Licht und Schatten in Duisburgs City: Ende April wurde das von Multi Development entwickelte Forum Duisburg vom International Council of Shopping Center (ICSC) als „bestes europäisches Center 2010“ in der Kategorie „Große Center“ prämiert und mit dem „Resource Award“ ausgezeichnet. Der wird nur an besonders nachhaltige Projekte verliehen. Das Besondere: Der „Resource Award“ wird nur dann vergeben, wenn sich das Projekt in besonderem Maße durch „soziale und ökologische Nachhaltigkeit“ auszeichnet. Gleichzeitig fällt der lange Schatten des geplanten Factory Outlet Centers (FOC) in Duisburg-Marxloh auf die Innenstadt.
Für die Duisburger City hat die Auszeichnung des Forum Duisburg (Foto) besonderen Symbolcharakter, denn mit dem Bau des architektonisch ansprechenden Centers in der Einkaufsmeile Königstraße und dem Neubau der benachbarten Karstadt-Filiale wurde im Herbst 2008 – nach langem Stillstand – ein wichtiges Signal für die Revitalisierung und die Aufwertung der Duisburger Innenstadt gegeben.
Denn als Einkaufsstandort rangierte die alte Stahlstadt im Verbund der Rhein-Ruhr-Städte am hinteren Ende der Beliebtheitsskala. Das lässt sich auch heute noch am Vergleich der Zentralitätskennziffern ablesen: Mit einem Wert von 121 rangiert Düsseldorf nach dem „Einzelhandels- und Zentrenkonzept“ für die Stadt Duisburg an der Spitze, vor Bochum mit 115, Dortmund mit 112, Krefeld mit 111, Essen mit 108, Oberhausen mit 107 und schließlich Duisburg mit 103. Damit hat die Stadt inzwischen schon einiges aufgeholt, denn noch vor einigen Jahren zeigte ein Wert von unter 100, dass einiges an Kaufkraft aus der Duisburg abfloss.
Doch nun fällt der lange Schatten des geplanten Factory Outlet Centers in Duisburg-Marxloh resp. Duisburg-Hamborn im Norden des Stadtgebiets auf die Duisburger Königstraße. Im Zentrum der Pläne steht das Areal der Rhein-Ruhrhalle an der B8, für die eine Nachnutzung gefunden werden soll. Um den Weg für die Ansiedlung der Outlet Mall mehr oder weniger zu ebnen, hatte die Stadt 2008 ein „Einzelhandels- und Zentrenkonzept“ (erarbeitet von Stadt + Handel in Dortmund) in Auftrag gegeben, um die Ansiedlung zu prüfen.
Dabei kommen die Gutachter zu dem zentralen Ergebnis, dass es sinnvoll wäre, mit Blick auf die „polyzentrische Struktur“ der Stadt zwei Hauptzentren zu etablieren: In der Königstraße und in Hamborn/Marxloh: „Als optimal ausgewogen und den Entwicklungszielen der Stadt Duisburg bestmöglich entsprechendes Leitbild wird eine Kombination aus dem Szenario 2 „Mehrere Hauptzentren“ und dem Szenario 4 „Gegliederte Zentren-Entwicklung“ angestrebt“, heißt es dazu im Gutachten.
Im Einzelnen geht es um die beiden Nebenzentren Hamborn im Süden und Marxloh im Norden des Stadtbezirks sowie das Straßenband Weseler Straße/Duisburger Straße als Verbindungsachse – also um eine zweipolige Struktur. Hier haben sich bereits einige große Einzelhandelsbetriebe angesiedelt. Außerdem gibt es Fußgängerzonen, Wochenmärkte, das Marxloh-Center und eine Verbindung an das ÖPNV-System. Beide Standortbereiche bilden aber kein zusammenhängendes Zentrum.
Ziel des Zweit-Zentrums ist es, die Ausstrahlung der Stadt und ihre Zentralitätskennziffer auf 120, die Oberzentren in der Regel erreichen können, zu erhöhen.
Der nördliche Stadtbezirk Marxloh/Hamborn schließt die weiteren Stadtbezirke Walsum, Meiderich-Beeck und den Stadtteil Baerl mit über 200 000 Einwohnern ein. Insgesamt hat Duisburg über 496 000 Einwohner, wobei der Immobiliendienstleister Comfort aus Düsseldorf davon ausgeht, dass die Bevölkerung in den nächsten Jahren mit einer Rate von 1,9% schrumpfen wird.
Aus Sicht des Einzelhandelskonzepts hat die City von Duisburg nämlich nicht das Potenzial, um die oberzentrale Funktion und Stellung der Stadt alleine wahrnehmen zu können. Deshalb empfehlen die Gutachter die Neuausrichtung der Zentrenstruktur mit einer Ausrichtung auf ein zweites Hauptzentrum. Knackpunkt der Überlegungen ist dabei, dass ein FOC auf dem Areal der Rhein-Ruhr-Halle den überregionalen Magneten für das innerstädtische Zentrum von Marxloh geben soll.
Als Investor wurde die German Development Group, die deutsche Tochter eines niederländischen Projektentwicklers, gefunden. Auch die geplanten Dimensionen haben sich schon herumgesprochen: Es soll eine der größten Outlet Malls Deutschlands werden – eine Erlebniswelt für Alt und Jung – und etwa 90 Mio. Euro kosten. Als Einzugsgebiet ist ein Radius von 200 km angedacht.
