach wird Wesseling konzediert, dass die Einwohnerzahl, die aktuell bei knapp unter 36 000 liegt, bis 2015 auf 36 675 steigen wird. Die Bindungsquote in den 144 Einzelhandelsbetrieben mit 53 600 qm Verkaufsfläche liegt laut Gutachten bei durchschnittlich 80%, was besagt, dass ein Teil der Kaufkraft aus der Stadt abfließt. Bei 100% bliebe die Kaufkraft im Ort. Damit hat Wesseling bei seinem Einzelhandelsangebot noch Nachholbedarf.

Um die Stärken und Schwächen der Stadt auszuloten, hatte das Planungsbüro u.a. eine Umfrage unter den örtlichen Einzelhändlern gestartet. Im Ergebnis äußerten sich die Einzelhändler unzufrieden über das Einzelhandelsangebot, vor allem über die große Zahl von Geschäften aus dem Billig-Segment. So wünscht sich auch Ditgens, dass sich am Hertie-Standort im Zuge des Umbaus attraktive Handelsfilialisten ansiedeln werden. Kritisiert wurde auch die Aufenthaltsqualität in der Stadt. Aber auch hier wird die Stadt noch weiter nachlegen.

Gleichzeitig ergab die Studie, dass Wesseling eine gute Nahversorgung mit Nahrungs- und Genussmitteln bietet, denn hier liegt die Bindungsquote bei 100%. Im Bereich Geschenke, Haushaltswaren und Bestecke zieht Wesseling sogar Kaufkraft aus dem Umland an. Das gleiche gilt für den Bau- und Gartenmarkt. In allen anderen Bereichen hat die Stadt beim Angebot durchaus noch Nachholbedarf.