Deutsche Warenhaus AG: Eckhard Cordes großer Bluff?

Jemanden anzulächeln ist bekanntlich die freundlichste Art, seinem Gegenüber die Zähne zu zeigen. Mit dieser Metapher lassen sich am ehesten die Pläne umschreiben, die Metro-Chef Eckhard Cordes über die Schaffung einer „Deutschen Warenhaus AG“ aus Kaufhof und Karstadt an die Öffentlichkeit lanciert hat. In deutlicheren Worten formuliert: Branchenkenner werten Cordes Vorstoß, „Gespräche mit dem Ziel betriebswirtschaftlich sinnvolle Lösungen für die Karstadt-Warenhaus-Standorte zu finden“, vor allem als den geschickten Versuch, zu verhindern, dass der Essener Arcandor-Konzern eine Staatsbürgschaft erhält, die er so dringend braucht für die Verhandlungen mit den Banken über die Verlängerung einer 650 Mio. Euro schweren Kreditlinie und den 200 Mio. Euro-Kredit von der KfW. Karstadt

Die Zusammenhänge sind simpel: Wenn sich eine privatwirtschaftliche Lösung in einer so prekären Situation wie bei Arcandor abzeichnet, dann dürfte sich die Bundesregierung bereitwillig aus der Verantwortung zurückziehen, über die Gewährung einer Bürgschaft zu entscheiden – zumal auch Karstadt/Arcandor zur Gruppe der Unternehmen gehört, die bereits vor Eskalation der Finanzkrise Probleme hatten. In diesen Fällen reißt sich Berlin aus gutem Grund nicht um die Entscheidung, Steuergelder für Managerfehler auszugeben. Auch wenn man die Probleme bei der Verlängerung der Kreditlinie zweifellos in unmittelbarem Zusammenhang mit der Krise sehen muss.

Dafür, dass Cordes in erster Linie andere Ziele als den Bau der berühmten „Deutschen Warenhaus AG“ im Sinne hat, spricht das Prozedere des Metro-Chefs, der sich bislang durch klare und gradlinige Strategien ausgezeichnet hat. Noch bei der Hauptversammlung am 14. Mai verurteilte er eine mögliche Bundesbürgschaft für Arcandor bzw. der Tochter Karstadt und geißelte sie als Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil der Metro-Tochter Galeria Kaufhof.

Dass dies seiner ehrlichen Überzeugung entspricht, davon kann zweifellos ausgegangen werden. Das belegen auch entsprechende Berichte in der FAZ, wonach Cordes auch gegenüber der Politik zum Ausdruck gebracht hat, dass er Staatshilfe als mögliche Wettbewerbsverzerrung sieht. In diesem Sinne hat sich auch bereits Wirtschaftsminister zu Gutthenberg zunächst ablehnend über eine Bürgschaft für Arcandor geäußert. Dass Cordes jedoch noch nicht einmal eine halbe Woche später vorschlägt, Karstadt und Kaufhof zusammen zu führen, ist ein bemerkenswerter Fallrückzieher. Der Vorschlag passt schon gar nicht zu seiner Ankündigung bei seinem ersten öffentlichen Auftritt im März 2008 als Metro-Chef, nämlich dass der Kaufhof nicht mehr zum Kerngeschäft gehöre und deshalb verkauft werden solle.

Warum also plötzlich der Bau eines Warenhaus-Groß-Konzerns, an dem Metro laut FAZ mit 49% beteiligt sein soll, in gleicher Höhe wie die Eigentümer der Karstadt-Immobilien? Banken sollen dabei die verbliebenen 2% bekommen. Womöglich könnte auch Arcandor mit einem kleinen Teil beteiligt werden. Eine solche „Deutsche Warenhaus AG“ zu bauen, kostet Zeit, viel Zeit, Wochen und Monate. Zeit, die der neue Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick nicht hat. Er braucht noch im Juni eine Einigung mit den Banken – und dafür die Staatsbürgschaft.