Factory Outlet Center sind im dicht besiedelten Deutschland per se schon ein Politikum. Denn im Gegensatz zu den USA können hiesige Einzelhändler unverkaufte Waren nicht an die Lieferanten zurückgeben, die die Waren dann in isoliert gelegenen FOCs zu günstigeren Preisen verkaufen. In Deutschland müssen die Einzelhändler Restware selbst verkaufen. Damit treten Outlet Malls in unmittelbare Konkurrenz zum Einzelhandel – zumal in einer der bevölkerungsreichsten Regionen Europas, wo große Oberzentren mit prominenten Einkaufsmeilen dicht an dicht angesiedelt sind.
Dass vor diesem Hintergrund heftig gestritten wird, liegt auf der Hand. Bislang hat die Stadt Duisburg einen Aufstellungsbeschluss gefasst, das vorgelegte Einzelhandels- und Zentrenkonzept zur Kenntnis genommen, die Verabschiedung des Konzepts aber auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben. Auf Grund der engen Nachbarschaft im Rhein-Ruhr-Gebiet, wo im Radius von 200 km jede Menge namhafte Städte sind, ist davon auszugehen, dass sich einige der betroffenen Nachbarstädte gegen die geplante Konkurrenz zur Wehr setzen werden.
Dafür bietet §2,2 Bau Gesetz Buch die Grundlage. Denn danach müssen beim Bau von großflächigen Handelsobjekten mit einem Einzugsgebiet, das über die Gemeindegrenzen in andere Kommunen hineinreicht, diese betroffenen Gemeinden an den Planverfahren beteiligt werden. Nach Schätzung von Experten werden Überschneidungen mit dem Designer Outlet-Center in Roermond und dem geplanten FOC in Hagen erwartet.
Der Handelsverband HDE aus Berlin hat in seinem Gutachten denn auch bereits nachhaltige Bedenken angemeldet: Das Projekt werde das gesamte Einzelhandelsgefüge der Region durcheinander bringen. Denn die Outlet Mall werde keinen zusätzlichen Umsatz generieren, da auf Grund des Angebots kein gänzlich neuer Bedarf geweckt werde. Vielmehr stehe zu befürchtet, dass Kaufströme in die Outlet Mall umgeleitet werden: „Die prognostizierten Umsatzverlagerungen lassen negative raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen in den betrachteten Zentren erwarten.“
Auch sehen die Experten des HDE durch die Aufwertung des zweiten Hauptzentrums in Duisburg die bislang in der Innenstadt eingeleiteten Maßnahmen zur Belebung der Duisburger Innenstadt gefährdet. Das betreffe insbesondere die Maßnahmen zur Stadterneuerung, der Städtebauförderung und des Stadt-/Citymarketings. Zudem wird aus Sicht des HDE das FOC keine zusätzliche Frequenz für die City generieren. Denn Untersuchungen der Geographischen Institute der Universitäten von Regensburg und Tübingen am Beispiel des FOC Metzingen ergab, dass rd. drei Viertel der Kunden den Einkauf im FOC nicht mit dem Besuch der Innenstadt koppeln wollten.
Harte Geschütze gegen die Pläne fahren auch die Niederrheinischen IHKs Duisburg, Wesel, Kleve zu Duisburg auf. Sie hatten eigens bei Junker und Kruse in Dortmund eine „Fachliche Bewertung der geplanten Ansiedlung des FOC in Duisburg-Marxloh“ in Auftrag gegeben (vgl. HIR Nr. 74 vom 25.6.2010). Dabei stellten die Gutachter bereits die Grundthese in Frage, dass es sinnvoll sei, in Duisburg zwei Zentren – also bipolare Strukturen – zu etablieren. Tatsächlich sei in vielen Städten zu beobachten, dass Stadtteilzentren zugunsten der zentralen Innenstädte an Bedeutung verlieren würden. Eine funktionierende bipolare Hauptstadtstruktur gebe es nur in Berlin. Ansonsten gebe es meistens Probleme in einem oder sogar beiden Zentren, wenn etwa historisch gewachsen oder durch Zusammenschlüsse zwei Zentren neben einander existieren würden.
Zudem kommt Junker und Kruse zu dem Ergebnis, dass die räumlich-funktionalen Gegebenheiten in Hamborn/Marxloh nicht unbedingt die Schaffung eines zweiten Hauptzentrums begünstigen würden. Und: Das Einzelhandels- und Zentrenkonzept wiederspreche dem vom Rat der Stadt beschlossenen Zielen des Masterplans Innenstadt von Foster & Partners. Warum die City allein nicht das Potenzial habe, oberzentrale Bedeutung zu erlangen, werde nicht begründet, stellen die Gutachter weiter fest. Und auch nicht, warum durch die Ansiedlung eines FOCs die oberzentrale Funktion von Duisburg gefördert werde.
Aus Sicht von Joachim Will, Geschäftsführer der Ecostra GmbH, spricht gegen Marxloh als Standort für eine Outlet Mall zudem die Tatsache, dass in diesem Duisburger Stadtbezirk viele Menschen mit Migrationshintergrund leben, die nicht zur typischen Käuferschicht eines FOC mit seinen höherwertigen Markenangeboten gehören.
Um den Duisburger Norden aufzuwerten, so schlagen Junker und Kruse vielmehr vor, sei es weniger nötig, das Zentrum planerisch höher zu stufen als es vielmehr auf Grundlage von Masterplänen für die einzelnen Stadtteile die Nebenzentren schrittweise weiter zu entwickeln.
Ein anderes Problem sieht Astrid Schulte, Geschäftsführerin der Niederrheinischen IHK (Bereich Handel, Mittelstand): Damit entstehe unter den Städten ein ruinöser Flächenwettbewerb, der angesichts der demographischen Entwicklung in der Region nicht zielführend sei. Denn andere Städten könnten sich gezwungen sehen, ihrerseits mit neuen Shopping-Attraktionen gegen zu halten.