Deshalb winkte Eick bei dem Vorschlag erwartungsgemäß erst einmal ab, zumal er angetreten war, den Essener Arcandor-Konzern als Ganzes und aus eigener Kraft wieder auf die Schiene zu setzen. Bis er offenbar das Spiel durchschaute und dann seinerseits versuchte, die Spielregeln zu gestalten. So schlug der Arcandor-Chef ein offizielles Treffen mit Cordes und dem Deutschland-Chef von Goldman Sachs, Alexander Dibelius, vor, um über das Warenhaus-Konzept zu sprechen. Goldman Sachs hält mit 51% die Mehrheit am Whitehall Fund, dem die Karstadt-Immobilien gehören. Nur so konnte Eick Cordes zwingen, über die Ernsthaftigkeit seiner Pläne Farbe zu bekennen. Es blieb dann auch nur ein erstes Sondierungsgespräch zwischen Cordes und Eick übrig, Inhalte wurden nicht verkündet, weitere vertiefende Gespräche wurden anberaumt, ein festes Datum aber – es wundert kaum – nicht festgelegt. Eick konnte somit zwar kontern, doch bleibt er in die undankbare Rolle gedrängt, mit der Insolvenz  zu drohen, falls die Bürgschaft nicht gewährt wird. Er steht gewaltig unter Druck.. Inzwischen scheint sich aber die ablehnende Haltung der Politik zu lockern.

Die in diesem öffentlichen Spiel von Dritten bereits fest eingeplanten Investoren des Whitehall Funds, neben Goldman Sachs die Deutsche-Bank-Gesellschaft Rreef, Pirelli Real Estate, Borletti Group und Generali ließen auf Anfrage des „Handelsimmobilien Reports“ über ihren Sprecher dazu offiziell mitteilen: „Die Investorengruppe kommentiert das nicht.“

Sicher ist jedoch, dass die Investoren die Vorgänge sehr genau beobachten werden. Denn als Vermieter der angeschlagenen Karstadt-Warenhäuser geht es für sie um sehr viel – auch um viel Geld. Insgesamt summiert sich die Investition in die Karstadt-Immobilien auf 4,5 Mrd. Euro. Schafft Eick es nicht, die Kreditlinie im Juni zu verlängern, dann droht ihrem Mieter Karstadt die Insolvenz mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen wie Mietausfall und Filialschließungen.

Nutznießer der Insolvenz wäre zweifellos der Wettbewerber Kaufhof, der sehr billig an gute Karstadt-Standorte kommen könnte. Der Investorengruppe kann an einer Insolvenz des Essener Warenhausunternehmens im eigenen Interesse also nicht gelegen sein. Der Fall Hertie zeigt, wie schnell ein solcher Fall in einem Scherbenhaufen für alle Beteiligten enden kann – auch für den Eigner Dawnay, Day.

Sollte es dennoch zum Schlimmsten, zum Insolvenzverfahren,  kommen, sehen Experten für Karstadt durchaus die Chance, mit einem Netz aus 50 bis 60 rentablen Warenhäusern auch eigenständig zu überleben. Allerdings trägt auch Karstadt – wie die Schwester Hertie – eine schwere Hypothek aus der Vergangenheit. Denn um trotz Krise und nachgebender Immobilienpreise den bereits fest eingeplanten Kaufpreis für die 49% zu erzielen, die Arcandor  noch am Whitehall Fund hielt, nahm Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff 2008 Mieterhöhungen für die Karstadt-Filialen in Kauf. Das ist eine feste Belastung für das Warenhaus-Geschäft, die Eick bereits bei seiner Pressekonferenz Mitte April beklagte und die ihn nun veranlasst, mit den Eigentümern über die Mieten neu zu verhandeln.

Was mit Blick auf die Zukunft allerdings schwer für die Warenhaus-Branche wiegt, ist die Tatsache, dass keiner der Betreiber das Warenhauskonzept 2.0, also das zeitgemäße Konzept für die Zukunft, in der Schublade hat, wie Karsten Burbach, Head of Retail beim Immobilienberatungsunternehmen CB Richard Ellis, moniert. Deshalb müsse man die Entwicklung der Vergangenheit erst einmal fortschreiben. Das würde auch für eine „Deutsche Warenhaus AG“ gelten.